Das Gebiet um den Linken Fernerkogel soll laut Antrag der Alpenvereine Deutschland und Österreich sowie des WWF Österreich und der Naturfreunde Österreich in das Ruhegebiet „Ötztaler Alpen“ integriert werden. Ein solches Ruhegebiet hat „neben dem Schutz der Natur auch die Erholung in der freien Natur zum Ziel“ (Land Tirol); infrastrukturelle Erschließungen wie Seilbahnen oder Straßen sind dort nicht zulässig. „Als einzige Maßnahme mit einem endgültigen Lösungscharakter hat die Unterschutzstellung besonders hochwertiger Flächen als Ruhegebiet in Tirol einen hohen Stellenwert in Landesentwicklung und Umweltpolitik“, erklärt Andreas Schieder, Bundesvorsitzender der Naturfreunde Österreich.
Erschließungswelle: Bindender Schutz für verbleibende Naturräume notwendig
Wie wichtig ein verbindlicher Schutz für verbleibende Naturräume ist, zeigt die aktuelle Erschließungswelle. Alleine in den Ötztaler Alpen werden derzeit drei Großprojekte geprüft: Die Erweiterungen der Skigebiete im Pitztal und im Kaunertal (ORF-Bericht vom 17.2.2023) sowie die Erweiterung des Wasserkraftwerks Kaunertal. Sie dringen in bislang unerschlossene Gebiete und Geländekammern vor, zerstören Gletscher und Moorflächen. „Als Naturschutzverbände stellen wir uns klar gegen diese zerstörerischen und kurzsichtigen Großprojekte“, sagt Ann-Kristin Winkler, Alpenschutz-Sprecherin beim WWF Österreich. „Wir brauchen die Natur als starke Partnerin im Kampf gegen die Klima- und Biodiversitätskrise. Alpine Freiräume bieten wichtige Rückzugsgebiete für Flora und Fauna, fungieren als CO2-Senken und liefern wichtige Ökosystemdienstleistungen wie zum Beispiel sauberes Wasser.“
Jahrelanger Einsatz für den Erhalt des Linken Fernerkogels
Das Gebiet um den Linken Fernerkogel steht seit Langem im Visier der Skigebietsbetreiber: 2016 wurde der Zusammenschluss der Skigebiete Pitztal und Ötztal beantragt, erst im Herbst 2022 wurden die Pläne von der Behörde endgültig zurückgewiesen. „Nach dieser Absage sehen wir uns in unseren Forderungen erneut bestätigt“, betont Andreas Ermacora, Präsident des Österreichischen Alpenvereins. „Unser Wunsch für die Ausweitung des Ruhegebiets Ötztaler Alpen ist gute 20 Jahre alt. Deshalb freuen wir uns, dass wir nun in einer so breiten Allianz für den Erhalt der Gletschergebiete rund um den Linken Fernerkogel eintreten. Die geforderte Erweiterung des Ruhegebiets würde endlich das lang ersehnte Umdenken im Wintertourismus besiegeln.“
Die Erweiterung des Ruhegebiets stünde nicht nur für eine notwendige Neuorientierung des Wintertourismus, sondern auch für den Schutz der Hochgebirgsnatur: „Das Gletscherbecken um den Linken Fernerkogel ist ökologisch hochwertig, hat gegenüber der fortschreitenden Lebensraumzerschneidung einen wichtigen Brückencharakter, und ist dauerhaft durch einen extremen und nicht rechtfertigbaren Erschließungsdruck bedroht. Die Ausweisung als Ruhegebiet würde seinen verbindlichen Schutz bedeuten. Für uns wäre das der einzig richtige Schritt in Richtung konsequenter Gletscherschutz, der so dringend notwendig ist“, so Schieder.
Skigebiets-Pläne verbauen Möglichkeiten für naturnahen Tourismus
Die neu eingereichten Pläne der Skigebietsbetreiber verhindern eine zukunftsorientierte Ausrichtung der Region auf naturnahen Bergsport. DAV-Präsident Roland Stierle: „Der Ausbau soll weitere Geländekammern für den Alpinski-Tourismus erschließen und damit einen wichtigen Stützpunkt für naturverträglichen Bergsport zerstören. Die Braunschweiger Hütte liegt beispielsweise an der beliebtesten Alpenüberquerung entlang des europäischen Fernwanderweges E5 und sie ist ein wichtiger Stützpunkt für Hochtouren und Ausbildungskurse im Bergsport“. Die geplante Seilbahnstation soll nur wenige Höhenmeter unterhalb der Braunschweiger Hütte des DAV liegen, die neuen Pistenflächen würden das jetzige Hochtourengebiet vernichten.
Dauerbaustelle statt Naturerlebnis
Für die Naturschutzverbände ist eine Neuerschließung von Gletscherflächen in der heutigen Zeit nicht vertretbar. Die Klimakrise setzt den Gletschern zu: Milde und niederschlagsarme Winter bedeuten, dass sie im Sommer kaum Schutz haben – sobald der Schnee weggetaut ist, schmilzt das Eis. „Die Gletscherzungen ziehen sich im Schnitt jedes Jahr um 20 bis 30 Meter zurück, und auch die Dicke nimmt ab“, weiß Stierle. „Durch die ständigen Landschaftsveränderungen wäre es mit dem Liftbau nicht getan. Jeden Sommer wären dann unter anderem Planierungsarbeiten im Gletschervorfeld nötig, um eine Pistenpräparierung und Skibetrieb im Winter überhaupt zu ermöglichen. Dann heißt es Dauerbaustelle statt Naturerlebnis“. Dasselbe Problem trat schon bei den alten Planungen zum Zusammenschluss zu Tage: Innerhalb des Planungszeitraums (2015 bis 2019) haben sich die Gletscherflächen so stark zurückgezogen, dass die ursprünglich angedachten Pistenflächen und Skiwege nicht mehr realisierbar waren.