Die Leiser Berge, der Staatzer Berg, das Kreuttal, der Michelberg und der Waschberg sind vielleicht bekannt. Aber wer kennt schon den Buchberg, den Haberg, den Kohlberg, den Galgenberg oder den Steinberg? Selbst das Weinviertler Höhenmaximum hoch über dem Kamptal, der Manhartsberg, 537 m, ist so manchem kein Begriff. Statt von Gipfelzielen (und Gipfelbussis) werden die Touren also mehr von der Landschaft geprägt, und der Slogan „Der Weg ist das Ziel“ könnte im Weinviertel erfunden worden sein.
Da die Höhenunterschiede gering sind, kommen Genusswanderinnen und -wanderer voll auf ihre Rechnung. Die Touren weisen eine spezielle Charakteristik auf, was natürlich an der Landschaft liegt. Im Gegensatz zum Waldviertel etwa sind im Weinviertel größere geschlossene Waldbereiche selten. An ihre Stelle treten intensiv genutzte Felder und Äcker. Das verspricht Aussicht auf Schritt und Tritt, und so reichen schon einige Dutzend Höhenmeter, um ein weitreichendes Panorama zu genießen: Der Blick reicht vom Ötscher über den Schneeberg bis zum Wienerwald und zu den Kleinen Karpaten. Auch die Wiener Großstadtsilhouette mit ihrer steigenden Zahl an Wolkenkratzern gerät immer wieder ins Blickfeld des scharfen Auges.
Der Wandel der Jahreszeiten wird im Bauernland zum Naturerlebnis für alle Sinne: Im Frühsommer blühen die angebauten Gemüsesorten wie Erdäpfel und Zucchini, sowie Raps und Hanf, und die Sonnenblumen wenden sich nach der Sonne. Die Getreidefelder wogen im meist milde wehenden Wind hin und her. Im Sommer ist Erntezeit, und die Flächen werden Zug um Zug wieder kahl. Obstbäume verteilen sich sporadisch am Wegesrand und tragen Kirschen, Marillen, Pfirsiche, Äpfel, Birnen, Zwetschken und Nüsse. Wenn im kalten Spätherbst der Nebel einfällt, kann es schon recht trostlos und trübselig zugehen. Der Winter ist im Weinviertel kalt, aber selten schneereich und daher weiterhin wanderbar. Und im Frühling erwacht mit den längeren und wärmeren Tagen wieder die Lust auf gemütliche, entspannte Wanderungen.
Die sanftwellige Landschaft hat einen zugegebenermaßen etwas beliebig-eintönigen Charakter, der aber immer wieder durch reizvolle Kleinbiotope konterkariert wird. Vor allem in den Weinviertler Randgebieten erwarten einen auch großartige Naturlandschaften, wie im Kamptal, im Nationalpark Thayatal oder in den Marchauen. Und zahlreiche Erhebungen präsentieren eine typische Trockenrasenvegetation, wie im Naturpark Leiser Berge und rund um die Burgruine Falkenstein.
Neben dem beschaulichen Wandern übers Land bilden kulturelle Sehenswürdigkeiten den zweiten Tourenschwerpunkt. Auf Schritt und Tritt trifft man auf Kleindenkmäler in Form von Bildstöcken, Wegkreuzen und Kapellen. Burggrabenanlagen wie am Hausberg von Gaiselberg stammen aus dem Hochmittelalter, Hügelgräber (die „Pyramiden des Weinviertels“) reichen in die Hallstattzeit (8.-5. Jahrhundert vor Christus) zurück, Kreisgräben sind sogar 7000 (!) Jahre alt, ihre Grundrisse werden heute durch Ausmähen von Feldern nachgezeichnet und Infotafeln erklären ihre Bedeutung.
Wohldurchdachte Touren berühren zwangsläufig immer wieder auch Dörfer und Kleinstädte, und dort gibt es allerhand Baudenkmäler zu entdecken und zu besichtigen: Stadtmauern, historische Plätze, mittelalterliche und barocke Kirchen, Ruinen, Schlösser und Schlossgärten. Beispielhaft, weil einigermaßen bekannt, seien Eggenburg, Retz, Horn und Pulkau genannt. Ein kurzer Abstecher über die Grenze nach Tschechien beschert einzigartige Erlebnisse in der UNESCO-Weltkulturerberegion Lednice-Valtice oder in Mikulov und in den Pollauer Bergen. Auf kürzeren Wanderungen können auch Museen besichtigt werden (Museumsdorf Niedersulz, Urgeschichtemuseum Niederösterreich in Asparn/Zaya, Museumsmix am Heldenberg, Retzer Erlebniskeller, Museumszentrum Mistelbach), und natürlich bieten sich gepflegte Gasthäuser und Konditoreien für eine gemütliche Einkehr an.
Party ist angesagt in den Kellergassen, dachte sich der Autor dieser Zeilen. Weit gefehlt! Kellergassen sind keine Gastromeilen, sondern die meiste Zeit des Jahres stille Stätten, wo der Wein in den Kellern hinter den Presshäusern lagert und an Qualität gewinnt. Über die Termine der berühmten, über das ganze Jahr verteilten stimmungsvollen Kellergassenfeste muss man sich genau informieren, damit man die lebensfrohe Seite dieser „Häuser ohne Schornsteine“ und damit unverfälschte Dorfkultur erleben kann.
Auch der Heurigenkalender will genau studiert sein, denn die einfachen Lokale, die meist nicht in den Kellergassen, sondern in den Dörfern angesiedelt sind, haben nicht immer ausgesteckt, und wenn ja, dann ist meist erst ab 16 Uhr Betrieb. Die Weinviertler Leitsorte, der Grüne Veltliner, ist, verbunden mit der Qualitätsbezeichnung DAC, zu einem international renommierten Markenartikel geworden, und ein Fläschchen davon wird am Ende des Tages als Mitbringsel den Wanderrucksack sicher nicht übermäßig belasten …
Text und Fotos: Mag. Csaba Szépfalusi, Wanderführer, Redakteur und Buchautor