www.naturfreunde.at

Nur 15 Minuten, um ein Leben zu retten

Wird jemand von einer Lawine verschüttet, sollte er in nur 15 Minuten gefunden und geborgen werden. Ein schwieriges Unterfangen, für das Retterinnen und Retter regelmäßig trainieren müssen.

 Text und Fotos: Martin Edlinger, Leiter der Abteilung Bergsport & Schitouren der Naturfreunde Österreich, Berg- und Schiführer, Alpinsachverständiger

 

Ein herrlicher sonniger Tag, Neuschnee liegt auf den unberührten Hängen der Berge, der Pulverschnee staubt – Glück und Lebensfreude durchströmen die Tourengehergruppe, ja die Stimmung aller Beteiligten ist überwältigend. Plötzlich bricht die Schneedecke! Eine Lawine löst sich, und ein Teilnehmer verschwindet in den abrutschenden Schneemassen. Die Stimmung kippt blitzartig. Schock, Angst, Hektik, Hysterie verdrängen von einer Sekunde auf die andere die gerade noch erlebten Glücksgefühle. Plötzlich geht es um Leben oder Tod.

 

Trotz der Vielzahl von Schitourengeherinnen und -gehern sowie Variantenfahrerinnen und -fahrern stehen Lawinenunfälle zum Glück nicht an der Spitze der Alpinunfälle. Tritt jedoch ein derartiger Notfall ein, ist er ein absolut lebensbedrohliches Ereignis. Ganzverschüttete Personen haben nur 15 Minuten lang eine sehr gute Überlebenschance. Danach sinkt diese rapide. Die Rettung von verschütteten Personen ist ein Wettlauf mit der Zeit, der in Österreich im langjährigen Durchschnitt für 21 Personen pro Jahr tödlich endet.

 

Für eine professionelle Rettung – beispielsweise durch die Bergrettung - ist das Zeitfenster von 15 Minuten meist zu klein. Darum wird der Kameradenrettung, also der Rettung durch Personen vor Ort, ein dermaßen hoher Stellenwert eingeräumt.

 

Um im Ernstfall die für eine Kameradenrettung nötige Routine zu haben, ist es wichtig, ein einfaches Ablaufschema zu trainieren. Von entscheidender Bedeutung ist es, die Ruhe zu bewahren, damit man koordiniert handeln kann. Genauso wichtig ist das Achten auf die eigene Sicherheit, denn nur ein lebender Retter ist ein guter Retter!

 

Um die anfängliche Chaosphase so kurz wie möglich zu halten und eine klare Aufgabenverteilung zu erzielen, wäre es am besten, wenn ein Mitglied der Gruppe das Kommando übernimmt und die weiteren Schritte koordiniert: Wer alarmiert? Wer übernimmt die Lawinenverschüttetensuche? Wer richtet Schaufeln und Sonden her?

 

Der richtige Zeitpunkt, um den Notruf abzusetzen (Alpinnotruf der Bergrettung: 140, in Vorarlberg 144; Euronotruf: 112), ist gerade bei einem Lawinenunfall sehr situationsabhängig. Die oberste Prämisse lautet nämlich, verschüttete Personen so rasch wie möglich auszugraben, idealerweise innerhalb von 15 Minuten.

 

 

Die ersten 15 Minuten entscheiden:

Der Ablauf einer Verschüttetensuche

Die Phasen der Lawinenverschüttetensuche

 

Die Lawinenverschüttetensuche sollte in vier Phasen ablaufen.

 

  1. Oberflächen- und Signalsuche mit Auge, Ohr und LVS-Gerät (noch kein LVS-Empfang): Anhand herausragender Körper- und/oder Ausrüstungsteile kann der Suchbereich eingrenzt werden. Dann wird in Suchstreifen, die Breite ist geräteabhängig (20-60 m), der Lawinenkegel abgerastert. Während dieser Phase sollten sich alle an der Suche Beteiligten so zügig wie möglich bewegen, durchaus auch auf Schiern.

  2. Grobsuche (ab Erstempfang): Sobald das LVS-Gerät ein Signal empfangen hat, piept es und gibt eine Richtung und eine Entfernung vor. Zügig folgt man der Pfeilrichtung, mit dem Ziel, die Entfernungsangabe zu verkleinern. Sollte der Wert größer werden, ist die Suchrichtung um 180 Grad zu ändern.

  3. Feinsuche: Ab einer Annäherung von ca. 5 m muss die Suchgeschwindigkeit unbedingt verringert werden (50 cm/Sek.). Das LVS-Gerät soll möglichst nahe und parallel an der Schneeoberfläche geführt werden, bis der geringste Distanzwert angezeigt wird. Man markiert diesen Punkt und bewegt das LVS-Gerät im 90-Grad-Winkel nach links und rechts von der bisherigen Suchrichtung, um sicherzugehen, dass man wirklich die geringste Entfernung zum Verschütteten gefunden hat.

  4. Punktsuche: Ausgehend von dem Punkt mit der geringsten Entfernung zum Verschütteten wird nun systematisch bis zum Treffer sondiert. Die Sonde bleibt als Richtungsweiser stecken, erst dann wird mit dem Ausschaufeln begonnen.

 

Nach der Bergung des/der Verunfallten folgen gegebenenfalls lebensrettende Sofortmaßnahmen, eine entsprechende Lagerung und Isolation, um ein weiteres Auskühlen zu verhindern. Falls der Notruf noch nicht abgesetzt wurde, sollte man dies jetzt tun.

Weitere Informationen

Kontakt

Naturfreunde Österreich

 

 

LVS-Trainings und Schitourenkurse

 

Nur 15 Minuten, um ein Leben zu retten! Dafür braucht man viel Übung. Die Naturfreunde bieten daher Kurse an, um einem derartigen Szenario, das man hoffentlich nie erleben muss, bestmöglich gewachsen zu sein.

ANZEIGE
Angebotssuche