Man muss bereit sein, Hitze und Staub zu erdulden. Touristische Infrastruktur gibt es de facto keine. Dennoch war Sepp Friedhuber im Jänner 2010 und 2011 mit einer achtköpfigen Reisegruppe in Äthiopien, um den Erta Ale hautnah zu erleben.
In der Danakil-Wüste steigen die Temperaturen in den kalten Monaten auf +45 °C, im Sommer sogar auf bis zu 60 °C. Wasser ist Mangelware. Der tiefste Punkt, ein ausgetrockneter Seitenarm des Roten Meeres, liegt 130 m unter dem Meeresspiegel. Vulkanausbrüche haben die Verbindung zum Meer versperrt, und am Grund der Depression haben sich riesige Salzseen gebildet. Hier wird noch auf archaische Weise Salz gewonnen und mit Kamelkarawanen ins äthiopische Hochland transportiert.
Im Nordosten Äthiopiens, am tiefsten und heißesten Ort Afrikas, leben die Afar-Nomaden. Noch vor dreißig Jahren waren sie so gefürchtet, dass sich kaum jemand in diese extrem unwirtliche Gegend wagte. Der Überlebenskünstler Rüdiger Nehberg startete 1977 mit zwei Begleitern zu einer Durchquerung der Afar-Region, und der Titel seines Buches „Überleben in der Wüste Danakil“ ist bezeichnend, sowohl für die klimatische Situation als auch für die Probleme mit den verschiedenen Clans dieses kriegerischen Volkes. Die kaum vorhandenen Ressourcen wie Wasser und Weidegründe machen verständlich, warum die Afar immer versucht haben, sich gegen Einflüsse von außen abzuschirmen. So schreibt Nehberg in seinem Buch: „Die rund 110.000 Afar sind von Natur aus kriegerisch, auf jeden Fall ist es bis heute lebensgefährlich, ihr Land zu betreten.“ Erst in den letzten zehn Jahren ist es möglich geworden, diese Region zu bereisen. Doch hin und wieder gab es Überfälle und Entführungen. Im Jänner 2012 kam es zu einem tragisch endenden Überfall, bei dem sechs Menschen starben. Seither ist der ohnehin spärliche Tourismus gänzlich zusammengebrochen.
Die Danakil-Senke ist eine der vulkanisch aktivsten Zonen der Erde. Der Schildvulkan Erta Ale heißt in der Sprache der Afar „Rauchender Berg“, er gilt als das Tor zur Hölle. Entlang des Rift Valley, des afrikanischen Grabenbruchs, zerreißt der Kontinent, und das Horn von Afrika driftet nach Osten; die Erdkruste wird gedehnt, bekommt Risse und Spalten, in die immer wieder Magma von unten eindringt. Der Erta Ale ist eine solche Verbindung zum Erdinneren und seit mehr als hundert Jahren aktiv. Sein brodelnder, mit 1100 °C heißer Lava gefüllter Krater ist ein großartiges Naturschauspiel und daher ein begehrtes Ziel naturbegeisterter TouristInnen und FotografInnen. Immerhin gibt es nur fünf Vulkane, die über lange Zeiträume hinweg aktiv sind. Ein weiteres Naturwunder ist Dallol, ein Geothermalgebiet mit einer unwirklich bunten Farbenpracht. Vom Salzsee Ass Ale transportieren die letzten Salzkarawanen das „weiße Gold“ ins äthiopische Hochland.
Ich bin 2010 und 2012 in diese irre Landschaft gereist, als die politische Situation ziemlich stabil zu sein schien. Zum Schutz hatte man uns Polizisten und Militär mitgeschickt.
Ausgangspunkt unserer Reise zum tiefsten Punkt Afrikas im Jänner letzten Jahres ist Mek'ele, die Hauptstadt der Region Tigray, am Rande des großen Grabenbruchs in 2300 m Höhe. Von hier startet unsere Gruppe, begleitet von einem lokalen Führer, einem Koch und zwei Polizisten, mit vier Allrad-Fahrzeugen. Bis zum letzten größeren Ort Berale ist die Straße noch einigermaßen gut befahrbar. In Berale sind einige kleine, sehr einfache Restaurants der letzte bescheidene Luxus für die nächste Woche. Hier gibt es noch Strom, und selbst die einfachsten Hütten haben eine Satellitenschüssel, um die große weite Welt mit Tschinbumm und Glamour auf den Fernsehschirm zu holen. Nach einer Mittagsrast geht es auf einer holprigen Straße talwärts. Vegetation gibt es fast keine, die Landschaft wird von verschiedenfarbigen Gesteinen geprägt. Wenn im Hochland Regenzeit ist, schießt das Wasser durch tiefe Canyons und Schluchten ungebremst zu Tal, und sehr oft verschwindet der letzte Rest von dem, was sich Straße nennt. Nach sechs Stunden erreichen wir das Afar-Dorf Ahmed Ela. Die meisten Hütten bestehen aus einem Gerüst aus Holzknüppeln, über das eine Plane gespannt wurde.
Die Temperatur ist auf über 40 °C gestiegen, und wir verkriechen uns in den Schatten einer Hütte. Für die Nacht buchen wir das Hotel Millionen Sterne, ein Bettgestell im Freien. Am späten Nachmittag treffen Kamel- und Eselkarawanen aus dem Hochland ein, und in der Gegenrichtung zieht ein endloser Strom von Lasttieren, schwer bepackt mit Salzplatten aus dem See. In der „kalten“ Jahreszeit von Oktober bis April sind hier täglich zwischen 1000 und 2000 Kamele unterwegs.
Seit 2011 betreiben Inder und Kanadier in Dallol den Abbau von Pottasche. Der Bau einer breiteren Straße wird vorangetrieben. Sobald diese fertig ist, kann das Salz auch mit LKWs ins Hochland befördert werden. Hunderte Salzarbeiter und Karawanenführer werden dann ihren Job verlieren. Vermutlich ist der zunehmende Einfluss der Fremdmächte im Gebiet der Afar der Grund, dass mit dem Überfall im Jänner 2012 ein dramatisches Zeichen gegen die Zentralregierung gesetzt wurde. Die Regierung hat bereits riesige Landstriche an Chinesen, Inder und Saudis verkauft. Die ursprünglichen BewohnerInnen hat man vertrieben, und die Afar sind von den fruchtbaren Weidegründen ausgesperrt. Das geerntete Heu wird nach Saudi-Arabien gebracht und an die Rennkamele der Scheichs verfüttert, während es für die Menschen in der Danakil-Wüste immer schwerer wird zu überleben.
Am nächsten Morgen starten wir zum Salzsee und zu den Solfataren-Feldern von Dallol. Nur zwanzig Minuten dauert der Aufstieg, bis sich uns eine unglaubliche Farbenpracht eröffnet. Es dampft, brodelt und zischt. Durch den Vulkanismus im Untergrund steigen heiße Lösungen und Dämpfe auf. Diese führen Schwefel und Kaliumsalz mit sich, die mit den Salzen an der Oberfläche reagieren und ein Farbenspektrum zwischen Weiß, Gelb, Grün, Orange und Rot ergeben. Kein Wunder, dass alle Kameras auf höchsten Touren laufen. Doch schon bald treibt uns die gnadenlose Mittagshitze zurück in den spärlichen Schatten von Ahmed Ela.
Am nächsten Tag besuchen wir die Salzarbeiter am Ass Ale. Diese sind schon lange vor Sonnenaufgang aufgebrochen und mehr als zehn Kilometer zum Abbaugebiet marschiert. Sie brechen mit Hacken die Salzkruste auf und zwängen die Platten mit Holzstangen heraus. Abschließend werden rechteckige Ziegel zurechtgehackt und für den Kameltransport vorbereitet. Ab Mittag bewegt sich eine endlos erscheinende Karawane auf den Salzsee zu. Die Salzarbeiter aus dem Hochland vom Volk der Tigray arbeiten in kleinen Gruppen zusammen und verkaufen das Salz an die Karawanenführer. Die Afar als Landbesitzer bekommen einen erheblichen Anteil des Erlöses. Die Salzarbeiter schuften unter unvorstellbar harten Bedingungen bei 40 °C und mehr und bekommen dafür drei Euro pro Tag!
Am späten Nachmittag kehren wir nach Ahmed Ela zurück. Von dort sind es am nächsten Tag 50 Kilometer bis zum Fuß des Erta Ale - das bedeutet fünf bis sechs Stunden Autofahrt. Piste gibt es keine. Jeder fährt dort, wo er glaubt, am leichtesten durchzukommen. Die abflusslosen Becken sind mit feinen tonigen Sedimenten gefüllt, und wir ziehen Hunderte Meter lange Staubfahnen hinter uns her.
Im letzten Dorf vor dem Aufstieg melden wir uns beim Scheich, und mit der vorgelegten Genehmigung für die Besteigung des Erta Ale wechseln auch ein paar Geschenke den Besitzer.
Danach fahren wir im Schritttempo auf einer beschwerlichen Piste durch einen Lavastrom, bis es nicht mehr weitergeht. Ein paar Steinhütten spenden Schatten. Kamele werden mit unserem Gepäck beladen. Wegen der unerträglichen Hitze starten wir erst am späten Nachmittag. Ein einheimischer Führer begleitet uns; wie alle Männer in der Afar-Region ist er mit einer Kalaschnikow bewaffnet. Vor uns liegt ein zehn Kilometer langer Anstieg mit rund 600 Höhenmetern. Der Weg ist überraschend gut und zieht sich leicht ansteigend durch die Lavafelder.
Recht angenehm könnte man meinen, doch die Hitze des Tages ist in der dunklen Lava gespeichert, und so hat man das Gefühl, auf einer Exkursion durch einen Backofen zu sein. Erst als die Sonne hinter dem Horizont verschwindet, wird es erträglicher. Im Schein der Stirnlampen erreichen wir nach drei bis vier Stunden problemlos den äußeren Kraterrand. Über dem aktiven Krater schwebt ein roter Feuerschein. Nach einer kurzen Rast steigen wir steil hinunter in die Caldera. Mit großer Vorsicht überqueren wir die brüchigen Lavaplatten. Der letzte große Ausbruch liegt nur zwei Monate zurück; ein Durchbrechen könnte fatale Folgen haben.
Schwaden von beißenden Gasen verraten uns die Nähe des Zentrums, und schließlich stehen wir vor dem „Tor zur Hölle“. Der Blick in den Schlund ist atemberaubend und mit nichts zu vergleichen. Tiefrote Lava brodelt in einem See mit einem Durchmesser von 100 m, nicht mehr als 15 m unter uns. Fontänen spritzen auf, die dunklen Bereiche reißen, driften auseinander und lösen sich in einer neuerlichen Eruption wieder auf. So kann man sich die Drift der Kontinente vorstellen, denn auch die Kontinentalplatten sind in Bewegung, wenn auch nur wenige Zentimeter im Jahr. Gebannt stehen wir vor einem Naturschauspiel, wie wir es bisher noch nie erleben durften. An Orten wie diesem wird einem bewusst, wie klein und nichtig wir Menschen sind.
Text und Fotos von Prof. Sepp Friedhuber