Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts ist die Temperatur in Österreich im Jahresmittel um mehr als 1,5 °C gestiegen, weltweit um „nur“ 0,8 °C. Durch die Erwärmung gerät vor allem die alpine Umwelt stark unter Druck. Mit dem Rückzug der Gletscher und dem Auftauen der dauernd gefrorenen Bodenschichten in hohen Lagen kann etwa die Gefahr von Steinschlägen und Murenabgängen steigen.
Text und Fotos: Dr. Andreas Kellerer-Pirklbauer, Institut für Geographie und Raumforschung, Universität Graz
Die Rekordtemperatur von 21,7 °C am 10. Jänner 2015 in Graz-Strassgang, Steiermark, sowie in Obervellach, Kärnten, führt uns exemplarisch die Auswirkungen des Klimawandels vor Augen. Wie geht es angesichts der Klimaerwärmung unseren Gletschern? Wie geht es den dauerhaft gefrorenen – und somit weitgehend stabilen – Schuttmassen und Felsflanken oberhalb der Baumgrenze, den sogenannten Permafrostgebieten? Alljährliche Berichte über dramatische Eisverluste bei Gletschern sind wir mittlerweile gewöhnt. Hier kennt man recht gut die Veränderung über die Zeit, da jedes Jahr vom Spätsommer bis in den Frühherbst rund 100 Gletscher im österreichischen Alpenraum vermessen werden. Diese Messreihen reichen bei Einzelgletschern bis ins 19. Jahrhundert zurück. Bei den Permafrostböden ist unser Wissen lückenhaft. An der Behebung dieses Mankos wird aktuell im Rahmen des Projektes „permAT“ an der Universität Graz sowie an der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik in Wien gearbeitet.
Da Permafrostböden - im Gegensatz zu den Gletschern - in der alpinen Landschaft nicht zu erkennen sind, lässt sich deren Verbreitung nur über bestimmte Geländeindikatoren, Punktmessungen (Bohrlöcher) und darauf basierte numerische Modelle ableiten.
Es gibt jedoch auch leicht bestimmbare Merkmale, welche die Existenz von Permafrost in alpinen Regionen oder in hohen Breiten mit einiger Wahrscheinlichkeit abschätzen lassen. Auch BergsteigerInnen können sie gut wahrnehmen.Ein typisches Landschaftselement des alpinen Permafrosts ist der sogenannte Blockgletscher, der eine lavastromartige Oberflächengestalt hat. Blockgletscher entstehen durch das Kriechen von eisübersättigtem Schutt. Die Bildung der durchschnittlich wenige hundert Meter langen und breiten Kriechformen braucht einige tausend Jahre. Blockgletscher werden, so lange sie sich bewegen, aktiv genannt. Schmilzt das in ihnen enthaltene Eis und kommt ihre Bewegung zum Stillstand, nennt man sie reliktisch. Blockgletscher kommen besonders häufig in den Zentralalpen vor. Bisher wurden in Österreich rund 4500 inventarisiert. Die reliktischen Formen stammen aus der Späteiszeit und sind – im Gegensatz zu den aktiven – meist vegetationsbedeckt.
In Österreich sind gegenwärtig rund 1600 bis 2000 km² von Permafrost beeinflusst - eine rund viermal so groß Fläche wie jene von Gletschern. In den Zentralalpen kann man schattseitig im Mittel ab 2400 m, sonnseitig ab etwa 2700 m Höhe mit dem Auftreten von Permafrost rechnen. In den Randalpen liegen diese Werte gut 100 bis 200 m tiefer. Dies bedeutet, dass Permafrost in den vegetationsarmen Hochlagen der österreichischen Berge weit – wenn auch nur in vergleichsweise kleinen Arealen geschlossen – verbreitet ist, was auf der abgebildeten Karte gut zu erkennen ist.
Von den meist recht trägen Vorgängen in Permafrostböden geht prinzipiell wenig Gefahr aus. Ganz im Gegenteil: Permafrost sorgt für die Standfestigkeit von Wänden und Graten. Das Problem sind jedoch der Klimawandel und dessen Auswirkungen auf das Hochgebirge. Schuttmassen, in denen das Eis schmilzt, können zu einer Gefahrenquelle werden, da sie zu Liefergebieten von Muren werden können. Ein Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit ist das Sattelkar im Obersulzbachtal in den Hohen Tauern, Salzburg, wo – bedingt durch die Klimaerwärmung – seit August 2005 außergewöhnliche Muren- und Steinschlagaktivitäten registriert wurden. Diese Ereignisse haben den Obersulzbachweg (wichtiger Versorgungsweg von Almen und Schutzhütten) in Abschnitten wiederholt beschädigt bzw. zerstört.
Schutzhütten, die in einem Permafrostgebiet liegen, können durch die Erwärmung des Untergrundes (die auch von den Bauwerken selbst ausgeht) gefährdet sein. Setzungserscheinungen können beispielsweise das Mauerwerk beschädigen. Dass dies keine Zukunftsvision ist, sondern ein längst aktuelles Problem, hat beispielsweise die vor ca. zehn Jahren notwendig gewordene Generalsanierung des Sonnblickgipfels in den Hohen Tauern gezeigt, wo das Observatorium und das Zittelhaus (3106 m) vom Absturz bedroht waren.
Auch wenn die meisten alpinen Schutzhütten nicht auf Permafrostböden errichtet sind, können Felsstürze oder andere Massenbewegungen aus höheren Lagen sehr wohl Hütten gefährden.
Gleiches gilt für alpine Wanderrouten, die durch Abschmelzungsvorgänge im Permafrost und dadurch ausgelösten Steinschlägen gefährlicher werden können. Dies gilt zum Beispiel für die Wege vom Padasterjochhaus (2232 m) der Naturfreunde zu den nahegelegen Gipfeln.
Ein anderes Beispiel ist der traditionelle Anstieg von der Franz-Josefs-Höhe über die Gletscherzunge der Pasterze und dem Hofmannskees zur Erzherzog-Johann-Hütte. Mittlerweile ist diese Route stark von Steinschlag gefährdet. Neben den Veränderungen im Permafrost bringen auch der Rückzug der Gletscher sowie die Zunahme der Glescherspaltigkeit an der Nordostflanke des Großglockners weitere Gefahren mit sich. Die Gefahrenveränderung im Hochgebirge ist also sehr komplex.
Entsprechend des jüngsten IPCC-Berichts* wird die Temperatur bis zum Ende des 21. Jahrhunderts weltweit deutlich ansteigen, wobei der Grad der Erwärmung stark von dem gewählten Szenario und somit Modell abhängig ist. Im globalen Mittel kann man um einen weiteren Anstieg von 3 bis 5 °C rechnen. Permafrostgebiete werden dadurch wärmer oder sogar komplett auftauen und somit an Flächenausdehnung verlieren. Heute noch aktive Blockgletscher werden graduell zu reliktischen Formen. Dort, wo der Permafrost auch in Zukunft erhalten bleibt, wird die Mächtigkeit der sommerlichen Auftauschicht zunehmen. Erwärmen sich Felswände sowie derzeit noch gefrorene Lockersedimentpakete, kann es zu vermehrtem Steinschlag oder Muren kommen. Der Anstieg der Vegetationsgrenze kann dem jedoch teilweise entgegenwirken.
In Summe wird das Hochgebirge tendenziell wohl gefährlicher werden - nicht nur wegen der Veränderungen im Permafrost, sondern wegen aller vom Klima gesteuerten Vorgänge im Hochgebirge. Man muss daher alle diese Prozesse genau beobachten und interpretieren, damit man eventuellen Gefahren durch angemessenes Verhalten begegnen kann.
Durch den Rückgang der Gletscher wird die Erhaltung von markierten Wegen schwieriger und aufwendiger werden, die Standfestigkeit von Schutzhütten muss abgesichert werden. Die finanzielle Belastung wird auch aufgrund der wahrscheinlichen Zunahme von Wetterkapriolen und der damit verbundenen Schäden massiv steigen. Die Naturfreunde Österreich und die anderen alpinen Vereine werden also in Zukunft noch mehr Geld und Arbeit als bisher in die alpine Infrastruktur investieren müssen, um den Erholungsuchenden sowie Bergsportlerinnen und -sportlern einen möglichst sicheren Aufenthalt in der österreichischen Bergwelt zu ermöglichen.
* IPCC = Intergovernmental Panel on Climate Change, Zwischenstaatlicher Ausschuss für Klimaänderungen
Permafrost – als thermisches Phänomen – beschreibt einen Temperaturzustand des Untergrundes, und zwar eine Temperatur von weniger als 0 °C, die zumindest einen Sommer lang überdauert; der Boden ist somit ganzjährig gefroren (= Dauerfrost- oder Permafrostboden). Im Sommer taut die oberflächennahe Schicht des Permafrostbodens auf. Diese saisonale Auftauschicht ist in Österreich je nach Höhe, Ausrichtung zur Sonne und Beschaffenheit des Untergrundes meist einige Meter mächtig.
Durch die ständige Temperatur von unter 0 °C bleibt sämtliches Wasser im „Permafrostkörper“ gefroren; kluftreiche Felswände oder Schutthänge mit Eis bleiben in einem stabilen Zustand.
Der Anstieg der mittleren Lufttemperatur beträgt in den österreichischen Alpen seit der Mitte des 19. Jahrhunderts mehr als 1,5 °C. Dadurch erwärmt sich der Boden und verändert seine physikalischen Eigenschaften. Bei einer Überschreitung von 0 °C schmilzt das Bodeneis. Das kann zum Einsinken der Oberfläche sowie zur Entfestigung von Fels- und Lockergestein führen. Bei entsprechender Steilheit ergeben sich daraus Steinschlag oder Felsstürze.
Im Frühsommer 2007 etwa brachen rund 500.000 m³ Felsmasse des fast 3000 m hohen Mittleren Burgstalls ab und donnerten ins Tal. Neben Veränderungen im Permafrost war hier auch der Rückzug der Pasterze für die Auslösung des Felssturzes von großer Bedeutung. Glücklicherweise wurde durch diesen großen Felssturz weder Mensch noch alpine Infrastruktur zerstört.