Der Weltklimagipfel in Kopenhagen ist mit einem Minimalkonsens zu Ende gegangen. Nach über zwei Wochen Verhandlungen mit mehr als 190 Staaten gab es in Kopenhagen keinen Durchbruch im Kampf gegen den Klimawandel. Die von den Staats- und Regierungschefs mühsam ausgehandelte politische Erklärung ist nur eine Absichtserklärung und kein rechtlich bindendes Dokument. Man einigte sich nur auf ein allgemeines Ziel: die vom Menschen verursachte Erwärmung der Erdatmosphäre bei 2 ° C zu begrenzen. Es wurde aber nicht festgelegt, um wie viel Prozent die Industriestaaten ihre Treibhausgasemissionen bis 2020 begrenzen müssen. Das Dokument enthält leere Tabellen, die erst mit Reduktions- und Finanzierungszusagen befüllt werden sollen. Am konkretesten wurden die Finanzhilfen der Industrieländer an die Entwicklungsländer fixiert. Ein Klimafond zur Unterstützung der Entwicklungsländer soll eingerichtet werden. Bis 2012 sollen 30 Milliarden US Dollar für Klimaschutzmaßnahmen fließen. Für die Zeit ab 2020 wird eine Gesamtsumme von 100 Milliarden jährlich genannt – allerdings nicht als konkrete Zusage. Was konkret zur Begrenzung der Erwärmung getan werden solle, fehlt gänzlich im Dokument.
Alle, egal ob die EU, USA, China oder Indien, verteidigten vehement ihre Interessen. Es war lange Zeit unklar, ob es überhaupt ein Ergebnis geben wird. Erst in einer kleinen Runde konnte ein Minimalkonsens erarbeitet werden. 25 Staats- und Regierungschefs aus Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern einigten sich in der Nacht von Freitag (18. Dezember 2009) auf Samstag (19. Dezember 2009) auf die Kopenhagener Erklärung. Das Plenum aus den über 190 Staaten stimmte dieser Erklärung am Samstag zwar nicht zu, nahm sie aber zur Kenntnis (!!!). Fünf Staaten (Bolivien, Kuba, Nicaragua, Venezuela und der Inselstaat Tuvalu) lehnten sie ab. Damit ist die Erklärung ist nicht rechtsverbindlich! Jeder Staat soll selbst entscheiden, ob er sich an die Erklärung hält.
Die Europäische Union bleibt beim Angebot der 20 Prozent Treibhausgas – Reduzierung, welches gesetzlich verankert ist. Da die großen Länder USA und China nicht auf konkrete Reduktionsziele eingingen, verzichtet man in der EU auf die 30 Prozent Marke. Die afrikanischen Vertreter demonstrierten bereits während der Konferenz ihren Unmut und verließen demonstrativ eine Verhandlung. Auch in der EU ist die Enttäuschung groß. Das 2° C Ziel ist zwar zumindest erstmals politisch anerkannt worden, aber man musste sich widerwillig eingestehen, dass eine Formulierung zu einem verbindlichen Vertrag derzeit nicht durchsetzbar sei.
Im kommenden Jahr sind Klimakonferenzen in Deutschland (Bonn, im Juni 2010) und in Mexiko (im November/Dezember 2010) geplant. Dort soll die rechtsverbindliche Vereinbarung geschlossen werden. Ein Verweis auf ein rechtlich bindendes Abkommen steht jedoch nicht im Abschlussdokument von Kopenhagen.
Die Einigung über den schweren Weg zu diesem Ziel ist an den politischen und ökonomischen Interessensgegensätzen zwischen den Industrieländer und den aufsteigenden Schwellenländern wie China, Indien oder Brasilien gescheitert. Kurzfristig mag das Scheitern für das eine oder andere Land einen Vorteil ergeben, mittelfristig werden wir alle den Kampf verlieren, wenn nicht im Frühjahr bei der Nachfolgekonferenz in Bonn klare Verpflichtungen und Maßnahmen festgeschrieben werden.Auch in Europa sind wir von einem Klimawandel direkt betroffen. Wenn die Alpengletscher verschwinden und die Permafrostböden aufweichen, wird es zu vermehrten Hochwässern und Muren kommen. Wenn die Arktis langsam dahin schmilzt werden sich die Küstenlinien der flachen Länder Europas dramatisch verändern – viele großstädtische Siedlungsgebiete sind davon betroffen. Wasserarmut in den Mittelmeerländern wird zu einem Rückgang der Landwirtschaft und des Tourismus führen und damit zu einer verstärkten innereuropäischen Migration (verstärkt durch den Bevölkerungsdruck aus weiter südlicheren Ländern). In Bonn müssen Maßnahmen beschlossen werden, welche die riesigen Finanz- und Investitionsströme dieser Welt schleunigst in die richtige Richtung umsteuern: zu einer nachhaltigen Energierevolution zur Reduktion des CO2 Ausstoßes durch mehr Energieeffizienz und die Förderung von erneuerbaren Energiequellen. Gleichzeitig müssen den Entwicklungsländern jene Mittel bereit gestellt werden, die es ihnen erlauben, Armut und Wassermangel wirkungsvoll zu bekämpfen und gleichzeitig in die neuesten Technologien der nachhaltigen Energieerzeugung zu investieren.
Das Wachstum der Wirtschaft ist durch diese Maßnahmen genauso wenig gefährdet wie die Einführung von benzinsparenden Motoren, Sicherheitsgurten, Airbags oder Katalysatoren das Wachstum des Automarktes gebremst hätten. In der Finanzkrise 2009 haben wir auch gelernt, dass ein Missverhältnis von Finanzkapital und produktivem Kapital ohnehin nur zu Spekulationsblasen führt, deren Zusammenbruch diesmal nur mit aller Mühe bewältig werden konnte. Daher wäre es hoch an der Zeit, endlich die globale Finanztransaktionssteuer einzuführen, die jene Mittel ergeben würde, die wir für die systematische Umsteuerung und Armutsbekämpfung benötigen würden. Kopenhagen hat auch gezeigt, dass wir noch aktiver werden müssen, um die gewählten Politiker und Regierungen von der Richtigkeit unserer Ansichten zu überzeugen und ihnen etwas Optimismus zu vermitteln, dass eine andere Welt abseits der Besitzstandswahrung traditioneller Industrien möglich ist. Die Naturfreundebewegung kann mit ihrer ökologischen und sozialen Ausrichtung sicherlich eine wichtige Rolle erfüllen – natürlich in enger Zusammenarbeit mit allen anderen Nicht-Regierungs-Organisation dieser Welt.
Auch für Österreich gibt es noch viel zu tun. Dringend notwendig ist der Beschluss eines Klimaschutzgesetzes und eines funktionierenden Ökostromgesetzes. Bei einer ernsthaften Klimapolitik könnte Österreich dann sogar eine Vorbildfunktion für die ganze Welt einnehmen. Dafür muss die Politik die Herausforderung des Klimawandels aber endlich ernst nehmen.
Kopenhagen ist nicht das Ende der globalen Klimapolitik. „Kopenhagen ist der Anfang“, sagte US-Präsident Barack Obama.
Bleibt nur zu hoffen, dass es für diesen „Anfang“ nicht schon zu spät ist!
Text von Mag. Manfred Pils (Präsident der Naturfreunde Internationale) und Dipl. Ing. Regina Hrbek (Umweltabteilung der Naturfreunde Österreich)
Die Forderungen des Umweltdachverbandes und seinen Mitgliedsorganisationen für eine zukunftsfähige Klima- und Energiepolitik können Sie obenstehend downloaden.