Die biologische Vielfalt ist die Grundlage unseres Lebens, und Natur- und Umweltschützer versuchen mit großem Engagement, die Bedeutung der Biodiversität zu vermitteln. Da intakte Ökosysteme sich wesentlich leichter auf Veränderungen einstellen, spielt die Erhaltung der biologischen Vielfalt auch in puncto Klimawandel eine wesentliche Rolle. Für viele Menschen ist Biodiversität noch ein abstrakter Begriff, und so mancher stellt sich die Frage, ob wirklich Millionen von Arten nötig sind, um unsere Lebensqualität zu sichern.
In den Diskussionen über die Bedeutung der biologischen Vielfalt geht oft deren ästhetischer und kultureller Wert verloren. Biodiversität ist weit mehr als die Grundlage für die Leistungen der Ökosysteme. Sie ist das Leben um uns, bunte Blumenwiesen mit Schmetterlingen und kleinen Bächen, das Gezirpe der Grillen in einer lauen Sommernacht, Vogelgezwitscher.
Die Biodiversität ist – zumindest in unseren Breiten – wesentlich vom Menschen mitgestaltet. Sie ist ein Teil unserer Identität, Teil unserer Erinnerungen und ein Zufluchtsort für unsere Gedanken in einer immer mehr von Technik dominierten Welt. Sie macht die Schönheit der Natur aus und beschert uns intensive Erlebnisse, die unseren Alltag bereichern. Und sie ist auch eine Quelle der Inspiration, nicht nur für Künstler, sondern für jede(n) von uns.
Eine faszinierende Geschichte
Biodiversität ist die Basis für faszinierende Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Arten. Jede Art besetzt ihre eigene Nische, hat ihre eigene Aufgabe im Zyklus des Lebens, ihre eigene Geschichte. Ich denke etwa an den Hellen Wiesenknopf-Ameisenbläuling, der auf blumenreichen Feuchtwiesen lebt. Dort wächst der Große Wiesenknopf, eine eher unauffällige Blütenpflanze, die für den kleinen Falter von essentieller Bedeutung ist: Die Weibchen des Wiesenknopf-Ameisenbläulings legen ihre Eier nämlich ausschließlich in den Blüten dieser Pflanze ab, in denen die Raupen ihre ersten Lebenswochen verbringen. Gegen Ende des Sommers verlassen die Raupen die Pflanze, lassen sich zu Boden fallen und locken mit süßlichen Duftstoffen bestimmte Ameisenarten an. Die Ameisen tragen die Raupen als vermeintliche Nahrungsspender in ihren Bau, wo die Raupen den Spieß umdrehen und sich von den Larven der Ameisen ernähren.
Eine zentrale Rolle bei diesem Kreislauf spielt die bäuerliche Bewirtschaftung der Wiesen: Werden die Wiesen nicht im Hochsommer, sondern erst im Herbst zum zweiten Mal gemäht, können die Raupen ihre Entwicklung in den Blüten des Großen Wiesenknopfs abschließen. Unterbleibt die Mahd jedoch ganz, werden der Große Wiesenknopf und die anderen Wiesenpflanzen im Laufe der Zeit von Gehölzen verdrängt. Und werden die Wiesen entwässert und stark gedüngt, weichen die bunten Wiesenpflanzen bald einem monotonen Einheitsgrün, in dem man vergeblich nach Schmetterlingen Ausschau hält.
Mehr Lebensfreude
Geschichten wie diese erfährt man auf den Natura Trails der Naturfreunde, die durch für Wanderungen und Radtouren geeignete Schutzgebiete führen. Die Natura Trails sollen dazu beitragen, die Menschen für die Naturschätze ihrer Umgebung zu begeistern. Über jeden Natura Trail gibt es einen handlichen Folder, der als Wegweiser dient.
Um die Vielfalt der Natur zu erleben, braucht es meist keine weiten Reisen. Die Schätze der Natur findet man schon oft vor der Haustür. Selbst in der Großstadt gibt es Refugien wie Parks, Gärten und Friedhöfe, wo wir die Phänomene der Natur beobachten können. Und außerhalb der Städte warten vielfältige Landschaften darauf, erkundet zu werden. Gelingt es uns, unseren Blick für die Schönheiten der Natur zu schärfen und die bunte Vielfalt rund um uns bewusst wahrzunehmen, werden wir damit auch ein Mehr an Lebensfreude gewinnen. Alleine das sollte doch als Argument genügen, um die biologische Vielfalt auch für unsere Kinder und Enkelkinder zu bewahren.
Text und Fotos von Andrea Lichtenecker, stellvertretende Geschäftsführerin der Naturfreunde Internationale