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Überrollt uns der Klimawandel

Die bereits jetzt schon dramatischen Folgen der globalen Erwärmung haben die Naturfreunde Österreich dazu veranlasst, eine eintägige Konferenz zum Thema „Herausforderung Klimawandel. Auswirkungen auf die Pole und den Alpenraum“ zu veranstalten. An die hundert Gäste kamen am 13. Oktober 2017 ins Linzer Volkshaus Ebelsberg, um sich über den aktuellen Wissensstand der Klimaproblematik zu informieren.

Die Umweltkonferenz „Herausforderung Klimawandel“ werde keine Wohlfühlveranstaltung sein, sondern sich mit der harten Realität auseinandersetzen, kündigte der Biologe und Fotograf Sepp Friedhuber, langjähriger Alpinreferent und Ehrenmitglied der Naturfreunde Österreich, in seinen einleitenden Worten an. Gemeinsam mit Regina Hrbek, Leiterin der Abteilung für Natur- und Umweltschutz der Naturfreunde, hatte er sechs Fachleute eingeladen, die über die Auswirkungen des Klimawandels referierten und diskutierten.

 

Als Einstieg in die Materie erläuterte Andreas Jäger, Meteorologe und ORF-Moderator, in seinem Vortrag die Basics in Sachen Klimaveränderung und spannte einen Bogen vom Start der Aufzeichnungen von Wetterdaten über die Kleine Eiszeit (15.-19. Jh.) bis heute. Seit dem Ende der Kleinen Eiszeit Ende hat die Durchschnittstemperatur weltweit um ca. 1,5 Grad zugenommen, im Alpenbereich um ca. das Doppelte. Alle Computermodelle zeigen, dass der Treibhauseffekt auf ein erträgliches Niveau eingedämmt werden kann, wenn der CO2-Verbrauch schnell und drastisch sinkt. Passiert dies nicht, besteht das Risiko, dass es sogar eine Klimaerwärmung von mehr als 6 Grad geben kann, was Katastrophen unabsehbaren Ausmaßes bedeuten würde.

 

Arktis & Antarktis

Sepp Friedhuber war in den letzten Jahren als Lektor für Ökologie und Klimaproblematik viele Male in den Polargebieten tätig und ist angesichts des rasenden Tempos der globalen Erwärmung nicht optimistisch. Die arktischen Eisflächen verringern sich schneller, als noch vor wenigen Jahren prognostiziert wurde. Grönland erleidet durch das Abschmelzen einen enormen Masseverlust. Die gesamte arktische Fauna (Robben, Walrösser, Eisbären) ist vom Aussterben bedroht. Die Permafrostböden tauen auf, wodurch Unmengen von klimaschädlichen Gasen entweichen. Die Einsüßung der arktischen Gewässer könnte zudem zum Erliegen des Golfstroms führen.

 

Auch die Antarktis ist vom Klimawandel betroffen, vor allem im Westen. Ein Abschmelzen der Antarktis würde den Meeresspiegel um 60 Meter ansteigen lassen.

 

Gletscherrückgang in den Alpen

Der Rückgang der Gletscher ist ein weltweites Phänomen. Andrea Fischer, Glaziologin am Institut für interdisziplinäre Gebirgsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, erklärte, dass die Fläche der Alpengletscher seit dem Ende der Kleinen Eiszeit um mehr als die Hälfte geschrumpft ist. In der letzten Dekade gingen jährlich mehr als ein Prozent der Fläche und etwa ein Meter der Eisdicke verloren. Am Ende des Jahrhunderts wird wahrscheinlich nur mehr ein Drittel bis wenige Prozent der Gletscherfläche übrig sein.

 

Energiepotenzial versus Naturschutz

Marianne Badura vom Ingenieur- und Beratungsbüro „blue! Advancing european projets GbR“ in München stellte das Projekt recharge.green (www.recharge-green.eu/de/) vor, das Entscheidungsmodelle für eine nachhaltige Nutzung erneuerbarer Energien (EE) in den Alpen entwickelt hat. Aufgrund des Schutzstatus vieler Gebiete darf man das an und für sich große EE-Potenzial der Alpen nicht voll nutzen, da die Biodiversität auf jeden Fall erhalten bleiben muss. „Sie ist die Grundlage der Ökosystemleistungen“, unterstrich Badura. Bei der Planung von EE-Projekten muss die Bevölkerung unbedingt mit eingebunden und die Veränderung des Landschaftsbildes visualisiert werden.

 

Herbert Jungwirth, Landesnaturschutzreferent des Alpenvereins Oberösterreich, sprach sich gegen die Nutzung der Windkraft in den Alpen aus. Bei der Errichtung von Windenergieanlagen (WEA) entstehen riesige Baustellen, Transportwege müssen angelegt, große Waldflächen gerodet werden. Darüber hinaus gefährden WEA die Vogelwelt. Da es bei der Errichtung von WEA für die Gemeinden um viel Geld geht, ist die Versuchung groß, welche aufzustellen. „Man muss daher die Entscheidungsträger über die Vor- und Nachteile informieren und gegensteuern“, so Jungwirth.

 

 

Dezentrale Energiegewinnung

Wolfgang Steinleitner, Fachmann für Energiegewinnung aus erneuerbaren Quellen, plädierte in seinem Referat für eine Dezentralisierung des Energiesystems. Jeder Hausbesitzer solle seinen eigenen Strom produzieren. Energieexperte Heinz Kaupa meinte in der abschließenden Podiumsdiskussion, dass er von Dezentralisierung, wo sie möglich sei, viel halte. Das sei dort, wo man den Strom auch verbrauchen kann. Für eine Dezentralisierung benötige man jedoch neue (Hochspannungs-)Leitungen und Speicher. Kaupa bedauerte, dass Österreich keine Energiestrategie habe. Es gäbe genügend Möglichkeiten, Energie zu sparen (z. B. im Verkehrsbereich, in der Wärmeversorgung, bei der Dämmung von Gebäuden) und die Energieeffizienz zu steigern.

 

Solange es eine Wirtschaft gibt, die nur auf Wachstum beruht, werde sich nichts ändern, stellte Sepp Friedhuber fest. Für die Lösung der komplexen Klimaproblematik seien mehrere Ansätze nötig; man brauche realistische Energiekonzepte und man müsse u. a. die weltweite Waldvernichtung und Bodenverdichtung sowie den Anbau von Monokulturen verhindern. Und: Die Menschen, die wegen der Folgen der Klimaänderung ihre Heimat verlassen (müssen), würden uns in den nächsten Jahrzehnten vor eine gewaltige geopolitische Herausforderung stellen.

 

 

Von der Politik müssen endlich realistische Energiekonzepte und keine Gefälligkeitskonzepte entwickelt werden! Sepp Friedhuber

 

Alle Vortragenden waren sich einig: Jede(r) von uns sollte in ihrem/seinem persönlichen Bereich tun, was möglich ist - den Energieverbrauch senken, das Mobilitäts- und Konsumverhalten ändern und mit allen Ressourcen sparsam umgehen.

 

 

 

Text: Karin Astelbauer-Unger, Fotos: Sepp Friedhuber

Der Eisbär ist zum Symbol für den dramatischen Kimawandel geworden.
Der Temperaturanstieg bewirkt das Auftauen der Permafrostböden. Dadurch werden extrem klimaschädliche Gase wie Methan freigesetzt, die bei der Verrottung des organischen Materials im Boden entstehen
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