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Upcycling: Müll mit Mehrwert

Upcycling – die kreative Aufwertung von scheinbar Wertlosem – liegt im Trend. Aus altem Kram werden originelle Gebrauchsgegenstände und Kunstwerke. Aber ist diese Art der Wiederverwendung auch immer nachhaltig?

Text: Marianne Mailer-Gebhart und Iris Erber, beide Naturfreundejugend Österreich

 

Ein alter Gummistiefel wird zu einem Blumentopf, aus einem kaputten Fahrradschlauch entstehen Schlüsselanhänger, Ohrringe und Halsketten, zerkratzte LPs werden zu Eierbechern, aus ausgedienten LKW-Planen werden Taschen gefertigt, aus leeren Saftpackungen Geldbörsen gebastelt, und das coole Sofa war früher ein Müllcontainer. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt.

 

Während beim Recycling die Rohstoffe aufbereitet werden, bekommen beim Upcycling Gegenstände durch kreative Zweckentfremdung eine völlig neue Funktion. Wenn etwa beim Altpapier-Recycling die Papierfasern immer kürzer und brüchiger werden, ist das ein Beispiel dafür, wie sich die Qualität des Rohstoffs im Verwertungskreislauf mindert. Beim Upcycling kommt es eher zu einer Aufwertung des vorhandenen Materials, der Produktlebenszyklus wird verlängert. Idealerweise ist dieser kreative Prozess mit Ressourcenschonung, Müllvermeidung, Geldsparen und Bewusstseinsbildung verbunden. Das Originelle daran: Bei den neuen Produkten ist meist noch die alte Funktion zu erkennen. „Wenn ich zum Beispiel aus einer alten Glasflasche eine Lampe mache, sehe ich, dass die Lampe früher eine Flasche war“, meint Regina Lustig, die sich bereits seit Jahrzehnten dem Upcycling widmet. Sie bietet in Wien unter anderem Upcycling-Basteln für Kinder an. Wenn aber Eltern fragen, was sie kaufen sollen, damit die Kids genügend Verpackungen für den Workshop haben, ist das wohl nicht im Sinn der Sache.

Upcycling ist übrigens keine neue Erfindung. In Gegenden oder Zeiten mit knappen Ressourcen war und ist die kreative Verwertung kaputter Dinge gängige Praxis - nach dem Motto „Not macht erfinderisch“. So werden in vielen Ländern Afrikas aus kaputten Reifen Schuhsohlen gefertigt. Auch der Fleckerlteppich und die Patchworkdecke sind altbekannte Beispiele für Upcycling-Produkte.

 

Dass Upcycling voll im Trend liegt, ist auch an immer mehr erfolgreichen Unternehmen zu erkennen, die sich auf Kreationen aus Elektroschrott, Sperrmüll oder Industrieabfällen spezialisiert haben. Eines davon ist der in Wien und St. Pölten ansässige sozialintegrative Betrieb „Gabarage“, der für Handwerk und innovatives Design mit Mehrwert steht. Gefertigt werden die nachhaltigen und vielfach ausgezeichneten Designstücke von Personen, die es am Arbeitsmarkt schwer haben.

 

Nur nett oder echt nachhaltig?

Trotz der positiven Aspekte sind sich Abfall- und Nachhaltigkeitsfachleute einig, dass Upcycling dem Recycling nicht immer vorzuziehen ist. Für den Bottle-to-Bottle-Kreislauf, bei dem aus alten Plastikflaschen neue werden, ist es wichtig, dass möglichst viele Flaschen dem Recycling zugeführt werden. Werden ihm zu viele Flaschen entzogen und zu Vasen, Stifthaltern, Blumentöpfen oder Skulpturen umfunktioniert, muss man für die Produktion von PET-Flaschen auf frisches Erdöl zurückgreifen.

 

Werden österreichische PET-Flaschen in Asien zu Fleecepullovern verarbeitet und in Europa als nachhaltige Mode verkauft, fällt die Ökobilanz schlechter aus, als wenn das Polyester direkt aus Erdöl erzeugt wird. Upcycling ist also nicht per se ressourcenschonend, der ökologische Nutzen wird unter Umständen durch hohen Energie-, Chemie- oder Transportaufwand zunichtegemacht.

 

Besser wäre es, die Industrie würde langlebige Produkte aus umweltverträglichen Materialien produzieren und die Konsumentinnen und Konsumenten würden diese länger nutzen bzw. weniger davon kaufen.

 

Was tun mit einem alten Hemd?

Ist es zum Beispiel immer sinnvoll und nachhaltig, ein altes Kleidungsstück in einem Upcycling-Prozess umzugestalten? Das hängt vom Zustand des jeweiligen Kleidungsstücks ab. Ein Hemd, das nur etwas aus der Mode gekommen, aber noch neuwertig ist, zu einer Stofftasche weiterzuverarbeiten, ist eine Möglichkeit. Nachhaltiger wäre es, einwandfreie Kleidungsstücke in ein Secondhandgeschäft zu bringen, zu spenden oder bei einer Kleidertauschparty gegen ein anderes Teil zu tauschen. Anders sieht es bei einem häufig getragenen Hemd mit abgewetzten Ärmelsäumen aus. Dieses nicht mehr tragbare Hemd wird im klassischen Recycling-Prozess bestenfalls zu einem Putzlappen verarbeitet. Wenn in einer Nähsession daraus ein ärmelloses Hemdblusenkleid entsteht, wäre das eine hochwertige Weiterverarbeitung im besten Sinn von Upcycling.

 

Fazit: Auch wenn es die globalen Probleme rund um Rohstoffgewinnung und Müllentsorgung nicht lösen kann – Upcycling birgt sowohl für Privatpersonen als auch für Profis spannende Ideen mit interessanten Ergebnissen und positiven Nebeneffekten.

 

Aus Gummistiefel werden Blumentöpfe
Aus Büchern werden Hocker
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