Text: Reinhard Dayer, Bundesgeschäftsführer der Naturfreunde Österreich
Vor mehr als einem Jahr haben die Naturfreunde Österreich die Kampagne „Freie Fahrt für RadfahrerInnen auf Forststraßen“ gestartet. Im Rahmen einer Informationsoffensive wurden Pressekonferenzen, eine Fachenquete, ein runder Tisch im Parlament und ein Aktionstag in allen Bundesländern veranstaltet. Für ihre Forderung mit den Expertenvorschlägen für notwendige gesetzliche Regelungen, die sowohl RadfahrerInnen als auch GrundbesitzerInnen rechtlich absichern würden, haben sie gewaltigen Zuspruch und Unterstützung erfahren. 32.000 Menschen unterstützten bis heute mit ihrer Unterschrift direkt die Initiative der Naturfreunde. Zahlreiche namhafte Organisationen wie der Österreichische Alpenverein, der Touristenklub, die ASKÖ, der ARBÖ, die Bikerinitiative Upmove und der Radsportverband kämpfen mit den Naturfreunden Schulter an Schulter, um die Öffnung der Forststraßen gesetzlich durchzusetzen. Allen MitstreiterInnen ein herzliches Dankeschön!
Derzeit hat sich die Naturfreunde-Forderung leider in der politisch mächtigen Grundbesitzer- und Jagdlobby, massiv unterstützt von den Landwirtschaftskammern und konservativen Parteien im Parlament, festgefahren. Sie alle pochen auf Eigentumsrechte, die den Grundbesitzerinnen und -besitzern das Recht einräumen, nach Willkür zu schalten und andere auszuschließen. Erholungsuchende sind in zunehmendem Maße von den Launen der GrundbesitzerInnen abhängig: Verbotstafeln und Sperrgebiete da, abmontierte Markierungs- und Hinweistafeln dort - alles Behinderungen für Menschen, die Skitouren machen, wandern oder klettern.
Offensichtlich haben es so manche GrundbesitzerInnen bis heute nicht verkraftet, dass das im Jahr 1976 in Kraft getretene Forstgesetz „jedermann das Recht, den Wald zu Erholungszwecken zu betreten“, garantiert. Namhafte GrundbesitzerInnen sprechen in diesem Zusammenhang noch heute von einer Enteignung der WaldbesitzerInnen. Das Bedürfnis der Menschen nach Freiräumen wird weiter wachsen. Auch der Anspruch, in unserer Erholungslandschaft auf Forststraßen Rad zu fahren, und zwar in einem freundschaftlichen Nebeneinander mit allen, die zu Fuß unterwegs sind, und unter Schonung von Fauna und Flora.
Die Gesellschaft ist deshalb aufgerufen, auch wir Naturfreunde, jenen die Stirn zu bieten, die keine Veränderungen wollen und für die Beibehaltung von Feudalrechten, öffentlichen Förderungen und steuerschonenden Maßnahmen für ihren Grundbesitz lobbyieren. Der Eigentumsbegriff bedarf dringend einer Neudefinition im Sinne sozialer Aufgabenstellungen und Leistungen von Eigentum. Dabei geht es nicht um das berühmte Wohnzimmer, private Gärten oder bestellte Äcker, wie so gerne von unseren Gegnern immer wieder behauptet wird, sondern um unsere Erholungslandschaft zum Wohle der Allgemeinheit. Niemand, der Rad fährt, wandert oder Skitouren geht, nimmt Grundbesitzerinnen und -besitzern deren Wald weg oder stellt die Waldbewirtschaftung in Frage. Und trotz Panikmache der Landwirtschaftskammer wird niemand ernsthaft annehmen, dass MountainbikerInnen den Wald schädigen, wenn sie auf vier bis fünf Meter breiten Forststraßen fahren. Vielmehr sind es die zu hohen Wildbestände, welche die Naturverjüngung des wichtigen Schutzwaldes massiv hemmen, wie selbst Funktionärinnen und Funktionäre der Landwirtschaftskammer zugeben.
Die Naturfreunde-Kampagne und die intensive Diskussion darüber in der Öffentlichkeit haben bereits ein wenig Bewegung in das Thema gebracht. Wir registrieren in vielen Regionen die Bereitschaft, weitere Wegstrecken für MountainbikerInnen freizugeben, obwohl Dr. Petra Stolba, Geschäftsführerin der Österreich Werbung, in einer Veranstaltung der Grünen im Parlament – für viele überraschend – ausführte, dass sie nach Rücksprache mit den Tourismuschefs der Länder derzeit keinen weiteren Handlungsbedarf sieht, auch nicht für eine gesetzliche Regelung. Wohl wissend, dass im Gegensatz zu Österreich in allen unseren Nachbarländern das Radfahren auf Forststraßen aus gesundheits- und tourismuspolitischen Gründen erlaubt ist!
Erfreulich ist, dass etwa in Kärnten das Mountainbikenetz von 2500 km auf rund 4000 km ausgeweitet werden soll, allerdings - wie auch anderswo - auf Vertragsbasis mit Entschädigungszahlungen für GrundbesitzerInnen. Ja, wenn es darum geht, eine Möglichkeit zum Abkassieren zu haben, verblassen sehr schnell Grundsätze und Gegenargumente handelnder Personen und Interessengruppen.
Ziel der Naturfreunde ist jedenfalls, eine nachhaltige, klare gesetzliche Regelung im § 33 des Forstgesetzes für die Freigabe von Forststraßen für RadfahrerInnen zu erwirken. Ebenfalls im Forstgesetz muss die Haftungsfrage klarer definiert, der Regelung gegenüber Wanderinnen und Wanderer angepasst und auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz der WaldeigentümerInnen und ForststraßenerhalterInnen eingeschränkt werden. Dass sich RadfahrerInnen so zu verhalten haben, dass sie andere VerkehrsteilnehmerInnen (z. B. wandernde Personen) weder gefährden noch behindern, ist wiederum in der Straßenverkehrsordnung festzuschreiben.
Die Parlamentsparteien SPÖ und Grüne sind mit uns voll auf einer Linie und begrüßen diese Gesetzesvorschläge. Für die Umsetzung in der Koalitionsregierung ist allerdings auch die Zustimmung der ÖVP notwendig, die sich derzeit trotz intensiver Bemühungen nicht abzeichnet. In einer kürzlich stattgefundenen Unterredung ersuchte Dr. Andreas Ermacora, Präsident des ÖAV, unseren Vorsitzenden Mag. Andreas Schieder, in dieser wichtigen Frage „am Ball zu bleiben“, was selbstverständlich geschieht. Von anderen Themenbereichen wissen wir, dass wir in dieser Frage sicher einen „langen Atem“ brauchen, bis wir unser Ziel erreichen. Wir „bohren weiter harte Bretter“, wie der Soziologe Max Weber einst politische Vorgänge bezeichnete.
Bitte unterstütze die Naturfreunde-Forderung „Öffnung der Forststraßen für RadfahrerInnen“ mit deiner Unterschrift auf www.naturfreunde.at/freie-fahrt!