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Brenner-Basis-Tunnel (BBT): Entscheidung in Kürze?

Wir möchten Sie über die Position der Naturfreunde und die aktuell bevorstehenden Ereignisse zum BBT informieren.

Auch wenn die endgültige Entscheidung zum Bau des 56km langen Brenner-Basis-Tunnels (BBT) von Innsbruck nach Brixen, des teuersten Teilstückes der TEN-Linie 1 Berlin-Palermo, seit Monaten für den Herbst 2010 angekündigt wurde, könnte die Lage kaum unübersichtlicher sein, als sie sich derzeit gestaltet. Im Folgenden möchten wir Sie daher über die Position der Naturfreunde und die aktuell bevorstehenden Ereignisse informieren.

Die Naturfreunde Tirols haben die 2008 begonnene Umweltverträglichkeitsprüfung des BBT seitdem intensiv begleitet und dabei auch immer die Zusammenarbeit mit anderen NGOs und lokalen Bürgerinitiativen gesucht. Schließlich geht es um einen Tunnel, der dazu gedacht war, die Bevölkerung entlang der Brennerautobahn vom Verkehr zu befreien - selbstverständlich muss in einem solchen Fall im Interesse der Umwelt und der betroffenen Bürger gut überlegt sein, aus welchen Gründen man sich für oder gegen ein Vorhaben ausspricht.

Angesichts der Komplexität des BBT lassen sich nur einige wesentliche Kritikpunkte, die das Ergebnis der mittlerweile jahrelangen Beschäftigung mit dem Projekt sind, aufzählen:

 

  • Der BBT allein verlagert keinen Schwerverkehr auf die Schiene
  • Es bestehen bereits genügend Transportkapazitäten auf der Schiene
  • Ausbau der bestehenden Brennerstrecke als Alternative
  • Verkehrsprognosen am Brenner für die Zukunft zu optimistisch
  • Vermeidbare Umweltschäden
  • Unklare Kosten, mangelnde Finanzierung, fehlende Zulaufstrecken, fehlende Interoperabilität
  • Fehlende betriebs- und volkswirtschaftliche Daten zu Kosten und Nutzen des BBT
  • Zusammenfassend fehlt das öffentliche Interesse am Projekt BBT - es gibt bessere, schneller durchführbare, billigere und effizientere Alternativen, die geprüft werden müssten
  • Das Angebot auf der Schiene wird für Passagiere ständig schlechter 

 

Die genaue Erklärungen zu den hier aufgezählten Kritikpunkten finden Sie nebenstehend unter "Downloads".

 

Wie geht es weiter?
Nach wie vor sind die Genehmigungsverfahren wegen laufender Berufungen nicht abgeschlossen, nach wie vor gibt es keine klaren Finanzierungszusagen Italiens und Österreichs, nach wie vor sind Planung und Finanzierung der Zulaufstrecken - insbesondere weiterer 180 km Tunnels in Italien von Brixen nach Verona - nicht in Sicht.  Daher ist die Gefahr groß, dass auch im Herbst keine endgültige Entscheidung getroffen wird. Das ist nichts Neues - laut Beitrittsvertrag Österreichs zur EU hätte die endgültige Entscheidung schon 1994 fallen sollen, der Staatsvertrag Österreichs und Italiens von 2004 sah eine Fertigstellung des BBT für 2015 vor. Mittlerweile gilt schon 2025 als ambitioniertes, kaum noch zu erreichendes Datum.
Die große Eile, die seit 2008 an den Tag gelegt wird, hat allerdings ausschließlich den Hintergrund, dass die EU bis 2013 etwa 920 Mio. Euro reserviert hat, die danach verloren gehen würden. Der Baubeginn des Probestollens im Jänner 2010 nahe Innsbruck trotz anhängiger Berufungen gegen die Genehmigungsbescheide wurde nur durch eine rechtlich höchst umstrittene Weisung der Tiroler Landesregierung vom Juni 2009 durchgedrückt – in den Berufungen dagegen ist das Umweltministerium bis heute mit einer Entscheidung säumig.

 

Wie etwa die Tiroler Tageszeitung am 8.10.2010 berichtete (Artikel unter "LINKS" abrufbar), überlegen die ÖBB nun aber, unabhängig vom Ausgang der Evaluation im Herbst die Entscheidung weitere fünf Jahre aufzuschieben. Damit befürchten die Bürgerinitiativen jedoch, dass Gerüchte wahr werden könnten, die seit einiger Zeit im Raum schweben: möglicherweise wird nur noch daran gedacht, den Probestollen fertigzustellen und für Strom- und Gasleitungen zu nützen. Indizien dafür finden sich im letzten Bericht von 2009 des früheren EU-Koordinators für die TEN-Strecke 1, Karel van Miert, der darin erwähnt, dass eine Studie zu einer Gasleitung im Probestollen eingeholt wurde. Deren Inhalt liegt den NGOs und Bürgerinitiativen noch nicht vor. Der neue EU-Koordinator Pat Cox bestätigte mittlerweile im Gespräch mit den Bürgerinitiativen, dass demnächst eine Studie für eine gasisolierte Hochspannungsleitung in Auftrag gegeben werde. Schon seit 2003 findet sich ein solches Projekt in den offiziellen TEN-Beschlüssen. Außerdem würden die bis 2013 reservierten EU-Gelder seiner Meinung nach in jedem Fall ausgegeben, selbst auf das Risiko einer Einstellung des Vorhabens hin.


Das Vorgehen wirft natürlich rechtliche Fragen auf. Erstens wurde ein Eisenbahntunnel und kein Tunnel für Gas- oder Stromleitungen genehmigt, die UVP müsste also wiederholt werden, wie das BMVIT in einer Anfrage der Naturfreunde bestätigt hat, und es wäre außerdem ökologisch kaum nachvollziehbar, die Schäden an den Gewässern nur für eine Stromleitung in Kauf zu nehmen. Zweitens aber könnte sich damit zukünftig auch eine Situation ergeben, in der die EU ihre Beihilfen zum Projekt zurückfordern müsste – die Obergrenzen für eine Förderung grenzüberschreitender Stromleitungen sind nämlich weitaus niedriger als jene für den Probestollen. Auch in diesem Bereich sollten die österreichischen und italienischen Steuerzahler Klarheit verlangen, bevor weitere Entscheidungen fallen.


Schließlich wäre eine Verschiebung des Projekts um weitere fünf Jahre natürlich eine Fortsetzung der bisherigen Hinhaltetaktik gegenüber der vom Schwerverkehr und dem nächtlichen Lärm betroffenen Bevölkerung entlang der Brennerroute. Diese hätte aber völlig unabhängig vom Bau des BBT rasch umsetzbare Maßnahmen zur Verkehrsvermeidung und Verkehrsverlagerung sowie zur Lärmreduzierung verdient.

 

 

Aufbau Tunnelbohrmaschine 2 im Mai 2007 (Quelle: www.bbt-se.com; Aicha)
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