Die Naturfreunde sind bereits seit über 115 Jahren die größte Vereinsschischule Österreichs, die jährlich rund 35.000 Kinder in Schikursen betreut. Im Lauf der Zeit hat sich nicht nur im Schisport bei den Naturfreunden viel getan. Generell ist festzustellen, dass viele Menschen immer bequemer und auch ungeduldiger werden, sich Kulturen und Weltbilder vermischen, viele Zugewanderte keinen Schnee kennen und viele Städter so gut wie keinen Wintersport mehr betreiben, weil es andere (Sport-)Möglichkeiten gibt. Abgesehen davon ist Wintersport richtig teuer geworden, und aufgrund des Klimawandels werden die Winter immer schneeärmer.
Die Naturfreunde haben diesen Entwicklungen Rechnung getragen und eine völlig neue Idee geboren, die am Schikongress 2017 in Japan für großes Aufsehen gesorgt hat: Erwachsene, Kinder und Menschen aus verschiedenen Kulturen werden gemeinsam in ein und derselben Gruppe unterrichtet. Jeder bestimmt seine Lerngeschwindigkeit selbst. Grundlage für diesen innovativen Ansatz waren die Erfahrungen der Naturfreunde-Schiinstruktorinnen/-instruktoren und der Bewegungskindergärten. Die ersten Experimente für einen gemeinsamen Unterricht von Kindern und Erwachsenen waren sehr spannend.
Auch fremdsprachige SchülerInnen wurden ohne gemeinsame Basissprache (z. B. Englisch) erfolgreich unterrichtet. Spielerisch ist viel mehr möglich, als man vermuten würde. Man versteht sich auch ohne viele Worte.
Ein ganz gravierender Unterschied zur alten Lernmethode ist, dass auf die Pflugstellung der Schi zum Kurvenfahren verzichtet und auf das Verwenden kurzer Schi geachtet wird. Basis der neuen Methode sind drei Unterrichtsstationen. Die Geschwindigkeit des Lernens kann sich jede(r) SchülerIn selbst aussuchen. Die SchilehrerInnen fungieren als Coachs bzw. als BegleiterInnen und arbeiten individueller als bisher. Die einzelnen Stationen werden dem jeweiligen Gelände angepasst. Zu Beginn startet man auf flachem Terrain, und es ist wichtig, die anderen Gruppenmitglieder kennenzulernen, denn gemeinsam lernt es sich leichter. Besonders viel Spaß macht in dieser Phase das Üben mit einem großen Fallschirm. Mit dessen Hilfe wird das erste Abstoßen von den Kanten trainiert. Die SchülerInnen nehmen Geschwindigkeit auf und gleiten plötzlich von alleine. Auch die ersten Richtungsänderungen passieren; sie ereignen sich unbewusst, und das ist das Besondere an praktisch allen Übungen. Das Tun steht im Mittelpunkt und nicht das Warum. Mithilfe der Spielpädagogik wird unbewusst trainiert. Jede Spielform erfüllt in einer bestimmten Reihenfolge ihren Zweck. Die SchülerInnen sind abgelenkt und mit sehr viel Freude dabei. Sie refl ektieren das Geschehene in der Situation nicht, sondern Erleben die Verbesserung des Könnens im Spiel. Während eines Handballspiels auf den Schiern beispielsweise bleibt wenig Zeit, darüber nachzudenken, wie man in eine bessere Position für einen Pass oder einen Torwurf kommt – man macht es einfach. Die nächste Station wird an einem flach geneigten Hang aufgebaut. Es entstehen verschiedene Fahrbahnen, zwischen denen die SchülerInnen wählen können, sowie eine kleine Sprungschanze und eine Wellenbahn. Es bestimmen aber die SchülerInnen, wann für sie der Zeitpunkt gekommen ist, sich den Herausforderungen zu stellen. Niemand wird gedrängt, bestenfalls eingeladen. Die SchilehrerInnen haben mehr Gelegenheit als früher, individuelle Aufgaben zu verteilen. Sie zeigen vor und regen zum Nachahmen an. Es braucht nicht viele Erklärungen. Jede Menge Hilfsmittel unterstützen die Spielformen, die spannenderweise auch von Erwachsenen sehr gerne angenommen werden und deren Phantasie anregen. In der dritten Station werden die Kurvenradien enger und stark variiert. Die Piste erinnert an einen bunten Platz − ausgesteckt mit sehr kurzen, nachgiebigen Stäben. Die Geschwindigkeit ist jetzt schon höher, und alles sieht schon nach richtigem Schifahren aus, obwohl es vorkommt, dass man zum Beispiel in die Hände klatschen oder einen Ball fangen muss. Und das schon spätestens am dritten Tag. Jetzt kann man auch sukzessive die Schilänge erhöhen, was heute aufgrund des vielen Leihmaterials leichter möglich ist als früher.
Einige Naturfreunde-Ortsgruppen unterstützen diesen Materialtausch innerhalb der Gruppe oder stellen selbst Leihmaterial zur Verfügung, damit für die NeueinsteigerInnen keine unnötigen Kosten anfallen.
Die drei Stationen des "kurzen Weges".
Die Videos wurden für den Internationalen Skikongress in Japan 2017 produziert.
Text und Foto: Dr. Stefan Schiel, Wintersportreferent der Naturfreunde Österreich