Viele von uns freuen sich daran, solche Details bildfüllend zu fotografieren. Oft wird vermutet, dass man für solche Aufnahmen einen großen technischen Aufwand braucht, den man sich und seiner Kamera nicht zutraut. Und deshalb versucht man erst gar nicht, ähnliche Bilder zu machen. Dabei ist es meist wesentlich einfacher, als man denkt: Man muss einfach nur richtig nahe herangehen!
Die Fotografie im Nahbereich hat von der Umsetzung her zwei völlig unterschiedliche Vorgehensweisen. Das Einfachste und Schnellste ist der Schnappschuss im Vorbeigehen: Wir entdecken ein Motiv (zum Beispiel ein Edelweiß), legen uns auf den Boden, gehen mit der Kamera so nahe wie möglich heran und drücken auf den Auslöser. Das fotografische Ergebnis hängt dann vom Umgebungslicht und den technischen Möglichkeiten (Grenzen) unserer Kamera ab.
Am anderen Ende des Spektrums liegen Fotografinnen und Fotografen, deren Leidenschaft dem Nahbereich (Makrofotografie) gehört. Ähnlich wie Tierfotografinnen und -fotografen zeichnen sich die LiebhaberInnen dieser Art der Fotografie durch eine umfangreiche, technisch ausgefeilte Ausrüstung aus: Schweres Stativ, Fotorucksack und ein lichtdurchlässiger weißer Schirm sind die äußeren Erkennungsmerkmale von Makrofotografinnen und -fotografen. Im Rucksack befinden sich Makrolinse (oder Zwischenringe, Nahlinse, Balgengerät), externes Blitzgerät, Blitzkabel (oder Funkauslöser), Aufhellschirm, LED-Lampe, Blumendraht mit Klammern, Schere, großer Plastikmüllsack (oder Biwaksack, Isomatte), Wassersprüher.
Wenn man ambitionierte Hobbymakrofotografinnen und -fotografen nach dem Zeitaufwand für das Aufstellen des Sets für ein einziges Bild fragt, wird nicht selten eine Stunde als Richtwert angegeben.
Mir persönlich wäre das viel zu umständlich – ich will gern unterwegs sein, und nach zwei bis drei Minuten kann ich mein Foto machen. Aber es kann ja jede(r) selbst entscheiden, was ihr/ihm Spaß macht … Und dann geht es um die Umsetzung, wo „Lust“ und „Frust“ nahe beieinander liegen!
Das Kernstück der Ausrüstung ist ein geeigneter Fotoapparat mit der entsprechenden Optik. Viele von uns haben heute nur noch eine kleine Kompaktkamera mit dabei. Wer gerne ganz nah hingeht und zum Beispiel Blumen bildfüllend fotografieren will, muss beim Kauf der Kamera darauf achten, dass die entsprechenden technischen Voraussetzungen gegeben sind. Meine Empfehlung ist die P 7100 von Nikon oder die G 12 von Canon – beide Kameras haben eine ausgesprochen gute Naheinstellung, mit der wir bis auf wenige Zentimeter an das Motiv herankommen. Wenn das Umgebungslicht für ein verwacklungsfreies Foto zu schwach ist (Verschlusszeit ca. 1/125), können wir problemlos die ISO-Zahl auf 400 oder 800 anheben.
Bei einer Spiegelreflexkamera haben wir für den extremen Nahbereich mehrere Möglichkeiten. Als Erstes fällt einem natürlich das Wort „Makro-Objektiv“ ein.
Ein Makro-Objektiv ist aber recht teuer und außerdem schwer; viele lassen es daher aus Gewichtsgründen zu Hause und ärgern sich dann, wenn sie ein bestimmtes Foto nicht machen können. Mein Hilfsmittel sind Zwischenringe der Firma Kenko, die - wie der Name schon sagt - ganz einfach zwischen dem Objektiv und dem Gehäuse einer Spiegelreflexkamera installiert werden. Die speziellen Makro-Objektive haben unterschiedliche Fixbrennweiten, in der Regel ca. 105 oder 150 mm. Mir selbst ist die 150-mm-Optik lieber – da habe ich mehr Tiefenschärfe und muss auch nicht so nahe herankommen (etwa beim Fotografieren von Schmetterlingen).
Eine weitere Alternative sind Nahlinsen, die im Filtergewinde vor die Optik geschraubt werden. Nahlinsen bringen für mich jedoch nicht die gewünschten Ergebnisse; außerdem sind sie nicht mehr verwendbar, wenn ich ein anderes Objektiv mit einem anderen Filtergewinde verwenden möchte.
Meine persönliche Empfehlung daher: Zwischenringe. Zwischenringe sind sehr leicht, das Set besteht aus drei Teilen, die zusammen oder einzeln verwendet werden können. Am liebsten setze ich die Zwischenringe bei einem Telezoom-Objektiv (70-200 mm) ein. Dies hat den unglaublichen Vorteil, dass ich durch die Zoomfunktion einen großen Spielraum zum Scharfstellen habe. Bei einem Makro-Objektiv hingegen bin ich auf wenige Millimeter eingeschränkt und muss jedes Mal umständlich das Stativ umbauen, wenn ich eine andere Naheinstellung fotografieren möchte. Im Nahbereich ist das Bild sehr unruhig und der Tiefenschärfebereich gering.
Die Verwendung eines Stativs rentiert sich, idealerweise bei Verwendung eines Kugelkopfes, mit dem man den Bildausschnitt schnell verändern kann. Oft wollen wir gerade im Makrobereich Blumen fotogfafieren. Langstielige Pflanzen bewegen sich selbst bei geringem Wind recht viel; wer Lust hat, kann die Pflanze mit einem Blumendraht und einer Klammer fixieren.
Viele Makrofotografinnen und -fotografen wünschen sich für ihre Bilder einen eigenen „Look“: gleichmäßiges Licht ohne Sonne, viel verschwommene Unschärfe und ein klares Motiv scharf abgebildet. Um zu solchen Ergebnissen zu kommen, wird über das Makroset ein lichtdurchlässiger Schirm gespannt, der extrem weiches Licht erzeugt. Oft ist das Motiv unserer Wahl von störenden Grashalmen verdeckt: Vor allem alte, grauweiße Stängel würden uns später beim Betrachten des Bildes sicher stören. Profis haben eine Schere dabei und schnippeln sich das Motiv zurecht … Gras wächst ja wieder nach. Wer die Natur gern hat, wird mit ihr gefühlvoll umgehen!
Auch bei einer Spiegelreflexkamera können wir heute die ISO-Zahl weit nach oben drehen, um kürzere Belichtungszeiten zu erreichen.
Einen ganz eigenen Look für den Nahbereich bekommen wir bei der Verwendung eines starken Weitwinkels (Zoom 10-20 mm bei DX-Objektiv). Ich mag diese Art der Nahfotografie besonders gern, weil sie mir die Möglichkeit bietet, auch die Umgebung voll ins Bild zu integrieren. Wir wählen dafür die maximale Weitwinkelstellung und erzeugen mit Blende 22 die größtmögliche Tiefenschärfe. Ein Fisheye verstärkt diesen Effekt noch – hier müssen wir aber bedenken, dass wir leicht einen „rundlichen“ Bildausschnitt bekommen, wenn im Hintergrund deutliche Linien sichtbar sind, zum Beispiel Bergkanten, eine gerade Wasserfläche, Häuser etc.
Fotografinnen und Fotografen sind ja „MalerInnen mit dem Licht“. Dies gilt natürlich auch für den Nahbereich, wobei wir es hier besonders einfach haben. Eine Blume lässt sich leichter „beleuchten“ als ein ganzer Berg. Für das richtige Licht auf unserem Motiv stehen uns mehrere Möglichkeiten zur Verfügung. Für ein plastisch wirkendes Bild ist Licht von der Seite am besten. Also entweder Sonnenlicht oder ein Blitzlicht, das wir über Kabel oder Funk auslösen können. Eine gern verwendete Lichtquelle im Nahbereich ist ein einfacher Aufheller – entweder ein professioneller Aufhellschirm oder einfach ein weißes Stück Karton oder Alufolie. Auch das Licht einer LED-Lampe tut hier gute Dienste. Wichtig für alle Lichtquellen: Es lohnt sich, das Ganze vorher zu Hause auszuprobieren!
BergsteigerIn oder Makrofotografin/-fotograf? Für mich ist das eine klare Sache: Ich will mich bewegen und in den Bergen unterwegs sein. Dennoch kann es leicht passieren, dass ich besonders schöne Blumen oder Eiskristalle etc. entdecke und dann schlicht und einfach stundenlang irgendwo hängen bleibe.
Text und Fotos: Heinz Zak, Fotograf, Extremkletterer, Slackliner, Buchautor und Filmemacher