Das Gespräch führten Karin Astelbauer-Unger, DIin Regina Hrbek, Leiterin der Abteilung Natur-, Umweltschutz und Hüttenmanagement der Naturfreunde Österreich, und DIin Irene Raffetseder, Bundesgeschäftsführerin der Naturfreundejugend. Fotos: xxx
Katharina, wie bist du auf die Idee gekommen, das Buch „Ändert sich nichts, ändert sich alles“ zu schreiben?
Nach meinem ersten langen Ö1-Interview ist die Lektorin des Verlags auf mich zugekommen und hat gemeint, dass ich alles so gut erklären kann und darüber unbedingt ein Buch schreiben muss. Das war vor der Eintragungswoche der Unterstützungserklärungen für das Klimavolksbegehren. Deshalb habe ich zuerst gesagt, ich könne mir das nicht vorstellen. Doch dann fiel die Entscheidung, das Buch gemeinsam mit Florian Schlederer, einem guten Freund, der auch in der Klimabewegung aktiv ist, zu schreiben. Dann kam Corona. Und wir hatten auf einmal die Zeit dazu, da alle Veranstaltungen abgesagt wurden. Das Ziel war, die Ereignisse der beiden vorangegangenen Jahre zusammenzufassen. Wir wollten zeigen, was in dieser Zeit passiert ist, was es jetzt braucht, was der Stand der Wissenschaft ist. Das Buch ist ein Einstieg in das Thema, sich damit auseinanderzusetzen und danach die Grundlagen zu haben, darüber zu diskutieren.
Österreich will 2040 klimaneutral sein, doch niemand weiß den Weg dahin!
Seit dem Entstehen der Fridays-for-Future-Bewegung und dem Klimavolksbegehren hat sich in Österreich einiges getan: Das Erneuerbaren-Ausbaugesetz (EAG) wurde beschlossen, die ökosoziale Steuerreform vorgestellt. Was bedeutet das für den Kampf gegen den Klimawandel?
Katharina Rogenhofer: Allgemein kann man sagen, wir haben kleine Schritte gemacht. Vor allem dank der Fridays-for-Future-Bewegung kommt heute niemand mehr am Thema Klimaschutz vorbei. Das EAG war schon jahrelang überfällig. Damit haben wir endlich ein Gesetz, das beim Ausbau erneuerbarer Energiequellen hilft. Die verkündete Steuerreform wird mit dem Einstiegspreis von 30 Euro pro Tonne CO2 ab Juli 2022 jedoch wenig Lenkung in Richtung klimafreundliches Verhalten bringen. Der ökologische Lenkungseffekt startet laut Wissenschaft erst bei ca. 50 Euro pro Tonne Einstiegspreis. 2025 sollte der Preis je Tonne CO2 bei 100 Euro und nicht wie von der österreichischen Regierung vorgesehen bei 55 Euro liegen.
Ich befürchte, dass die Steuerreform in Zukunft als Ausrede benutzt werden wird, andere Gesetze, die für die Klimawende nötig wären, langsamer anzugehen oder gar nicht zu beschließen. Da es Österreich nicht schaffen wird, die Emissionen mit der CO2-Steuer zu reduzieren, braucht es jetzt vor allem ein Klimaschutzgesetz mit einem verbindlichen Reduktionspfad. Wenn es gut geht, wird das neue Klimaschutzgesetz im Frühjahr 2022 vorliegen. Dann hat Österreich mehr als ein Jahr lang kein Klimaschutzgesetz gehabt. Wir leben im Zeitalter der Klimakrise, sollten so schnell wie möglich dagegen vorgehen und haben keine nationalen Klimaziele!
Neben dem Klimaschutzgesetz fehlt auch ein Erneuerbaren-Wärmegesetz. In Österreich gibt es 600.000 Öl- und 900.000 Gasheizungen, die ausgetauscht werden müssen. Derzeit ist Österreich sehr weit davon entfernt, seine Emissionen langfristig zu reduzieren. Es will 2040 klimaneutral sein, doch niemand weiß noch den Weg dahin.
Mobilität: Von der Besitzwirtschaft zu einer Sharing Economy
Seit Oktober 2021 gibt es das österreichweite Klimaticket. Was muss im Verkehrsbereich noch passieren?
Man muss den öffentlichen Verkehr leistbarer und attraktiver machen. Das österreichweite Klimaticket ist ein wichtiger erster Schritt. Die Dreier-Stufe bezieht sich auf ganz Österreich. Aber so viele Leute pendeln nicht durch mehrere Bundesländer. Es wäre daher ein großer Hebel, in allen Bundesländern auch die Einser-Stufe einzuführen.
Wenn man nicht auf den öffentlichen Verkehr umsteigen kann, weil man vom nächsten Verkehrsmittel zu weit weg wohnt oder in einer Region lebt, wo nur sehr selten ein Bus fährt, wird es schwierig. Daher muss zusätzlich das Angebot ausgebaut werden. Für Gebiete, in denen es sich nicht auszahlt, eine Bahn- oder eine Buslinie zu betreiben, gibt es bereits Konzepte wie Rufbusse und Sammeltaxis. In Gegenden, in denen so wenige Menschen leben, dass sich auch diese Konzepte nicht lohnen, könnten sich mehrere Haushalte ein Auto teilen. Man kann Fahrgemeinschaften gründen und damit den Ressourcenverbrauch reduzieren. Wir müssen weg von der Besitzwirtschaft und hin zu einer Sharing Economy, also zu einer Wirtschaft, in der man mehr Dinge teilt und damit öfter nutzt.
Wie sieht das Reisen in Zukunft aus?
Für Reiseziele, die über den Landweg erreichbar sind, wird es Zug- oder Busverbindungen geben. Nur für absolut notwendige Reisen wird man mittelfristig Flugzeuge nutzen. Die dadurch entstehenden Umweltschäden müssten aber voll in den Ticketpreis eingerechnet werden. Billige Flugtrips übers Wochenende darf es nicht mehr geben.
Die Politik in die Verantwortung nehmen
Nur hundert Kohle-, Öl- und Gaskonzerne sind für 71 (!) Prozent der weltweiten Treibhausgase verantwortlich. Dennoch wird seit Jahrzehnten propagiert, dass jede(r) von uns die Macht hätte, die Menschheit schon allein beim täglichen Einkaufen zu retten, wie du es in deinem Buch formulierst. Was können private Haushalte tatsächlich tun?
Man kann ausrechnen, wie viel Fläche man für seinen jetzigen Konsum braucht. Nur dadurch, dass ich in Österreich lebe, habe ich schon einen grauen Fußabdruck von 1,5 Hektar. 1,6 Hektar sind das verträgliche Maß. Wir starten also schon fast an der Grenze, die wir nicht überschreiten sollten. Da haben wir aber noch nicht einmal geatmet, sind noch nicht zur Arbeit gefahren, haben noch nichts konsumiert, usw. Alles, was darüber hinausgeht, können wir bis zu einem gewissen Grad beeinflussen, oft aber selbst das nicht. Wo es keine Öffis gibt, kann man auch nicht auf Öffis umsteigen, nicht jede(r) kann sich klimafreundliche Produkte leisten.
Es gibt drei Faustregeln, die dennoch etwas bewegen können. Die erste ist, Häuser zu dämmen und anders zu heizen, erneuerbare Energie zu beziehen. Das ist der größte Hebel, den wir haben - falls uns die Möglichkeit offensteht. Ich wohne in einem Mehrparteienhaus in Wien, ich kann mein Heizsystem nicht so einfach umstellen. Der zweite Hebel ist, nicht zu fliegen, weil beim Fliegen extrem viele Treibhausgase ausgestoßen werden. Die dritte Faustregel: weniger oder kein Fleisch essen. Pflanzliche Produkte sind quasi immer weniger CO2-intensiv. Diese drei Faustregeln sind große Hebel in unserem individuellen Leben.
Der graue Fußabdruck zeigt aber, dass wir schon sehr viel institutionalisiertes CO2 haben, wofür wir nicht verantwortlich sind. Deswegen ist es wichtig, dass wir den Schritt ins Politische tun. Ich als Individuum entscheide nicht, wohin Busse und Züge fahren, ich als Individuum entscheide nicht, wie lange noch Öl, Kohle und Gas nach Österreich importiert werden, das entscheidet die Politik. Wir müssen uns daher zusammenschließen und einfordern, dass Veränderung auf politischer Ebene passiert. Mit Gesetzen kann man den Rahmen so ändern, dass alle sich für klimafreundliche Lösungen entscheiden können. Individuelle Entscheidungen zu treffen ist wichtig, um den persönlichen Fußabdruck zu reduzieren, aber diesen großen Brocken, auf den wir individuell kaum oder gar keinen Einfluss haben, muss die Politik angehen. Daher müssen wir die Politik in die Verantwortung nehmen.
Was können Kinder und Jugendliche tun?
Sehr viel! Mit den Eltern und in der Schule darüber reden, Referate machen, eigene Projekte auf die Beine stellen. Sie sollten am besten das tun, was ihnen Spaß macht: fotografieren, recherchieren, auf Social Media unterwegs sein, Briefe mit Klimaschutzforderungen an Politikerinnen und Politiker schreiben, etc. Sie können sich auch in Jugendnetzwerke diverser NGOs - etwa bei der Naturfreundejugend - einbringen und/oder sich beim Klimavolksbegehren oder bei Fridays for Future engagieren.
Abschließend möchte ich sagen, dass es nicht nur wichtig ist, Emissionen zu reduzieren, weil wir der Klimakrise entgegenwirken wollen, sondern weil wir dadurch auch eine bessere Welt schaffen können. Wenn uns die Klimawende gelingt, ist die Welt sauberer und gesünder. Wir haben bessere Luft, wir haben belebte Orts- und Stadtzentren, wir können klimafreundlich von A nach B kommen, und alle können es sich leisten, klimafreundlich zu leben. Wir produzieren die von uns benötigte Energie vor Ort, was auch geopolitisch enorme Vorteile hat, haben doch viele Konflikte mit Ressourcenknappheit zu tun. Wenn wir energiepolitisch unabhängig sind, hat das nicht nur für das Klima Vorteile, sondern bedeutet auch eine friedlichere Welt.
Katharina Rogenhofer, geboren 1994 in Wien, studierte Zoologie an der Universität Wien sowie Nachhaltigkeits- und Umweltmanagement in Oxford. 2018 holte sie mit weiteren Aktivistinnen und Aktivisten die Fridays-for-Future-Bewegung nach Österreich, 2019 übernahm sie die Leitung des Klimavolksbegehrens.
Das österreichische Klimavolksbegehren, das vom 22. bis 29. Juni 2020 auflag, wurde von 380.590 Menschen unterschrieben. Es fordert die Verankerung des Klimaschutzes in der Verfassung sowie den Klimaschutz unterstützende Gesetze, um damit die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu beenden. Diese unabhängige und überparteiliche Klimaschutzinitiative möchte alle Menschen in Österreich vertreten, die für einen mutigen Klimaschutz sind. Sie versteht Klimaschutz nicht als Verantwortung einzelner Personen, sondern der gesamten Gesellschaft. Die Politik müsse daher die gesetzlichen Rahmenbedingungen schaffen, die allen eine lebenswerte und faire Zukunft sichern. Die Naturfreunde unterstützen das Klimavolksbegehren seit Anbeginn und tragen die Forderungen sowie Ziele des Klimavolksbegehrens mit.
Katharina Rogenhofer und Florian Schlederer
Ändert sich nichts, ändert sich alles. Warum wir jetzt für unseren Planeten kämpfen müssen
Paperback, 288 Seiten, Paul Zsolnay Verlag, Wien 2021, 20,95 €
In diesem sehr persönlich geschriebenen Buch finden sich sowohl viele Fakten über die Klimakrise als auch „eine mutige Vision zwischen zwei Fachbuchdeckeln“. Die große Frage: In welcher Zukunft wollen wir leben?