Gerhard Schaar, Local und Autor des ersten Kletterführers über diese Gegend, stellt im Folgenden das wetterbegünstigte Klettereldorado im Nationalpark Hohe Tauern vor.
Im 10. Jahrhundert wird das Maltatal erstmals urkundlich als „locus malontina“, als „steinerne Gegend“, erwähnt. Diese Bezeichnung hätte nicht besser gewählt werden können. Denn im Hinteren Maltatal gibt es unzählige Felswände und große Granitberge, die das Tal zu einem der felsreichsten der gesamten Ostalpen machen.
Das Maltatal hat wegen seiner gut zwei Dutzend Wasserfällen den poetischen Beinamen „Tal der stürzenden Wasser“ bekommen.
Klettern im Maltatal bedeutet, sich in einer Kulturlandschaft aufzuhalten, solange man in Talnähe unterwegs ist. In den Gebieten vom Rödernwand-Pfeiler bis hin zur Kreuzwand genießt man einen wunderbaren Ausblick auf die grünen Felder. Durch ihre Mitte fließt ruhig die Malta dahin. Ihre Gelassenheit spiegelt den „vibe“ wider, um es modern zu sagen, der hier im Tal herrscht. Das Maltatal holt dich runter! Das wird umso offensichtlicher, je weiter man nach oben kommt.
Über die Malta-Hochalmstraße öffnet sich einem der Weg in die Bergwelt, zuerst in den alpinen Teil mit den Klettergebieten „Lackenkopfwand“ auf ca. 1400 m, „Seenplatten“ auf 1700 m, „Langkar“ auf 2200 m oder bei der Kattowitzer Hütte auf 2400 m. Und letztlich in den hochalpinen Bereich, in die Kernzone des Nationalparks, zu den Anstiegen rund um die 3350 m hohe Hochalmspitze.
Im Vergleich zu anderen Klettergebieten hat man im Maltatal noch sehr viel Raum - Platz zum Klettern in der gewünschten Spielform und für seine Gedanken. Eine zentrale Rolle spielt dabei das Wasser, das hier einem beim Klettern, Chillen und Zusteigen ständig begleitet. Einmal rauschend als Bach, dann tröpfelnd als Wasservorhang, dann wieder zischend in wilden Fontänen. Oder einfach lautlos als scheinbar statische Gletschermasse stellt es seine beruhigende Botschaft wertfrei in den Raum. Es überlässt dir, ob du die Hektik des Alltags hinter dir lässt oder nicht.
Die Massive um den 250 m hohen Fallbach sind das Zentrum des Kletterns im Tal. Dieser ein Kilometer lange Abschnitt würde andernorts für sich alleine schon als „richtig gutes Klettergebiet“ durchgehen, im Maltatal macht er gerade mal ein Drittel der bestehenden Möglichkeiten aus. Er bietet alles, was ein abwechslungsreiches Gebiet auszeichnet.
Da wäre die mit 12 Seillängen längste Route im Tal „Hubertus Alptraum“ an den Rödernwänden. Sie ist semialpin abgesichert; das heißt, dass nur dort Bohrhaken stecken, wo sie wirklich nötig sind. Das lässt viel Raum für erste alpine Schritte. Ein Friend- und Keilsortiment ist zwingend mitzunehmen und auch anzuwenden.
Die kurzen knackigen Routen von 6a bis 8a am „Sonnendeck“ kann man schon ab Februar klettern. Anspruchsvolle Routen bis 7b mit zwei Seillängen gibt es am „Gelben Geheimnis“, bis zu drei Längen und 6b+ am „Humuspfeiler“ und drei bis fünf Längen von 6a+ bis 7a an der „Schluchtwand“.
Als jüngstes Gebiet ist 2012 die „Kanzel“ entstanden. Wie in vielen anderen Sektoren auch, waren hier Markus Pucher und Gerhard Schaar jene Locals, die entscheidend am Entstehen dieser Routen mitgewirkt haben. Und da Bohrhaken nicht auf Bäumen wachsen, soll auch erwähnt werden, dass erst dank der langjährigen (!) Unterstützung der beiden Kletterer durch Austrialpin und Fischer Österreich so viele neue Routen im Tal entstanden sind.
Die „Kreuzwand“, der größte Klettergarten mit 65 Routen im Tal, bietet extrem abwechslungsreiche Kletterei bis 8a bei minimalem Zustieg von wenigen Metern. Sportkletterherz, was willst du mehr?
Die Kletter- und Bouldermassive rund um den Schleierwasserfall sind ein Beispiel dafür, dass die Entwicklung des Klettersports im Tal alles andere als friktionsfrei verlaufen ist. Nach langjährigen Disputen konnte aber im Sommer 2013 eine Vereinbarung zwischen dem Touristenverband und den Grundbesitzern erzielt werden, von der alle hoffen, dass sie auch zur Umsetzung kommen wird. Dann wäre es möglich, dieses unglaubliche Highlight allen Kletterbegeisterten zugänglich zu machen. Denn die landschaftliche Schönheit des Platzes, die Qualität des Gneis und Granits sowie die unglaublichen Farben und Felsgebilde machen dieses Gebiet zu einem der am meisten beeindruckenden Österreichs.
Die Malta-Hochalmstraße führt von ca. 850 m über etwa 10 km auf genau 2000 m Seehöhe und ist Ausgangspunkt zu vielen weiteren Massiven.
Während man immer weiter hinauf kommt, vollzieht sich eine Metamorphose der Landschaft. Klettert man an einem der kleinen, aber unglaublichen Spots wie dem „Hochsteg“ oder dem „Blauen Tumpf“, ist die Aussicht völlig limitiert. Es gibt nur Fels, Wasser, lautes Getöse und etwas Himmel. Eine ganz intensive Erfahrung, durchaus anstrengend. Klettert man hingehen an der technisch extrem anspruchsvollen „Lackenlockwand“, beim Kleinod „Lodron Block“ oder im Plaisirgebiet „Seenplatten“, wird der Blick schon freier. Mehr Landschaft, mehr Berge, mehr Himmel kommen ins Spiel.
Und erreicht man die alpinen Gebiete wie bei der Kattowitzer Hütte oder das Langkar, öffnet sich die Landschaft. Es ist wie ein tiefer Atemzug - der Blick wird vollkommen frei auf das, was einen umgibt: Berge, Himmel, Stimmungen, Gefühle!
Vor allem das Langkar sticht landschaftlich heraus; hier findet man unglaublich kompakte, lange Platten mit Plaisirrouten bis zum 6. Grad vor. Um zu einer der zehn Routen mit bis zu acht Längen zu kommen, hat man vom Berghotel Malta einen Zustieg von ca. einer Stunde. Diese Routen brauchen den Vergleich mit dem Val die Mello oder dem Sustenpass nicht zu scheuen und bieten meist ab Juli ideale Bedingungen. Die meisten sind mit sehr wenigen Haken eingebohrt, und man muss selbst viel dazulegen. Zwei sind gut bzw. sehr gut abgesichert.
Die Klettertouren rund um die Hochalmspitze bzw. den Großelendkopf sind Unternehmungen für zwei bis drei Tage. Schnell mal los ist hier nicht, denn sie befinden sich an den höchsten Punkten des Tales und haben einen entsprechenden hochalpinen Zustieg.
Eine der schönsten Linien in den gesamten Hohen Tauern ist der Nordostgrat des Großelendkopfs. Dieser wunderbare Grat, der maximal im fünften Grad liegt, zieht von einem Gletscher prächtig in einer geschwungenen Form nach oben. Diese klare Linie fesselt das Auge und macht diesen Anstieg so besonders.
Das Pendant dazu ist der Hochalmspitze-Südgrat auf der Gegenseite des Massivs. Auch hier kommt man als Kletterin/Kletterer nicht umhin, diese Linie sofort in Erwägung zu ziehen, zudem diese nicht über den fünften Grad hinausgeht.
Es wirkt schon etwas kitschig, aber in diesem Fall ist es einfach zutreffend. Die alpinen Klettermöglichkeiten an der Hochalmspitze, der „Tauernkönigin“, setzen dem Kletterparadies Maltatal im wahrsten Sinne des Wortes die Krone auf.
Text und Fotos: Gerhard Schaar, Sportkletterer, Buchautor und Shopbetreiber, www.rockstore.at