Land der (freien) Wälder?
Vielleicht geht es euch ja ähnlich: Als wir noch Kinder waren, war es für viele von uns selbstverständlich, im Wald zu spielen, uns aus abgebrochenen Ästen kleine Verstecke zu bauen, Beeren zu pflücken und wild herumzutollen. Der Wald gehörte uns. Er war einfach Teil unserer Umgebung, Teil der Natur. Im Laufe des Erwachsenendaseins hat sich unser Blick auf den Wald aber verändert. Er gehörte nicht mehr einfach uns allen oder sich selbst – wir können ihn zwar zu Erholungszwecken nutzen, doch jeder Quadratmeter Landfläche gehört jemandem und ist somit an Regelungen und Bestimmungen geknüpft.
Rund 82% der Waldfläche sind in privatem Besitz. Der Rest – also 18% - wird von der Republik Österreich (vertreten durch die Österreichischen Bundesforste), den Bundesländern und den Gemeinden betreut und unterliegt dem Österreichischen Forstgesetz von 1975. Und auch, wenn manche Waldbesitzer*innen oder Bewirtschafter*innen das gerne anders sehen würden: ein Wald ist kein Privatgrundstück und darf, sofern nicht von einer Ausnahmeregelung betroffen, grundsätzlich von jedem Menschen betreten werden und es gilt das freie Wegerecht – zumindest für das Begehen.
Unter bestimmten Voraussetzungen (§ 34 ForstG) darf ein Wald allerdings von den Grundeigentümern und Grundeigentümerinnen befristet oder dauernd gesperrt werden. Und hier kommt es hin und wieder durchaus zu Konflikten.
Sorry, we are closed
Zunächst einmal wollen wir uns mit der trockenen Theorie befassen: Die befristete Sperrung eines Waldstückes kann beispielsweise aufgrund von Holzfällung, Windwurf oder Schädlingsbekämpfung erfolgen. Dauernde Sperren sind etwa bei Sonderkulturen (etwa Christbaumkulturen) und im beschränkten Ausmaß im örtlichen Zusammenhang mit Wohnhäusern des Waldbesitzers/der Waldbesitzerin oder der Beschäftigten zulässig. Für eine Sperre, die kürzer als vier Monate dauert, benötigt der/die Besitzer*in keine behördliche Bewilligung. Es reicht, wenn ein Schild auf die Dauer der Sperre hinweist. Das Forstgesetz sieht laut Absatz 3 zudem vor, dass für unbefristet gesperrte Wege Umgehungsrouten ausgewiesen werden müssen. Sollte dies nicht möglich sein, hat der/die Eigentümer*in „die Möglichkeit der Benützung der durch die gesperrte Waldfläche führenden Wege durch Hinweistafeln zu kennzeichnen“. So weit, so gut.
In der Praxis sieht das Ganze dann aber manchmal etwas anders aus. Regina Hrbek von der Naturfreunde Bundesorganisation, Abteilung Natur-, Umweltschutz, Hüttenmanagement und Wegerecht: „Auch wenn es in den meisten Fällen gut funktioniert - in der Vergangenheit gab es immer wieder auch Konflikte zwischen Erholungssuchenden und Grundbesitzer*innen. Die Zahl der Konflikte ist durch Corona leider gestiegen, da mehr Leute unterwegs waren und es leider auch seitens der Erholungssuchenden immer wieder zu unüberlegten Handlungen kam. Da schalten dann einige Grundbesitzer*innen leider oft auf Stur und wollen niemanden mehr in ‚ihren‘ Wald lassen. Wir von den Naturfreunden versuchen da dann natürlich in erster Linie, zu vermitteln und einen Konsens zu finden. Ein Weg darf ja nicht einfach so gesperrt werden. Falls das doch der Fall ist, gehen wir dem nach, denn wir nehmen das Wegerecht sehr ernst.“
Der Wald als Ort der Erholung – was darf ich, was darf ich nicht?
Grundsätzlich darf der Wald zu Erholungszwecken betreten werden. Allerdings: Das Befahren von Wegen, Trails und Forststraßen ist nur mit Erlaubnis der Eigentümerin/des Eigentümers gestattet – entweder durch eine persönliche Erlaubnis oder allgemein durch spezifische Hinweistafeln. Die Öffnung der Forststraßen für Radfahrer wird von den Naturfreunden seit Jahren gefordert, ist aber bis dato noch nicht umgesetzt worden. Ein kleiner Trost: manche Grundeigentümer*innen haben sich gemeinsam mit den Gemeinden und dem Tourismus bereits immer wieder auf die Öffnung einzelner Trails geeinigt.
Und wie steht es um das Sammeln von Pilzen, Holz und Beeren? Grundsätzlich gehören alle Waldfrüchte, Bruchholz oder auch Kastanien der Eigentümerin/dem Eigentümer. Das Sammeln von Schwammerl für den Eigenbedarf ist erlaubt, laut Forstgesetz ist die Mitnahme von Pilzen bis zu 2 kg am Tag möglich. Das Erheben von Gebühren fürs Schwammerl suchen ist – und ja, manche Grundbesitzer*innen wollten das tatsächlich durchsetzen – demnach rechtswidrig. Bruchholz darf nur dann aus dem Wald genommen werden, wenn es die Eigentümerin/der Eigentümer erlaubt.
Und wie sieht es mit Zelten aus? Das ist im Wald von Rechts wegen nicht gestattet, außer die Besitzer*innen erlauben es.
Zu guter Letzt sei erwähnt, dass es wie so oft auch hier auf ein respektvolles Miteinander ankommt. Nehmt also Rücksicht auf alle anderen Waldnutzer*innen, ob Erholungssuchende, Arbeiter*innen, Jäger*innen, oder auch auf alle Tiere und Pflanzen. Erkundigt euch vorab, ob ihr ein Waldgebiet zum Fahrradfahren, Zelten oder Reiten nutzen dürft und gebt in jedem Fall auf Jungwaldflächen Acht. Sie können sehr leicht beschädigt werden und dürfen daher nicht betreten werden. Und respektiert auch die Wild-Ruhezonen, jagdliche Sperrgebiete oder Bereiche von Wildfütterungen.
Naturfreunde-Factsheet zu Freizeit-Rechtsthemen
Zum kostenlosen Download steht auch ein von Dr. Wolfgang Stock verfasster Factsheet bereit: „Broschüre über das Wegerecht“:
umwelt.naturfreunde.at > Service > Info & Servicefolder
Berg frei!
Die Naturfreunde setzen sich seit jeher für die Wahrung des freien Wegerechtes ein. Bereits im Jahr 1906 beginnen sie den Kampf für das freie Wegerecht im Bergland. Diese Beharrlichkeit macht sich bezahlt: Nach dem Ersten Weltkrieg wird in einigen Bundesländern das freie Wegerecht im Bergland per Gesetz verankert. Auch für die freie Begehbarkeit des Waldes, die seit 1975 gilt, haben sich die Naturfreunde Österreich intensiv eingesetzt. Auch in den letzten Jahren waren sie immer wieder aktiv: So konnte im Jahr 2017 eine Verwaltungsreform des BMLFUW erfolgreich abgewendet werden. Diese Reform hätte massive Einschnitte in das freie Wegerecht bedeutet, da es vorsah, dass Besitzerinnen/Besitzer von Waldflächen unter 5000 m² in Hinkunft alles tun und lassen können, was sie wollen. Auch für die Öffnung von Forststraßen für alle, die mit dem Mountainbike unterwegs sind, treten die Naturfreunde mit ihrer Initiative „Freie Fahrt auf Forststraßen“ schon seit Jahren ein.
Das Bestreben, Wälder, Berge und Seen für alle frei zugänglich zu machen manifestiert sich auch im Naturfreunde-Gruß „Berg frei!“, der seit dem Jahr 1900 verwendet wird. Einst ein kämpferischer Gruß, der den Anspruch zum Ausdruck brachte, dass nicht nur dem Bürgertum, sondern auch der Arbeiterschaft das Recht auf Freizeit und Erholung in der Natur zusteht.