Text und Fotos: Helmuth Preslmaier, Schitouren-Instruktor und Bundesreferent für Schitouren der Naturfreunde Österreich
Es sind drei Dinge, die für mich den Reiz einer Schitour in einem fernen Land ausmachen. Erstens die Verbindung von Schibergsteigen mit dem Kennenlernen und Erleben fremder Länder und Kulturen.
Zweitens der Schnee, der ja weltweit sehr unterschiedlich sein kann. Legendär ist der Afrikafirn im Hohen Atlas. Das Klima sorgt dafür, dass die Hänge gleichmäßig auffirnen. Wenn man den richtigen Zeitpunkt „erwischt“, erwartet einen eine gleichmäßig aufgefirnte Abfahrt mit meist gut 1000 Höhenmetern (Hm). Richtig süchtig machen kann auch der Schnee in Island oder Norwegen. Die Kombination der beiden Naturelemente Berg und Meer ist einzigartig. Meeresnähe bedeutet auch, dass die Schneekristalle runder sind und der Schnee lange schön locker bleibt.
Und drittens die Berge. Ideal zum Schifahren sind Vulkanberge, beispielweise in Chile. Sie haben alle eine gleichmäßige Hangneigung und bieten jede Menge freier Hänge.
Island ist ein Land voller Kontraste, geprägt von aktivem Vulkanismus, mächtigen Gletschern und heißen Quellen. Im äußersten Norden des Landes, nur knapp südlich des Polarkreises, ragt eine abgeschiedene Gebirgskette fast 1500 m hoch aus den stürmischen Fluten des Atlantiks – die Trollhalbinsel. Die Berge auf der Trollhalbinsel gehören zu den besten Schitourenzielen Islands. Aufgrund des Gebirgsreliefs ist der Wind hier nicht so stark und die Schneesituation dementsprechend meist recht gut.
Die Gipfel und Bergrücken mit zungenbrecherischen Wikingernamen bieten unerschöpfliche Möglichkeiten für einsame Schitouren und Traumabfahrten in stiebendem Powder mit Blick zum Meer. Und nach einer Schitour kann man sich in einer der vielen Geothermalquellen regenerieren.
Für den Start von Schitouren wählt man am besten einen Standort an der Küste zwischen Siglufjörður, dem einstigen Zentrum des Heringfangs, und dem Fischerort Dalvík. Mit einem Mietwagen erreicht man in meist relativ kurzer Fahrzeit die jeweiligen Ausgangspunkte, meist steigt man fast von Meereshöhe auf.
Schitouren in Island erfordern Flexibilität und eine genaue Planung. Das Wetter kann kleinräumig sehr unterschiedlich sein und sich auch blitzschnell ändern – war man noch gerade bei Sonnenschein unterwegs, steckt man oft nur wenige Minuten später in dichtem Schneetreiben.
Reykjavík und der Südwesten Islands bieten sich für Sightseeing an. In der nördlichsten Hauptstadt der Welt gibt es einige kulturelle Höhepunkte, etwa das vor wenigen Jahren am Hafen errichtete Konzert- und Opernhaus Harpa, das sich mit seiner außergewöhnlichen Glasfassade und den Basaltsäulen gekonnt in die nordische Landschaft einfügt. Während der „Goldener Circle“ genannten Tagesrundreise besucht man auch Geysire und Wasserfälle - einige der Top-Naturhighlights der Insel. Nirgendwo ist man den Elementen Erde, Wasser, Luft und Feuer wohl näher als in Island.
Der Hohe Atlas in Marokko ist der Schireiseklassiker schlechthin. Eine Schitourenreise in Marokko beginnt in Marrakesch, der „Perle des Orients“. Von hier erreicht man in einer zweistündigen Fahrt das Bergsteigerdorf Imlil, Ausgangspunkt für alle Touren im zentralen Atlas. Am nächsten Tag erfolgt der Aufstieg durch das Mizane-Tal zum Refuge du Toubkal (3200 m), früher Neltnerhütte genannt, das inmitten eines imposanten Talkessels liegt. Mulis transportieren Schiausrüstung und Gepäck.
Alle sechs Viertausender rund um die Hütte können mit Schiern bestiegen werden, auch der höchste Berg des Hohen Atlas, der Djebel Toubkal (4167 m) - in Verbindung mit einer Abfahrt Richtung Inmousser und weiter ins Mizane-Tal zweifelsohne ein Höhepunkt jeder Tourenwoche im Hohen Atlas. Vor allem bei Afrikafirn!
Das berühmteste Couloir im Hohen Altlas ist die Steilrinne mit dem schwer auszusprechenden Namen Irhzer Ikhelbum, die in einem direkten Zug (800 Hm) auf die Clochetons, die Glockentürme, führt. Die Traumabfahrt bei Afrikafirn ein finale grande.
Will man noch mehr von Marokko sehen, empfiehlt sich eine Reise über den Pass Tizi n’Tichka und weiter auf der „Straße der Kasbahs“ Richtung Sahara. Bei einem Kameltrekking mit Übernachtung in der Wüste erlebt man einen Hauch von Karawanenfeeling. Orient, Afrikafirn und Wüstensand – eine wahrlich einzigartige Mischung!
Eine Schitourenreise nach Armenien ist eine Entdeckungsreise in schitouristisches Neuland ohne entsprechende Infrastruktur. Es gibt keine Berghütten, und nur wenige, im Winter oft nicht geräumte Straßen führen zu den Ausgangspunkten für Schitouren. Das Schiabenteuer beginnt in Armenien somit bereits bei der Anreise zum Berg. Dafür hat man Bergeinsamkeit und unverspurte Hänge.
Armenien ist ein gebirgiges Land, versteckt zwischen der Türkei und Aserbaidschan an den südlichen Ausläufern des Kaukasusgebirges gelegen. Die sanft geneigten Hänge der erloschenen Vulkane bieten ideale Bedingungen für Schitouren. Armenien liegt zwar auf dem gleichen Breitengrad wie Neapel, das ausgeprägte Kontinentalklima sorgt jedoch für schneereiche Winter mit tiefen Temperaturen.
Schitouren in Armenien unternimmt man am besten im Zuge einer Rundreise durch das Land. Der Höhepunkt einer jeden Schitourenreise in bzw. durch Armenien ist die Besteigung des Aragats, eines erloschenen Vulkans mit vier Gipfeln. Die nördliche Spitze ist die höchste Erhebung Armeniens (4090 m), der Westgipfel (4006 m) der häufigste im Rahmen von Schitouren bestiegene Gipfel.
Ausgangspunkt für die Besteigung des Aragats ist die im Fußbereich des Berges auf etwa 3200 m gelegene Cosmic-Ray-Forschungsstation, die zu Sowjet-Zeiten eine boomende Forschungsstation für kosmische Strahlen war; heute gleicht sie eher einem Museum. Von dort erreicht man in einem drei- bis vierstündigen Aufstieg den Westgipfel mit herrlicher Aussicht auf ein Meer von Bergen, wobei einer alle überragt: der Ararats. Aber der steht auf türkischem Staatsgebiet – ein Ergebnis der leidvollen Geschichte Armeniens.
Armenien ist reich an Sehenswürdigkeiten. Beeindruckend sind vor allem die Klöster und Kirchen, deren Ursprünge bis ins 4. Jahrhundert zurückgehen und die meist weitab jeder Zivilisation wie gut getarnte Festungen in Felsschluchten gebaut wurden. Der Besuch einiger der bekanntesten Klöster und Kirchen ist mehr als ein Schlechtwetterprogramm und lässt sich gut in eine Rundreise integrieren.
Ein weiterer Höhepunkt jeder Reise durch Armenien sind die Begegnungen mit den Menschen, die trotz ihrer schicksalsschweren Geschichte ihre Herzlichkeit bewahrt haben und Gäste mit offenen Armen empfangen.
Auf 4300 km Länge erstreckt sich Chile entlang der Pazifikküste. Das hier vorgestellte Tourengebiet liegt im sogenannten kleinen Süden: Das ist die Region südlich der Hauptstadt Santiago bis Puerto Montt. Wie die Perlen einer Kette ziehen sich die Vulkane von Norden nach Süden durch das chilenische Seengebiet. Die meisten haben eine Höhe von knapp unter 3000 m. Die Nähe zum Meer garantiert konstante Niederschläge und im südamerikanischen Frühjahr besten Firn.
Die tiefblauen Seen zwischen den grünen Urwäldern bilden die malerische Kulisse für Touren auf den chilenischen Vulkanbergen. Fast alle Touren können bequem von einem Talquartier aus unternommen werden. Aber Achtung: Die Touren sind zwar technisch nicht allzu anspruchsvoll, aber lang. Und je weiter man nach Süden kommt, umso „patagonischer“ wird das Wetter. Um Schönwetterfenster optimal nützen zu können, sollte man unbedingt Zeitreserven einplanen.
Der formvollendete Villarica (2847 m), ein Vulkan wie aus dem Bilderbuch, ist meine Nummer eins unter den Vulkanschibergen. Sein stets rauchender Krater überragt rund 2600 die kleine Stadt Pućon und den tiefblauen Lago Villarica. 1600 Hm Aufstieg sind es bis zum Kraterrand. Nach wie gibt es auf dem Villarica Fumarolen (= Dampfaustrittsstellen), und es stinkt nach Schwefel. Der Lohn für die Mühe: eine scheinbar endlose Abfahrt über ideal geneigte hindernislose Hänge. Mit Glück zeigt sich der Firn über einen Höhenunterschied von 1500 m in gleichbleibender Konsistenz.
Chile ist zweifelsohne ein exotisches Schitourenziel. Dazu passt dieser außergewöhnliche Sightseeing-Vorschlag: die Osterinsel, in der Sprache seiner BewohnerInnen Rapa Nui genannt. Rund 4000 km Kilometer von der Küste Chiles entfernt, liegt diese Insel so isoliert wie kein anderer bewohnter Ort auf der Erde. Seit 1995 ist sie als Nationalpark Rapa Nui Teil des UNESCO-Welterbes. Die fast 1000 kolossalen Steinfiguren (Moai genannt), die auf der ganzen Insel liegen oder stehen, versetzen die Gäste in Staunen und stellen die Wissenschaft vor wohl für ewig unlösbare Rätsel.