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Balance in luftigen Höhen

Der Hochseilklettergarten im Wiener Gänsehäufelbad ist ein tolles Erlebnis für Jung und Alt. Um hier seine Geschicklichkeit und Koordinationsfähigkeit zu testen, muss man weder bergsteigen noch klettern können.

Der Hochseilklettergarten im Gänsehäufelbad wurde in den alten Pappelbestand des Traditionsbades gebaut und im Mai 2007 eröffnet. 33 Plattformen in bis zu 8 m Höhe, 5 Parcours und 8 Flying-Fox-Anlagen sorgen für Adrenalinausschüttungen, Schweißausbrüche, Muskelbrennen und das herrliche Gefühl, es geschafft zu haben, wenn man wieder festen Boden unter den Füßen spürt.

Zu Beginn erklären geschulte Guides einem die Sicherheitsvorschriften, dann sind ein Testmodul und ein Einschulungsparcours zu absolvieren. Erst wenn man hier sicher unterwegs war, darf man höher aufsteigen.

 

Es gibt zwei gelbe Kinderparcours, für die man mindestens 110 cm groß sein muss; Kinder bis 8 Jahre dürfen diese nur in Begleitung eines Erwachsenen machen. Der blaue, graue und schwarze Parcours erfordern Kraft, Ausdauer und Mut. Die Mindestkörpergröße muss 140 cm betragen; Kinder bis 10 Jahre dürfen hier nur mit einem Erwachsenen unterwegs sein. Die Parcours sind sehr abwechslungsreich gestaltet und bieten u. a. Zickzackwege, Hängeleitern, Steigbügel, Labyrinthe, Trapezschaukeln, Wege aus Kübeln, Seilschlaufen, Dreifachseile und Spinnennetze. Jeder Parcours endet mit einem Flying-Fox, auch Gorilla-Rutsche genannt: In einem Affentempo saust man hier aus luftiger Höhe und über Längen von bis zu 50 m zurück zum Startpunkt.

 

Alle Sinne hellwach

Das Gleichgewicht ist eine mehrdimensionale Körperwahrnehmung. In einem Hochseilklettergarten gilt es, durch geeignete Bewegungen und muskuläre Aktionen die Balance zu halten. Unser Körper befindet sich dann im dynamischen Gleichgewicht, wenn die Projektion des Körperschwerpunktes im Bereich der Unterstützungsfläche liegt. Die Erhaltung dieses Gleichgewichts wird umso schwerer, je schmaler und wackeliger die Unterstützungsfläche ist und je höher sie über dem Boden liegt.

 

Sobald man in einem Hochseilgarten die Füße auf die ersten wackeligen Balken setzt, erfasst einen eine im normalen Alltag selten gespürte Konzentration und Aufmerksamkeit. Konzentration ist ein innerer Vorgang, der die Aufmerksamkeit vom Unwesentlichen abzieht und sie dort sammelt, wo wir sie gerade brauchen. Alle Sinne sind plötzlich hellwach, die Körperspannung nimmt zu, jeder Muskel ist bereit zu handeln. Gesichert mit zwei Karabinern erlebt man den ersten Parcours mit neuen Körpererfahrungen und steigender Muskelerwärmung.

 

Die Sicherheitsausrüstung in einem Hochseilklettergarten besteht aus Helm, Gurt, zwei Karabinern und einer Seilrolle. Selbst wenn man alleine den Klettergarten besucht, entsteht zwischen den BesucherInnen und Besuchern eine witzige Gruppendynamik.

 

Verspürt jemand plötzlich Panik oder Höhenangst, spielt der Kreislauf nicht mehr mit oder verlassen einen die Kräfte, braucht man nur zu rufen. Per Flaschenzug wird man von den Guides abgeseilt. Damit sich auch jede(r) über die Risken in einem Hochseilklettergarten bewusst ist, hat man vor dem Betreten der Anlage ein entsprechendes Formular zu unterschreiben. Kinder bis 14 Jahre müssen die Elterninformation vom gesetzlichen Vertreter unterschrieben mitbringen.

 

Nur keine Hektik!

Mario, 14 Jahre, Schüler der 3 c in der Hauptschule Adolf-Loos-Gasse in Wien 21, erzählt seine Erlebnisse:

„Hurra! Heute ist kein normaler Unterricht! Wir besuchen den Hochseilklettergarten im Gänsehäufelbad. Überall sind Drahtseile und Plattformen hoch in den Gipfeln der alten Pappeln zu sehen. Ich bin ganz aufgeregt. Hovhanes, Natascha und ich sind die besten Kletterer der Klasse. Im Turnsaal klettern wir zwar oft, aber das hier ist schon beeindruckend.

 

Es ist ganz wichtig, schon bei der Erklärung die Ohren zu spitzen, sonst gehört man von Anfang an zu den „Losern“. Wir müssen Uhren, Ketten, Ringe und Ohrringe ablegen, einen Klettergurt anziehen und einen Helm aufsetzen. Dann zeigt uns der Kletterlehrer, wie man die beiden Karabiner richtig in die Drahtseile einhängt und wie man die Seilrolle in der Gorilla-Rutsche befestigt. Wir drei kapieren alles in Blitzeseile und sind im gelben Einstiegsparcours die Ersten. Der ist „babyeinfach“. Die Kletterwege zwischen den Plattformen erfordern zwar ein wenig Konzentration, doch schwierig sind sie nicht. An das Wackeln gewöhnt man sich gleich. Überall kann man sich an Lianen festhalten. Mit einer Mini-Gorilla-Rutsche fahren wir lachend bergab in das schräg gespannte Fangnetz.

 

Wir bekommen nun vom Kletterlehrer das Okay, in den blauen Parcours aufzusteigen. Auf die erste Plattform führt eine wackelige Strickleiter. Keine Angst! Man kann nicht abstürzen, wenn man immer seine beiden Karabiner ins rote Stahlseil einhängt. Sollte man doch einmal das Gleichgewicht verlieren, hängt man im Klettergurt und zappelt in der Luft. Selbst dann ist es nicht schwer, eine Liane oder ein Seil zu erwischen und einfach weiterzuklettern. Es ist ratsam, sich vor jedem neuen Stück zu überlegen, wie man hier am besten klettert.

 

Hovhanes dreht sich ein paarmal um und gibt mir Tipps. Natascha klettert wie eine Katze. Wir Jungs kommen ihr kaum nach. Sie ist auch als Erste beim Steigbügel- und beim Kübel-Weg. Ich schaue ihr zu und begreife: Nur keine Hektik! Ich lasse die Steigbügel ruhig schwingen, warte bis sie nahe bei meinem Fuß sind und schlüpfe dann beherzt hinein. Natascha macht es genauso. Wenn sie müde von den vielen Klimmzügen ist, hockt sie sich wie ein Äffchen auf einen der verkehrt hängenden Kübel und ruht sich aus.

 

In zwei Stunden haben wir alle Parcours geschafft und werden von Otto Lorenz, dem Kletterlehrer und Konstrukteur des Klettergartens, sehr gelobt. Natascha fragt ihn, ob die alten Bäume denn nicht irgendwann unter der Last der vielen Drahtseile und Menschen knicken könnten. Otto Lorenz schmunzelt und meint: ,Die haben schon die beiden Orkane Emma und Kyrill überstanden, die mit 140 km/h über das Gänsehäufelbad tobten. Da haben sich die Äste der alten Pappeln bis zum Erdboden gebogen – ohne zu brechen. Euch Fliegengewichte spüren die gar nicht.‘

 

Ich bin jedenfalls nach diesem Besuch im Hochseilklettergarten fix und fertig! Das wird ein ordentlicher Muskelkater werden …“

Auch Erwachsene machen ähnliche Erfahrungen. Eine gemischte Gruppe von 40+ und 50+ trat an, um zu testen, wie „geschickt“ sie noch sind und wie ihre Muskeln hoch oben auf den schaukelnden Wegen jubilieren. Die Mutigen bezwangen den inneren Schweinehund schneller und lockten die Zaghaften hinterher. Auf den Plattformen wurde gelacht, und es wurden Tipps weitergegeben. Am Ende fühlten sich alle wie 14, geschmeidig und stolz, auf den wackeligen Wegen da oben nicht die Balance verloren zu haben.

 

Weitere Infos: www.hochseilklettergarten.at

 

 

Text und Fotos von Andrea Sikorski

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