Wer von morgens bis nachmittags auf der Piste unterwegs ist und eine Abfahrt nach der anderen absolviert, fordert neben der gesamten Bewegungsmuskulatur auch Skelettapparat und Herz-Kreislauf-System. Noch dazu ist der Kalorienverbrauch während eines Skitages überaus beachtlich. Weniger positive Auswirkungen hat jedoch der beliebte und meist „allzu üppig“ ausfallende Einkehrschwung.
Laut einer Studie der Universität Salzburg ist Skifahren vor allem für die Generation 50+ eine im Sinne der Gesundheitsvorsorge wertvolle Betätigung. „Wir konnten aufzeigen, dass alpines Skifahren, vernünftig betrieben, in jedem Alter, bei jedem Leistungsniveau eine sehr sinnvolle Beanspruchung des Bewegungsapparates sein und für das Herz-Kreislauf-System einen großen Trainingseffekt haben kann“, so Univ.-Prof. Dr. Erich Müller, Leiter des Fachbereichs Sport- und Bewegungswissenschaft an der Uni Salzburg. „Weiters wird beim Skifahren die Muskulatur gut trainiert, und auch im Kraft-Ausdauer-Bereich gibt es positive Effekte. Außerdem konnten wir enorm positive Auswirkungen auf die Befindlichkeit der Menschen feststellen.“
Umso früher (etwa ab dem dritten Lebensjahr) Kinder mit dem Skifahren beginnen, desto leichter und rascher stellen sich die Erfolge ein. Gerade das Skifahren kommt dem natürlichen Bewegungsdrang der Kinder sehr entgegen, und Kinder brauchen Bewegung! Das sagen nicht nur wir Naturfreunde, sondern auch Kinderärzte, Orthopäden, Sportpädagogen und Leistungsdiagnostiker sowie mehr und mehr auch politische Entscheidungsträger und viele andere Fachleute und Institutionen. Kinder mit mangelnden Bewegungserfahrungen sind nämlich in ihrer kindgemäßen Entwicklung benachteiligt.
Kinder mit eingeschränkten motorischen Fähigkeiten werden auch leicht zu Außenseitern. Wenn sie auf geschicktere Kinder treffen, reduziert sie das mangelnde Vertrauen in das eigene Können oft zu ZuseherInnen, die keine oder zu wenig soziale Anerkennung erleben. Sie fühlen sich zurückgesetzt und gering geschätzt.
Häufig als Symptome für Bewegungsmangel unerkannt bleiben Probleme wie Wahrnehmungs- und Koordinationsstörungen, schlechtere Konzentrationsfähigkeit und übertrieben ängstliches oder aggressives Verhalten. Der natürliche Bewegungsdrang vieler Kinder wird mehr und mehr eingeschränkt – in erster Linie, weil die Eltern und Bezugspersonen übervorsichtig agieren und den Kindern laufend Bewegungserfahrungen untersagen oder den lärmenden, spielenden, sich „auslebenden“ Kindern nicht mit der notwendigen Gelassenheit begegnen können, weil die eigenen psychischen Belastungen im Berufs- und Privatleben zu groß geworden sind; Belastungen, die auch bei den Kindern merkbare Spuren hinterlassen.
Kinder, denen wichtige Bewegungserfahrungen fehlen, sind verletzungsanfälliger und im Alltag höheren Risiken ausgesetzt. Gewandtheit und Geschick sind bis ins hohe Alter förderlich, um heikle Situationen besser zu meistern, Gefahren auszuweichen oder dank der besseren Einschätzung von Geschwindigkeit und Abstand gar nicht erst in gefährliche Situationen zu kommen. Es gilt mittlerweile als erwiesen, dass motorische, koordinative Fähigkeiten, die im Kindesalter angeeignet werden, auch in späteren Altersstufen abgerufen werden und zu einer besseren Lebensqualität beitragen können – auch wenn sie in der Zwischenzeit nicht laufend geübt und trainiert wurden.
Ein Skikindergarten von heute entspricht den Prinzipien eines modernen Bewegungskindergartens: Hier wird Bildung durch Bewegung initiiert. Das Spielen in Bewegung ist dabei die wichtigste Lernform. Gute KinderbetreuerInnen verwenden eine kindgerechte Sprache; sie erklären meist nicht viel, sondern stellen Aufgaben und gestalten Spiele.
In jedem Skikindergarten gibt es Kinder, die eher ungeschickt und/oder ängstlich sind. Nicht selten treffen sie auf früh geförderte, besonders talentierte Kinder, denn zusehends geht aus eingangs dargelegten Gründen die große Masse der durchschnittlich entwickelten Kinder zurück. Ein zeitgemäßer Skikinderunterricht stellt sich dieser Herausforderung und bietet überforderten Kindern einen geschützten Rahmen, in dem sie durch zusätzliche Bewegungs- und Spielangebote in ihrer Entwicklung unterstützt werden.
Die Raumgestaltung eines Skikindergartens zählt wie bei einem herkömmlichen Bewegungskindergarten zu den elementaren Rahmenbedingungen, um Kindern die Möglichkeit zu geben, Herausforderungen und Anregungen für die Entwicklung von Bewegungsmustern anzunehmen.
Der von den KinderbetreuerInnen liebevoll gestaltete „Turnsaal“ des Skikindergartens wird zum zentralen Bewegungsraum. Er wird durch einen Ruheraum zum Rasten und durch eine sogenannte Bewegungsbaustelle (die Kinder können sich hier ihre Bewegungsanlässe selbst bauen) ergänzt. Kurzgleiter (= besonders kurze Carvingski) helfen mit, dass Kinder an ihre bekannten Bewegungsmuster schneller anknüpfen können und rascher Richtungsänderungen schaffen. Der altbekannte Pflug dient nur noch zum Bremsen. Der neue Weg führt zunächst über den Rotationsreflex und gezielten Belastungswechseln direkt zum parallelen Steuern der kleinen Ski und zum Carven.
Der Bewegungsraum „Turnsaal“ wird schneller als früher deutlich vergrößert bzw. aufgelöst und weicht einer Stationenfolge, wo die Kinder mit Hilfsmitteln und Bewegungsaufgaben an das richtige Bewegungsmuster herangeführt werden. Herumstehen und langweiliges Aufsteigen werden vermieden. Die Kids lernen im modernen Skikindergarten schneller als früher und können ihr Lerntempo dank der vielfältigen Raumgestaltung weitgehend selbst bestimmen.
Die Naturfreunde Österreich spielen jährlich mit rund 50.000 Kindern Skifahren. 1250 ausgebildete Naturfreunde-KinderbetreuerInnen und rund 2000 staatlich geprüfte -InstruktorInnen bilden zusammen die größte Vereinsski- und -snowboardschule Österreichs. Keine andere Organisation in Österreich hat im Bereich Kinderskilauf mehr Erfahrung. Die KinderbetreuerInnen der Naturfreunde stellen sich den sozialen Veränderungen unserer Gesellschaft, in die Lehrpläne halten neue Unterrichtsformen Einzug. Die jährlich von den Naturfreunden organisierte einwöchige Spezialausbildung zur/zum KinderbetreuerIn kann übrigens jedes interessierte Vereinsmitglied in Angriff nehmen. Unter der Anleitung erfahrener Mitglieder des Bundeslehrkaders schlüpfen die Teilnehmer eine Woche lang in die Rolle der Kinder. Neben Pädagogik, Kinderpsychologie und Skimethodik erwarten sie vor allem jede Menge Spiele im Skikindergarten, die sich lohnen, ausprobiert und erlernt zu werden.
Text von Dr. Stefan Schiel, Mitglied des Bundeslehrkaders der Naturfreunde Österreich, Kursleiter Kinderbetreuer-Seminar