Text und Fotos: Thomas Rambauske, Buchautor
Den ganzen Tag lang über allen Gipfeln, nah am Himmel und tief hinein ins Herz eines Naturschutzgebietes zu lustwandeln, macht den sogenannten Drei-Seen-Weg zu einem der schönsten Höhenwanderungen Österreichs. Genau deshalb sind meine Begleiterin und ich bei der Bergstation der Neunerköpfle-Seilbahn, dem Startpunkt der Tour, nicht allein. Macht nichts, schnell löst sich der Pulk auf, und wir marschieren schauend und genießend auf dem Saalfelder Höhenweg fast eben dahin durch den siebten Wanderhimmel. Um uns eine traumhafte Kulisse aus Wiesen, Grasbergen und seltener Alpenflora. Sobald wir in die Strindenscharte gelangen, bauen sich die wuchtigen Berggestalten der Leilachspitze und der Luchsköpfe vor uns auf. Ja, es ist hier so: Kaum glaubt man, das schönste Panorama vor sich zu haben, zeigt sich hinter der nächsten Kurve schon das nächste schönste Panorama.
Auf den höchsten Punkt unserer Himmelstour, die Schochenspitze (2069 m), führt ein schmaler und kurviger Wiesenpfad. Eh klar, das Gipfelpanorama toppt alle anderen bisher erlebten Ansichten: ringsum ein unendliches Meer von Spitzen, Zinnen und Graten, von felsigen Karen, samtenen Grasmatten und schattigen Tälern. Der nahe Traualpsee nimmt das Thema des folgenden Wegabschnitts vorweg: Wasser.
Über Geröllfelder steigen wir zu einer Lacke namens „Lache“ ab. Über ihr thront die Landsberger Hütte (1810 m). Hier einzukehren und sich für die nächste Etappe aufzupäppeln ist ein Erlebnis für sich, zumal man in den mit Zirben bewachsenen Karstufen rund um die Hütte mit Glück selten gewordene Vogelarten wie den Birkenzeisig, den Zitronengirlitz oder die Ringdrossel beobachten kann.
Dann folgt die gehtechnisch anspruchsvollste Etappe des Tages: der steile Abstieg durch eine felsdurchzogene Steilstufe. Der Weg rutschig, manchmal abschüssig und mit Seilen gesichert. Langsam nähern wir uns einem Wasserfall und dem Traualpsee auf der Oberen Traualpe. Der ehemalige Karsee beeindruckt durch seine grün-türkisen Farbspiele und seine Kulisse, die von der Roten Spitze und dem Geierköpfle dominiert wird. Schaupause.
Nach einer weiteren Stunde ist auch der Vilsalpsee (1165 m) erreicht – Herz und größter Schatz des Naturschutzgebiets Vilsalpsee. Welch wunderschöne Landschaft! Rund 700 verschiedene Pflanzen- und Tierarten beherbergt sie, darunter den Alpensalamander und die Erdkröte; sogar der sehr selten gewordene Haubentaucher findet hier perfekte Brutplätze.
Wir lassen uns viel Zeit, wenn wir das Ufer entlang wandern, die vielen Farben des Wassers und die prächtige Szenerie auf uns wirken lassen. Am Ostufer des Sees kann man entweder den Bus nach Tannheim besteigen oder von hier aus auf einem Waldweg (45 Min.) nach Tannheim (Talstation der Neunerköpfle-Seilbahn) wandern.
Schwierigkeit: ooo
Toureninfo: 5,5 Std./14 km/450 Hm ↑, 1100 Hm ↓
Ein überaus abwechslungsreich angelegter Weg, bezaubernde Blicke über malerische Landschaften und die Bad Kissinger Hütte am Aggenstein machen den Gräner Höhenweg zu einem der lohnendsten Touren im Tannheimer Tal.
Den Auftakt macht ein Waldmarsch von Grän-Lumberg (1138 m) bis zu einem Joch unweit der Bad Kissinger Hütte (1788 m). Wir wollen auftanken und peilen die Hütte an. Wie ein Adlerhorst schmiegt sie sich an den Hang des Aggensteins (1986 m), dessen Besteigung 30 Minuten Mehrzeit und Trittsicherheit verlangt. Aber auch von der Hütte hat man einen tollen Ausblick: im Norden das endlos weit wirkende bayerische Alpenvorland und im Süden das Gipfelmeer der Nordtiroler Bergwelt.
Zurück zum vorhin erwähnten Joch marschieren wir weiter Richtung Füssener Jöchle. Der folgende Wegabschnitt durch das Dachgeschoss des Gebirgsstocks wird der Bezeichnung „Höhenweg“ mehr als gerecht! Schauend und sich wie Könige fühlend wandern wir abwechselnd über ein paar harmlose Felsstufen, durch Weide- und Waldgebiet bis zur Sebenalpe (1650 m). Hier durchqueren wir einen Almkessel und steigen durch Latschengassen zum Sefensattel hinauf. Beeindruckend der Blick zum Gimpel, zur Roten Flüh und Köllenspitze. Und auch der letzte Abschnitt zum Füssener Jöchle (1818 m, Seilbahn-Bergstation) beschenkt uns mit reichlich Schaugenuss. Von hier kann man entweder mit der Seilbahn nach Grän hinunterschweben oder zu Fuß (Weg 412, 10 und 411) nach Lumberg absteigen.
Toureninfo: 5 Std./14 km, je 950 Hm ↑↓
Der Bschießer (1998 m), der Berg westlich von Tannheim, heißt auf Tirolerisch „Bscheißer“. Laut Duden bedeutet „bescheißen“ betrügen, übervorteilen. Was die Frage aufwirft, inwiefern dieser Berg uns betrügen möchte. Wir versuchen, dem Geheimnis auf die Spur zu kommen, und beginnen mit unseren Nachforschungen bei der Talstation der Wannenjochbahn in Schattwald. Dem Stuibenbach folgend steigen wir durch Wald bergauf, passieren einige schmuck gelegene Bankerln und Kreuze, ehe wir bei der Talstation eines kleinen Lifts aus dem Wald treten. Vor uns baut sich – mächtig und unnahbar – unser Bscheißer auf. Ob er uns mit seiner abweisenden Kostümierung übers Ohr hauen will?
Nach einer Wegkreuzung erreichen wir eine Kuhweide, über die wir bergan wandern. Umgeben von einer wunderschönen Szenerie aus Almen, kleinen Rinnsalen und Felsgipfeln steigen wir etwas mühsam über die Untere, dann über die Obere Stuibenalm aufwärts, bis wir in ein kleines Joch gelangen. Der Blick Richtung Gipfel riecht nach Betrug: Vortäuschend, dass es dorthin bloß ein Katzensprung sei, streckt sich der Weg noch ordentlich...
Weiter ansteigend umgehen wir den Bischofsmann, aufgeregte Murmeltiere sorgen mit ihrem Gepfeife für die Hintergrundmusik. Nicht nur unsere Gipfelannäherung, sondern auch die bayerisch-tirolerische Grenze verläuft über einen breiten Wiesengrat, der grandiose Ausblicke über die Allgäuer gewährt. Es lohnt sich aber auch, den Blick auf das ganz Nahe zu lenken, wo man seltene Pflanzen entdecken kann.
Die zwar gerölligen, aber völlig einfachen Gipfelkurven entblößen die großmaulige Maskerade von vorhin als Täuschungsmanöver. Der Bscheißer gibt sich aus der Ferne gesehen als uneinnehmbare Felszinne, entpuppt sich jedoch letztlich als harmloser Grashügel. Im Ernst: Der Name leitet sich angeblich vom Wort „beschießen“ ab, was auf die Geröll- und Lawinengefahr hindeutet, mit der an diesem Berg besonders im Winter zu rechnen ist. Über einen solchen im Winter riskanten Steilhang geht es nun hinunter zum Güntle. (Von hier aus könnte man in wenigen Minuten den Gipfel des 2045 m hohen Ponten erreichen.) Weiter geht es in Serpentinen über die Stuibenalpe zur bewirtschafteten Stuiben-Sennalpe, wobei einen stets der Blick ins Tal hinunter begleitet. Danach wandern wir auf einer asphaltierten Zufahrtsstraße zum Ausgangspunkt bei der Talstation der Wannenjochbahn.
Schwierigkeit: oo
Toureninfo: 5 Std./11 km/je 900 Hm ↑↓