Text und Fotos: Thomas Schlink, Naturfreunde-Instruktor für Kanusport, Margot Grim
Lautlos gleitet das Kanu über das Wasser. Die gleichmäßigen Bewegungen der Bug- und Heckpaddler wirken wie eine Choreographie. Scheinbar unberührte Natur zieht vorbei, ein Reiher bemerkt das Boot erst spät und steigt wenige Meter vor den Paddlern auf. Ein Biber schwimmt gelassen hinter dem Boot vorbei, hin und wieder sieht man in der Nähe des Bootes eine Ringelnatter. Ein Open Canoe zu fahren scheint auf den ersten Blick einfach. Um jedoch so leise, aber auch kraftschonend und vor allem sicher unterwegs zu sein, ist viel Übung notwendig. Spätestens wenn ein stärkerer Wind aufkommt, ist man froh, wenn man Paddelschläge kennt, bei denen das Boot das tut, was man von ihm will. Auch bei längeren Strecken ist es hilfreich zu wissen, welche Auswirkungen ein Paddelschlag und auch das Beladen des Bootes haben. Für das Anlanden ist ebenfalls eine gute Paddeltechnik wichtig.
Open-Canoe-Touren sind vor allem durch schöne Bilder auf großen Seen und Flüssen wie dem Yukon bekannt. Für solche Fahrten ist dieser Bootstyp ideal. Er bietet genug Platz für Gepäck, Essen, Kinder und Hund und ist doch so leicht, dass man ihn alleine tragen kann. In einem mehrtägigen Open-Canoe-Kurs wird deshalb auch viel über die richtige Tourenplanung gesprochen, und man übt sie auch gleich.
Es gibt auch Open Canoes, die wildwassertauglich sind und einem Kajak um nichts nachstehen. Surfen auf der Welle, Kehrwasser fahren – auch im Wildwasser ist das alles möglich, wenn man weiß, wie es geht. Da das Boot oben offen ist, kann es im Wildwasser leicht passieren, dass man in einer Welle zu viel Wasser schöpft und einfach untergeht.
Dank der erhöhten Sitz- bzw. Knieposition hat man einen guten Überblick und kann vorrausschauend fahren. Leider kein Vorteil ohne einen Nachteil: Wegen des erhöhten Schwerpunkts wirkt das Boot im ersten Moment etwas instabiler.
Das Fahren in einem Tandemboot ist ein Teamsport, und man erkennt schnell, dass die Kommunikation im Boot das Um und Auf ist. Die Bugpaddlerin/der Bugpaddler ist im stehenden Gewässer für den Vortrieb und für die Sichtung von schwer erkennbaren Hindernissen unter der Wasseroberfläche zuständig. Die Heckpaddlerin/der Heckpaddler braucht diese Information für das Steuern, hilft aber auch kräftig beim Vorwärtspaddeln mit.
Geht es aufs Fließ- bzw. Wildwasser, wird bald klar, dass die Bugpaddlerin/der Bugpaddler beim Steuern helfen muss, weil im fließenden Wasser die Geschwindigkeit viel höher ist und man viel schneller reagieren muss, wenn plötzlich ein Hindernis auftaucht. Außerdem muss das lange Boot auch manchmal schnell um eine Kurve – da müssen dann beide im Boot tüchtig mithelfen und das ganze Potential der erlernten Technik ausschöpfen.
Wie man mit einem Open Canoe umgeht, lernt man zunächst in einem Tandemboot auf dem Flachwasser. Am Anfang ist es hilfreich, wenn man sich nur auf den eigenen Schlag im Bug oder Heck konzentrieren muss, um ganz spezifische Manöver zu fahren. In einem mehrtägigen Kurs lernt man in unterschiedlichen Manövern ca. 15 verschiedene Schläge sowie die Grundlagen unterschiedlicher Boots- und Paddeltypen. Weitere Kursinhalte sind u. a. Wasserrecht, Tourenplanung, Sicherheitstechnik und Bootsphysik. Es werden auch entscheidende Fragen geklärt; zum Beispiel: Sitzt die Frau immer im Bug und der Mann im Heck oder umgekehrt? Und warum?
Die Naturfreunde Österreich bieten Open-Canoe-Kurse nach der ACA (American Canoe Association) an. Die ACA hat ein Kurssystem entwickelt, das Open-Canoe-Begeisterten das notwendige Rüstzeug für die selbständige Befahrung stehender Gewässer (z. B. des Neusiedler Sees und des Bodensees), großer Flüsse (z. B. des Yukon und der March-Thaya-Auen) und von Wildwasser (z. B. der Salza und Möll) gibt.
Ein besonderes Highlight ist die Internationale Wildwasserwoche der Naturfreunde in Obervellach vom 28. Juli bis 3. August 2018. In diesen sechs Tagen kann man je nach Know-how und Interesse eine Kombination aus Anfänger-, Fließwasser- und/oder Wildwasserkurs absolvieren.
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