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Die Pangasius-Lüge - Das große Geschäft mit dem Billigfisch

Ob tiefgefroren im Supermarkt oder gebraten in der Kantine - der Pangasius erfreut sich großer Beliebtheit. 40.000 Tonnen des Zuchtfisches landeten im vergangenen Jahr allein auf deutschen Tellern. Der Exot aus Asien schont die überfischten Meere, heißt es. Doch Umweltschützer schlagen Alarm: Die Pangasius- Produktion sei eine Katastrophe für Tier, Mensch und Umwelt. Was ist dran an den Vorwürfen rund um den beliebten, kostengünstigen Speisefisch?

Die starke Nachfrage nach den billigen Filets hat die Pangasiuszucht innerhalb kürzester Zeit zu einer boomenden Branche gemacht. Innerhalb eines Jahrzehnts ist die Jahresproduktion von 100.000 Tonnen auf über eine Million Tonnen gestiegen. Hauptproduktionsland ist Vietnam. Hier fehlt es an angemessenen Umweltauflagen und Kontrollen. Die extrem intensive Zucht hat sich im Mekongdelta rasant ausgebreitet und belastet Natur und Umwelt erheblich. Deswegen hat der WWF Pangasius aus konventioneller Zucht in seinem Fischratgeber im Herbst 2010 rot gelistet. Grund für die Bewertung war die Verletzung wichtiger ökologischer Produktionskriterien. Nach Protesten der vietnamesischen Regierung bezüglich dieser Bewertung gelang es dem WWF in Gesprächen mit Regierungsvertretern Vietnams sowie Vertretern der Industrie Zugeständnisse bei der Ökologisierung der Produktion zu erreichen.

Daher hat der WWF  für die Bewertung von Pangasius, eine neue Kategorie in seinem Fischführer eingeführt. Die neue Bewertung „im Zertifizierungsprozess“ verpflichtet Vietnam drei Viertel seiner gesamten Pangasius-Produktion auf das strenge, vom WWF mitentwickelte ASC-Zertifikat umzustellen. Bis 2015 muss Vietnam schon 50 Prozent der Produktion umgestellt haben.

Entscheiden Sie sich mit Hilfe des WWF-Fischratgebers für Fischprodukte aus der Kategorie "Gute Wahl" und helfen Sie so, die Meere und Fischbestände zu schonen. Der Fischratgeber steht unter "Downloads" zum Runterladen bereit.


Interview mit WWF-Fischexpertin Catherine Zucco (Quelle: WWF-Deutschland):

 

Im November 2010 war die WWF-Fischereiexpertin Catherine Zucco in Begleitung eines Fernsehteams in Vietnam. Welchen Eindruck hattest Du von den Verhältnissen vor Ort?
Unsere kritische Analyse hat sich während des Aufenthalts in Vietnam in allen Punkten bestätigt. Durch die hohe Nachfrage und die fehlenden Gesetze ist ein enormer Wildwuchs von Pangasius-Teichen und -Becken entstanden, die dicht an dicht das Mekongdelta säumen und die Umwelt massiv belasten. In der Intensivzucht werden um die 300 Fische pro Quadratmeter Teich aufgezogen. Bei dieser Dichte ist das Risiko von Infektionen hoch. Zwischen den Zuchtbecken gibt es kaum Barrieren, um Krankheitsübertragungen zu verhindern, daher müssen in der Regel Medikamente eingesetzt werden. Umweltberichten zufolge hat das wiederum stellenweise zu einer Resistenz von Bakterien gegen Antibiotika geführt.

Welche Umweltschäden verursachen die Zuchten?
Wir haben gesehen, dass die Abwässer aus den Zuchten voll mit Fäkalien und Futterresten unbehandelt in den Mekong zurückgeleitet werden. In den Lagern der Pangasius-Farmen standen Chemikalien wie Desinfektions- und Algenvernichtungsmittel, die in der Zucht zum Einsatz kommen. Wenn die Becken nach einem Zuchtzyklus trocken gelegt werden, wird der Schlamm, der am Boden zurück bleibt, oft direkt in die umliegenden Gewässer geleitet. Der Einsatz von Nährstoffen und Chemikalien und die Entsorgung der Abfälle aus Zuchten werden eindeutig nicht ausreichend reguliert. All diese Substanzen gelangen mit dem ungeklärten Abwasser und Schlamm in den Mekong und belasten so das Flusssystem und seine Lebewesen.

Auch Fischfutter ist ein komplexes Thema – welche Folgen sind damit verbunden?
Die verschiedenen Rohstoffe, aus denen das Futter besteht, sind oft nicht rückverfolgbar, d.h. nicht kontrollierbar. Wir haben aber in einer Fischmehlfabrik gesehen, dass auch Beifang von Jungfischen, darunter auch Korallenrifffische und Haie, zu Pangasiusfutter verarbeitet wird. Die Fischereien, aus denen der Beifang stammt, sind sehr zerstörerisch.

Pangasius ist eigentlich ein besserer Futterverwerter als Raubfische wie Lachs und Forelle. Pro Kilo Pangasius wird im Schnitt ein Kilo Wildfisch verfüttert. Aber das Ausmaß der Zucht – über 1 Million Tonnen Pangasius pro Jahr – führt insgesamt zu einem erheblichen Bedarf an Futterfisch. Das setzt die Wildfischbestände weiter unter Druck.

Was tut der WWF?
Unser Ziel ist der Schutz von Lebensräumen und Arten. Die Minimierung der sozialen und umweltbezogenen Auswirkungen, die mit dieser Industrie verbunden sind, hat für den WWF Priorität. Dafür hat der WWF die sogenannten Aquakultur-Dialoge angeschoben und koordiniert und so für die Entwicklung eines international anerkannten und robusten Umweltstandard für die Pangasiuszucht gesorgt. In den Prozess haben sich über 600 Vertreter aus Wissenschaft und Umwelt sowie Produzenten eingebracht. Die Standardentwicklung ist nach den Richtlinien für Standardentwicklung des International Social and Environmental Accreditation and Labeling Alliance (ISEAL) erfolgt. Im August 2010 ist der abgeschlossene Pangasiusstandard veröffentlicht worden. Er umfasst über 100 messbare Kriterien, die darauf ausgelegt sind, die Hauptprobleme der Pangasiuszucht, wie Wasserverschmutzung, Futterverbrauch und unfaire Einkommen für Arbeiter zu minimieren. Jetzt muss eine breite Umstellung der Pangasius-Produktion auf dieses umweltverträgliche Niveau folgen.

Wie kann das erreicht werden?
Seit im Herbst der Film gedreht wurde, ist sehr viel passiert. Unsere kritische Bewertung der Pangasiuszucht hat bei der vietnamesischen Regierung und in der Pangasiusindustrie für Aufruhr gesorgt. Der WWF hat die Diskussion genutzt und erreicht, dass sich Regierung und Industrie verpflichten, die gesamte Produktion auf umweltverträgliche Methoden umzurüsten. Schon 2015 muss jeder zweite Pangasius aus Vietnam aus nachhaltiger Zucht stammen.

Das heißt Pangasius ist im WWF-Fischratgeber nicht mehr in Rot, "besser nicht", gelistet? Wie kommt das, die Umweltproblematik besteht ja weiter?
Pangasius aus Vietnam hat quasi eine Galgenfrist bekommen und wird nun als "Zucht in Umstellung" geführt. Wir raten daher nicht mehr explizit vom Kauf ab. Denn es würde der Umwelt nicht helfen, wenn der deutsche Markt für Pangasius zusammenbricht. Den Markt in Europa zu behalten, ist der größte Anreiz für die Produzenten in Vietnam auf eine umweltverträgliche Zucht umzustellen. In Deutschland haben sich fast alle Supermärkte dazu verpflichtet, ihren Kunden umweltverträgliche Fischprodukte anzubieten. Beide Seiten müssen jetzt an der Umsetzung arbeiten.

Der asiatische Markt ist natürlich auch betroffen. Hier steht der Schutz der Umwelt leider nicht sehr weit oben auf der Liste. Die radikale Umstellung der Zuchtpraxis in Vietnam ist also eine Riesenchance für den Naturschutz, weil sich der gesamte Industriezweig innerhalb weniger Jahre komplett wandelt – und nicht nur einzelne Betriebe. Derzeit wird weniger als ein Prozent des Pangasius nachhaltig produziert, in vier Jahren werden schon 50 Prozent aus umweltverträglicher Zucht stammen. Die Umweltauswirkungen reduzieren sich dadurch erheblich. Die Vereinbarung sieht vor, dass sich langfristig der gesamte Sektor umstellt.

Wie wird sichergestellt, dass das wirklich passiert? Verteilt der WWF Vorschusslorbeeren?
Der öffentliche Druck auf die vietnamesische Zuchtindustrie ist gewachsen. Der WWF wird den Prozess der Umstellung regelmäßig überprüfen. Deshalb sind jährliche Umstellungsschritte festgelegt worden. Hält die Zuchtindustrie die Verpflichtungen nicht ein und Verbesserungen für die Natur werden nicht erreicht, wird Pangasius entsprechend rot bewertet.

Als Umweltschutzorganisation arbeiten wir daran, dass sich in der Natur etwas messbar verbessert, nicht nur in unseren Supermarktregalen. Die Umweltbelastungen im Mekongdelta müssen sinken. Wir honorieren und kontrollieren also die Verpflichtung der Industrie, sich nachhaltig auszurichten, damit der nicht nachhaltig produzierte Pangasius nicht einfach in anderen Ländern abgesetzt wird, wo Umweltaspekte keine Rolle spielen.

Was ändert sich durch den Umweltstandard konkret?
Der Einsatz von Nährstoffen, Medikamenten und Chemikalien wird danach strikt reguliert. Ungeklärte Abwässer und Schlamm dürfen nicht mehr in die umliegenden Gewässer eingeleitet werden. So kann sich die Wasserqualität im Mekong wieder verbessern. Und der Anteil von Wildfisch im Pangasiusfutter wird auf ein Minimum reduziert, das schützt Wildfischbestände.

Und hier in Deutschland bleibt alles so wie es ist?
Die Weichen für eine nachhaltigere Pangasiuszucht in Vietnam sind gestellt, aber auch die Abnehmer in Deutschland sind in der Verantwortung. Aufgrund des immensen Preisdrucks können es sich Produzenten im Vietnam oft nicht leisten, Maßnahmen für eine umweltverträgliche Produktion zu ergreifen. Sie brauchen Investitionen ihrer Handelspartner, damit sie sich nach einem Umweltstandard zertifizieren lassen können.

Auch wir Verbraucher müssen umdenken: Die Nachfrage nach Billigfisch in Deutschland hat Umweltschäden zur Folge. Statt beim Fischeinkauf auf Schnäppchenjagd zu gehen, sollten Verbraucher auf Bio- und Umweltsiegel achten. Denn über die Nachfrage wird auch der Umstellungsprozess angeschoben. 

Im WWF-Fischratgeber ist Pangasius aus Biozuchten grün gelistet, welche Rolle spielt „Bio“?
Die Umweltauswirkungen der Biozucht sind gering. Der WWF empfiehlt daher Bio-Pangasius als gute Wahl. Allerdings füllt die Biozucht mit etwa 0,2 Prozent der Produktion eine sehr kleine Nische. Die Bioproduktion kann schon den bestehenden Bedarf bei weitem nicht decken und wird daher nie ein Massenartikel werden. Der WWF will aber für die Masse positive Effekte für die Umwelt erreichen, deswegen setzen wir auf Umweltstandards.

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