Text: Reinhard Dayer, langjähriger Bundesgeschäftsführer der Naturfreunde Österreich
Der Nationalpark Hohe Tauern feiert heuer sein 40-Jahr-Jubiläum. Er ist der älteste und mit 1856 km² der größte Nationalpark Österreichs. Seiner Errichtung liegen eine wechselvolle Geschichte und ein langjähriges Tauziehen um widerstrebende Interessen von Seiten des Naturschutzes, des Tourismus und der Energiewirtschaft zugrunde. Die Idee und das Bestreben der Naturfreunde, des Alpenvereins, verschiedener Naturschutzorganisationen sowie einer für Natur- und Umweltschutz sensibler gewordenen Gesellschaft, in den Hohen Tauern einen Nationalpark zu errichten, reichen bis in die 1950er-Jahre zurück.
Doch erst am 21. Oktober 1971 dokumentierten die Landeshauptleute von Kärnten, Salzburg und Tirol in der Erklärung von Heiligenblut den Willen, den Nationalpark zu errichten. Damit sollten die Hohen Tauern – ich zitiere – als ein besonders eindrucksvoller und formenreicher Teil der österreichischen Alpen in ihrer Schönheit und Ursprünglichkeit als Beispiel einer für Österreich repräsentativen Landschaft und zum Wohle der Bevölkerung, zum Nutzen der Wissenschaft und zur Förderung der Wirtschaft für alle Zukunft erhalten werden.
So sehr uns Naturfreunde die politische Willenskundgebung von Heiligenblut mit großer Genugtuung erfüllte, der Weg bis zur gesetzlichen Verankerung des Nationalparks war noch ein langer. Pläne für ein gigantisches Kraftwerksprojekt in Osttirol, das eine Ableitung von 26 Gletscherbächen im Innergschlöß, inklusive der Isel mit den berühmten Umbalfällen, und einen Großspeicher im Dorfertal mit einer 220 Meter hohen Staumauer bedeutet hätten, sowie die Absicht, den Großvenediger und den Sonnblick in Rauris für den Schitourismus zu erschließen, widersprachen fundamental der Schutzidee des Nationalparks. Es bedurfte allergrößter Anstrengungen mit Diskussionen und Informationsveranstaltungen vor Ort, um bei der betroffenen Bevölkerung, die nicht immer für einen Nationalpark war, Verständnis zu schaffen und Unterstützung für die Schutzidee zu bekommen. Mit intensiver Medienarbeit wurde Druck auf die Entscheidungsebenen der Landes- und Bundespolitik ausgeübt. Erfreulicherweise siegte die Idee eines länderübergreifenden Nationalparks, der auf Basis von Landesgesetzen 1981 in Kärnten, 1984 in Salzburg und erst 1992 in Tirol realisiert wurde. Als gemeinsames Gründungsjahr gilt das Jahr 1981.
Am Höhepunkt der Auseinandersetzung um das geforderte Schutzgebiet starteten die Naturfreunde Ende der 1970er-Jahre die Informationskampagne „Aktiv für den Nationalpark Hohe Tauern“. Sie sammelten 120.000 (!) Unterstützungsunterschriften und erreichten dadurch, dass das österreichische Parlament am 28. November 1980 eine Enquete zum Thema Nationalpark Hohe Tauern abhielt, an der alle Interessengruppen teilnahmen.
Einen Beitrag, der für die Naturfreunde mit viel Arbeit und großem finanziellem Einsatz verbunden war, kann man am Fuße des Sonnblicks erleben. Die Naturfreunde Hatten 1924 im Sonnblickgebiet ein 11 km² großes Grundstück erworben, das sie 1980 in das Nationalparkgebiet einbrachten. In mehrjährigen Ferienaktionen der Naturfreunde errichteten engagierte Jugendliche aus ganz Österreich und Deutschland nationalparkgerechte Wege: einen Familienwanderweg, einen Gletscherschaupfad und den Tauerngold-Rundwanderweg, der zu historischen Goldgräberstätten führt. Mit der Generalsanierung der im Besitz der Naturfreunde befindlichen Hütten, die in der Hochblüte des Goldbergbaus errichtetet worden waren, entstand im Talschluss von Kolm-Saigurn eine Modellregion für sanften Qualitätstourismus.
Der Nationalpark Hohe Tauern – das ist meine feste Überzeugung – ist das Ergebnis einer intensiven, sachorientierten Zusammenarbeit von Vereinen, engagierten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, Politikerinnen und Politikern aus verschiedenen Parteien sowie unzähliger idealistischer Frauen und Männer in den Nationalparkgemeinden, in der Bürgerinitiative in Kals und bei den Naturfreunden, die zu nennen den Umfang dieses Magazins sprengen würde. Stellvertretend für alle nenne ich Oberforstrat DI Toni Draxl aus Osttirol, Manfred Schwarzenberger aus Rauris und den langjährigen Präsidenten der Naturfreunde Österreich Dr. Heinz Fischer. Persönlich bin ich dankbar, dass ich das Projekt Nationalpark Hohe Tauern an vorderster Front erfolgreich begleiten und zum Abschluss bringen konnte.
Naturfreunde-Hütten im Nationalpark Hohe Tauern
Im Nationalpark Hohe Tauern stehen vier gemütliche Hütten der Naturfreunde: die Märchenkarhütte für SelbstversorgerInnen, das Schutzhaus Neubau, das Naturfreundehaus Kolm-Saigurn (Sonnblickbasis) und die Zimmererhütte, die eine Nationalpark-Informationsstelle und komfortable Ferienwohnungen beherbergt.
Weitere Infos: naturfreunde-huetten.at