Bis vor ein paar Jahren hat Österreich für Wölfe nur als “Transitland” fungiert. Doch es scheint, als würden sich einige Tiere nun auch bei uns wieder dauerhaft niederlassen - so wie etwa am Truppenübungsplatz Allentsteig. Zwar handelt es sich dabei nur um ein kleines Rudel, aber immerhin - es ist ein Anfang.
Was die einen nun sehr freut, sorgt bei anderen für Aufregung und Ablehnung. Besonders Landwirte und Interessensvertreter des Tourismus beurteilen die Lage sehr kritisch. Die Meinungen driften hier sehr stark auseinander. Von der Forderung nach absolutem Schutz bis hin zur Freigabe zum Abschuss ist hier so ziemlich alles vertreten.
Um sich einen Überblick über all die unterschiedlichen Meinungen zu verschaffen, lud die Landwirtschaftskammer Österreich kürzlich zur Diskussion zum Thema “Der Wolf im Alpenbogen” ein. Zahlreiche Gäste waren anwesend - aus der Landwirtschaft, der Wissenschaft, dem Tourismus, dem Naturschutz. Die Rückkehr des Wolfes wurde von den Teilnehmern mitunter sehr emotional diskutiert, denn die große Frage lautete: Wie soll man dieser neuen Situation künftig “Herr werden”? Und vor allem: Ist der Wolf nun Freund oder Feind?
Hand aufs Herz: Das Image von Isegrim ist nicht gerade das allerbeste. Meist wird er als hinterlistiges, mystisches, unberechenbares und zähnefletschendes Wesen dargestellt, das weder vor Schafherden, noch vor Rotkäppchen Halt macht. Und ja, es stimmt: Vor allem Landwirte mit Herdenvieh und Almbauern spüren die Anwesenheit des Wolfes, denn auf seinem Speiseplan stehen nicht nur kranke oder schwache Wildtiere, sondern auch Weidentiere. Im Jahr 2017 wurden in Österreich insgesamt 17 Schafe und 1 Kalb von Wölfen gerissen.
Das ist natürlich ein Problem. Doch was soll man angesichts dessen tun? Ihm erneut den Garaus machen? Oder Maßnahmen für eine sinnvolle und friedliche Co-Existenz entwickeln? Dr. Leopold Slotta-Bachmayr vom Österreichischen Naturschutzbund hat sich diesbezüglich bereits einige Gedanken gemacht. Er leitet das Projekt “Akzeptanzförderung für den Wolf” und weiß, dass es mitunter auch positive Effekte hätte, wenn wir den Wolf als natürlichen Bestandteil unseres Ökosystems anerkennen würden.
So würde der Wolf zum Beispiel für die Gesundheit des Wildbestandes sorgen, da er vor allem kranke oder schwache Tiere jagt. Die Population bliebe dadurch kräftig und gesund, da durch diese Auslese auch die Ausbreitung von Krankheiten unter den Wildtieren reduziert werden würde. Auch Aasfresser wie Geier, Adler oder Bären würden vom Jagdverhalten des Wolfes profitieren, denn sie leben von dem, was der Wolf übrig lässt. Und nicht zuletzt würde sich die Anwesenheit des Wolfes auch positiv auf die Population von Vögeln und Nagetieren auswirken.
Als sehr kritisch erweist sich die Sachlage jedoch nach wie vor beim Herdenschutz. Dr. Slotta-Bachmayr und Johann Georg Höllbacher, Leiter der nationalen Beratungsstelle Herdenschutz, sehen besonders bei diesem Thema die Gesellschaft als gefordert. Höllbacher hat das Pilotprojekt zum Herdenschutz mit Herdenschutzhunden und Hütehunden in Kals am Großglockner geleitet. Er weiß, dass es vor allem auf die Akzeptanz der Gesellschaft ankommt, ob und wie der Herdenschutz - und damit auch die Co-Existenz von Mensch und Wolf - in Zukunft funktionieren können.
Fest steht: Nur wenn wir der Natur und damit auch dem Wolf als Teil davon tolerant gegenüberstehen, können Herdenschutz-Projekte künftig umgesetzt werden. Denn diese erfordern mitunter auch ein gewisses Maß an Beharrlichkeit: “Ich kann nicht einfach einen Hütehund auf meine Weide stellen und die Sache ist damit getan. Dafür braucht man vor allem Motivation und Geduld, denn bis das Zusammenspiel von Herde, Hund und Landwirt funktioniert, kann schon eine gewisse Zeit vergehen, bzw lässt sich so ein Projekt in manchen Fällen auch mit den besten Vorsätzen nicht zu 100% umsetzen”, weiß Höllbacher. Zusätzlich gäbe es auch noch allerhand bürokratische Hürden zu überwinden - sei es eine sinnvolle kollektiv-vertragliche Regelung von Hirten oder eine Regelung für den artgerechten Einsatz von Hirtenhunden.
Schnell wird klar: Es ist kompliziert. Auch wenn es jede Menge guter Ansätze gäbe - dazu zählen auch alte Herdenschutz-Techniken wie der Einsatz von Hirten, Hütehunden, Eseln oder auch Lamas - die Umsetzung ist nicht so einfach zu bewerkstelligen. Nicht zuletzt haben sich auch die Gegebenheiten innerhalb der Landwirtschaft verändert. Nach wie vor sind deshalb engagierte, länderübergreifende Schutzbestimmungen für den Wolf und sein Überleben von großer Bedeutung. Aber es müssen künftig auch seitens der Gesellschaft, der Wirtschaft und der Politik Maßnahmen angedacht werden, die eine Co-Existenz von Mensch und Wolf ermöglichen.
Der Wolf ist grundsätzlich menschenscheu und geht uns deshalb lieber aus dem Weg. Gesunde Wölfe, die weder provoziert, in die Enge getrieben noch angefüttert werden, stellen für den Menschen somit keine Gefahr dar. Laut Statistik tritt in Europa innerhalb von zehn Jahren weniger als ein tödlicher Unfall mit Wölfen auf - und das bei mehr als 10.000 Wölfen!
Nein. Alle in Österreich lebenden Wölfe sind von selbst zugewandert. Aus Italien, dem Balkan, aus den Karpaten oder über das mitteleuropäische Tiefland aus Polen.
Grundsätzlich nein. Oft fressen sie tagelang an einem erlegten Tier. Die Tötung mehrerer Tiere auf einmal ist eher selten und nur dann zu beobachten, wenn die Beutetiere - wie etwa Schafe - nicht flüchten.
Nein, hier ist eher das Gegenteil der Fall. Eine US-Studie hat bewiesen: Je mehr einzelne Wölfe erlegt werden, desto mehr Herdentiere fallen ihnen im Folgejahr zum Opfer. Der Grund: Die funktionierende Struktur innerhalb des Rudels damit wird zerstört. So kann etwa der Abschuss eines Elterntieres dazu führen, dass die Jungwölfe ihr Jagdverhalten ändern und dann auf leichter zu erbeutende Tiere wie ungeschützte Schafe ausweichen müssen.