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Analyse: UN-Klimakonferenz 2015

Am 11. Dezember 1997 wurde in Japan das Kyoto-Protokoll mit dem Ziel des Klimaschutzes verabschiedet. Ganze achtzehn Jahre und einen Tag später wurde in Paris wieder Klimageschichte geschrieben. Doch was bringt das neue Abkommen?

Die Rekordwärme der letzten Jahre, die vielen Flüchtlinge aus Afrika sowie der zunehmende Smog in Indien und China haben Wirkung gezeigt. 195 Staaten haben auf dem Messegelände Paris - Le Bourget ein neues globales Klimaschutzabkommen unterzeichnet. 187 von ihnen haben bereits im Vorfeld oder bei der Konferenz ihre Ziele zur Senkung der Treibhausgasemissionen dokumentiert, die nun als verpflichtende Ziele in den neuen Vertrag übernommen werden. Auch wichtige Schwellenländer wie China, Indien und Brasilien haben sich entsprechende Ziele gesetzt. Die bisherigen Ziele reichen nämlich nicht aus, sie würden zu einer Erwärmung der Atmosphäre um 2,7 bis 3 Grad führen.

 

Im Klimaschutzabkommen 2015 ist das 2-Grad-Ziel verpflichtend festgeschrieben und ein wünschenswertes Ziel von 1,5 Grad formuliert. Alle fünf Jahre sollen die Umsetzungen überprüft und die nationalen Ziele weiter angepasst werden. Es ist zu hoffen, dass mit diesem Mechanismus eine neue Energierevolution eingeleitet wird, die sich in den nächsten Jahren hoffentlich selbst verstärken wird. Die Zivilgesellschaft ist gefordert, die Umsetzung kritisch zu begleiten und die nötigen Schritte einzufordern.

 

 

Noch viele Schlupflöcher

Das Abkommen kann in seinen Grundzügen als Fortschritt gesehen werden, weil in Zukunft nicht mehr gestritten werden muss, ob man das Klimaziel von maximal 2 Grad Erwärmung verfolgen muss, sondern darüber, wie man es am besten erreicht. Im Vertrag gibt es allerdings noch viele Schlupflöcher.

Das Ziel für die zweite Hälfte des Jahrhunderts heißt Klimaneutralität. Es sollen nicht mehr Treibhausgase emittiert werden, als von der Erde absorbiert werden können. Hier müssen die NGOs genau aufpassen, dass nicht die sogenannten Brückentechnologien ins Spiel kommen: also die Nutzung von Kernenergie, Schiefergasförderung durch Fracking und das äußerst problematische CCS-Verfahren (= Carbon Dioxide Capture and Storage, auf Deutsch CO2-Abscheidung und -Speicherung in den Boden; dadurch soll weniger CO2 in die Atmosphäre gelangen). Diese Technologien werden oft als einzige Möglichkeit genannt, um die vorerst bestehende Versorgungslücke zu schließen, bis die erneuerbaren Energien voll verfügbar sind. Da jedoch alle drei Technologien extrem umweltschädlich sind, stellen sie schon aus diesem Grund keine Alternative dar.

 

Mit dem derzeitigen Transportsystem ist Klimaneutralität sicher nicht zu erreichen. Das ganze Verkehrssystem muss daher radikal umgebaut werden.

 

Das Klimaschutzabkommen ist ein Kompromiss: Die Länder übernehmen selbst die Überprüfung ihrer erreichten Ziele, und es gibt keine Strafen für jene, die ihre Ziele nicht erreichen. Auch in dieser Beziehung sind die NGOs gefordert, wirksame Kontrollmechanismen einzufordern beziehungsweise Missachtung und Schwindel aufzuzeigen.

 

Afrika vor dem Abgrund

Für die Erwärmung der Atmosphäre sind vor allem die Industriestaaten verantwortlich. Unter dem Klimawandel zu leiden haben hingegen vor allem die armen Länder. „Besonders in Afrika ist die Situation mittlerweile dramatisch“, bestätigt Mamadou Mbodji, Präsident des Afrika-Netzwerks der Naturfreunde. Hunger und Krankheiten, Ausbeutung und Kriege hat es in Afrika auch vor dem Anstieg der globalen Temperatur gegeben. Doch der Klimawandel macht die Probleme auf dem zweitgrößten Kontinent der Erde noch bedrohlicher, als sie es ohnehin schon sind. Die Erderwärmung raubt den Menschen in Afrika zusehends die Lebensgrundlage.

Mamadou Mbodji hat auf der Weltklimakonferenz in Paris auf die Notlage Afrikas aufmerksam gemacht. Er referierte über den steigenden Meeresspiegel und über die Versalzung des küstennahen Bodens. „Mehr als 75 % der Bevölkerung Afrikas leben von der Landwirtschaft. Die Landwirtschaft wiederum ist zu 95 % von den Niederschlägen abhängig. Doch der Regen bleibt durch den Klimawandel aus. Man kann sich vorstellen, welche Auswirkungen das hat. Zusätzlich hat Afrika mit der Erosion des Bodens zu kämpfen. Der Meeresspiegel steigt, und die Ozeane überschwemmen das Land. Danach ist der Boden für die Landwirtschaft unbrauchbar. Zwei Drittel der Menschen in Afrika leben an der Küste. Ihr Lebensraum wird durch den Klimawandel Schritt für Schritt zerstört!“, warnt Mamadou Mbodji.

 

Klimagerechtigkeit

Daher ist die Anerkennung der Klimagerechtigkeit auch ein wesentlicher Schritt der Klimakonferenz in Paris. Jenen Ländern und Menschen, die unverschuldet unter dem Klimawandel leiden, muss finanziell geholfen werden. Ab 2020 sollen dafür jährlich 91 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden. Zusätzlich soll ein Versicherungssystem gegen Schäden durch Wetterextreme aufgebaut werden.

 

Was bedeutet das Abkommen für Österreich?

In Österreich muss es jetzt gelingen, den Umstieg auf 100 % erneuerbare Energien zu beschließen, eine diesbezügliche Energie- und Klimastrategie zu erarbeiten sowie die Umsetzung zügig in die Hand zu nehmen. Die Politik darf es nicht bei schönen Worten bleiben lassen. Eine sozial gerechte ökologische Steuerreform muss ausgearbeitet werden, es braucht mehr Geld für thermische Sanierung und höhere Umweltstandards bei Gebäuden sowie einen massiven Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Wenn wir diesen Umstieg schaffen, können wir viele Milliarden Euro für fossile Energiekosten sparen und Zehntausende Arbeitsplätze schaffen.

 

Fazit

Der Klimavertrag ist zurzeit nur Papier, er muss erst von den 195 Teilnehmerstaaten ratifiziert werden. Er verlangt tiefgreifende Reformen in allen Ländern, vor allem in den Industriestaaten. Unser auf der Verbrennung fossiler Rohstoffe beruhendes Wirtschaftssystem muss vollständig umgewandelt werden. Wir müssen also weiterhin dafür kämpfen, dass endlich ausreichend viele effektive Maßnahmen gegen die Klimaerwärmung gesetzt werden.

 

Text: Mag. Manfred Pils, Präsident der Naturfreunde Internationale, und DIin Regina Hrbek, Leiterin der Natur- und Umweltschutzabteilung der Naturfreunde Österreich

Mamadou Mbodji, Präsident des Afrika-Netzwerks der Naturfreunde, ist alarmiert: "Die Folgen des Klimawandels zerstören sukzessive die Lebensgrundlage der meisten Menschen in Afrika".
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