Neubacher Au, Niederösterreich, 7. März 2015: „Hier, das könnte was sein…“, ertönt eine Stimme aus dem Uferdickicht. Schritte kommen näher, kritische Blicke begutachten die Fraßspuren an den Stämmen. „Vielleicht auch ein anderes Tier“, werden Zweifel geäußert. Doch ein Vergleich mit den Abbildungen im Handbuch bringt die Sicherheit: eine Biberspur.
Elf Naturfreundinnen und -freunde sind seit den frühen Morgenstunden im Auwald an der Pielach unterwegs. Ausgerüstet mit Smartphones, in denen via App die Funde dokumentiert werden, sind sie auf der Suche nach Biberspuren. Die Fundorte werden sogleich in einer Übersichtskarte dargestellt. Wer unsicher ist, fügt ein Foto bei, damit Fachleute die Spur checken können.
Der Biber ist eine EU-weit geschützte Tierart. Nachdem er einst im Großteil Europas fast ausgerottet worden war, nimmt seine Zahl in den letzten Jahrzehnten wieder zu. Biber hinterlassen viele Spuren: Sie bauen Dämme, graben Röhren und fällen Bäume. Das führt immer wieder zu Konflikten zwischen Naturschützerinnen/-schützern und anderen Interessengruppen. Für eine sachliche Auseinandersetzung ist es wichtig, die Verbreitung des Bibers in Österreich zu kennen. Dazu soll auch das Bibermonitoring der Naturfreunde im Schutzgebiet „Pielach – Ofenloch – Neubacher Au“ beitragen.
Drei Monate später ist in diesem Schutzgebiet die 3 B der Neuen Mittelschule Loosdorf gemeinsam mit Projektmitarbeiterinnen und
-mitarbeitern der Naturfreunde zu Besuch. Diesmal geht es nicht um den Biber, sondern um gebietsfremde Pflanzen – sogenannte Neophyten –, die sich hier im Auwald besonders wohlfühlen und heimische Pflanzen immer mehr zurückdrängen. Eines der größten Sorgenkinder ist der Japanische Staudenknöterich, der im Auwald an vielen Stellen Reinbestände bildet. Um wirksame Gegenmaßnahmen setzen zu können, sind Daten über das Vorkommen und die Ausbreitung der rasch wachsenden Pflanze notwendig, die bis zu vier Meter hoch wird. Die SchülerInnen sind mit vollem Einsatz dabei. Sie kämpfen sich mit ihren Smartphones durch das Dickicht und dokumentieren die Wuchsorte. Mit den Arten und Lebensräumen im Auwald sind die Kids bereits bestens vertraut: Sie haben ein Jahr zuvor gemeinsam mit den Naturfreunden eine Broschüre über das Schutzgebiet gestaltet, die Erholungsuchende zu einem rücksichtsvollen Aufenthalt in der Natur motivieren soll.
Im Kärntner Sablatnigmoor sind Mitte Juni SchülerInnen der 1 A der Neuen Mittelschule Eberndorf ebenfalls zur Erhebung von Neophyten, vor allem des Indischen Springkrauts, ausgerückt. Zwei Wochen nach der Erhebung geht es diesem Eindringling an den Kragen: Gemeinsam mit Mitgliedern der Naturfreunde rupfen die Kinder das Springkraut aus – gerade rechtzeitig vor der Samenreife im Hochsommer. Damit wird verhindert, dass sich die Pflanzen noch weiter verbreiten. Angeleitet wird die Gruppe von Thomas Schneditz, dem Naturschutzreferenten der Naturfreunde Kärnten. Er kennt das Schutzgebiet wie seine Westentasche und leitet schon seit vielen Jahren Führungen durch das Moor. „Für die Kinder ist es ein Erlebnis, selbst mit anzupacken und zur Erhaltung der Artenvielfalt in einem Naturschutzgebiet ihrer Region beizutragen“, freut sich der engagierte Zoologe, der sich auch der Dokumentation und Bekämpfung von Neophyten im Sablatnigmoor widmet.
Die Neubacher Au und das Sablatnigmoor sind die beiden Pilotregionen des Projekts „Act for Nature“ von MUTTER ERDE, der Umweltinitiative von ORF und den führenden österreichischen Umwelt- und Naturschutzorganisationen. Beide Gebiete sind Teil des EU-weiten Natura-2000-Schutzgebietsnetzwerks, das den grenzüberschreitenden Schutz europaweit gefährdeter Arten und Lebensräume zum Ziel hat. Davon profitiert auch die Bevölkerung: Natura-2000-Gebiete tragen als Naherholungsräume zu ihrer Lebensqualität bei, unterstützen als attraktive Ausflugsziele einen sanften Tourismus und erlauben zugleich die Fortführung einer traditionellen land- und forstwirtschaftlichen Nutzung.
Ziel von „Act for Nature“ ist es, durch die Beteiligung Ehrenamtlicher eine regelmäßige Erfassung von naturschutzfachlich relevanten Daten und die Initiierung notwendiger Maßnahmen zu unterstützen. In Zeiten, in denen immer weniger öffentliche Gelder für den Naturschutz zur Verfügung gestellt werden, kommt dem Einsatz freiwilliger HelferInnen zum Schutz der Natur eine besondere Bedeutung zu. Zugleich ist die Einbeziehung der Bevölkerung auch ein wichtiger Schritt zu mehr Akzeptanz von Naturschutzmaßnahmen: Gelingt es, die Menschen für die Naturschätze ihrer Region zu begeistern und ihnen die positiven Aspekte des Naturschutzes zu vermitteln, wird ein wichtiger Beitrag zur Erhaltung der Schutzgebiete geleistet.
Das genaue Hinschauen, das bei den Kartierungen und Pflegeeinsätzen nötig ist, eröffnet einem die verborgenen Schätze der Natur. Robert Buchegger, Vorsitzender der Naturfreunde Loosdorf, die seit fast zwanzig Jahren Müllsammeltage im Schutzgebiet durchführen, war beim Bibermonitoring mit dabei: „Beim Monitoring sieht man das Schutzgebiet mit anderen Augen. Auf der Spurensuche habe ich ganz neue Facetten der Natur entdeckt, die mir bis jetzt nicht aufgefallen sind, obwohl ich schon so oft im Gebiet unterwegs war.“
Die Entfernung des Mülls wurde übrigens 2015 erstmalig per Smartphone-App dokumentiert. Damit gewann man wertvolle Daten über die Art und Menge des Mülls, die Rückschlüsse über mögliche Ursachen für die Verschmutzung erlauben, und über die „Hotspots“ der Verschmutzung. Dies hilft, die Müllsammlung in Zukunft effizienter zu gestalten und Maßnahmen gegen die Verschmutzung des Schutzgebiets zu ergreifen.