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Naturfreunde Alpinkader: Für Frauen die gleichen Voraussetzungen schaffen

Für Barbara Vigl war der Naturfreunde-Alpinkader das Sprungbrett für den Profi-Alpinismus. Nun, neun Jahre später, leitet sie als Bergführerin den Alpinkader Damen. Ein Gespräch über Chancen, Träume und Psycholängen. Das Interview führte Marlies Czerny.  

Was ist das Wichtigste, das dir aus deiner eigenen Zeit im Naturfreunde-Alpinkader geblieben ist?

Die Freundschaften und Seilschaften. Für mich war es schwierig, im Alpinismus Fuß zu fassen und Kletterpartner zu finden. Ich musste mich lange behaupten, bis meine älteren Kollegen sagten: „Okay, Sportklettern kann sie, vielleicht nehmen wir sie jetzt auch auf eine Alpintour mit.“ Im Alpinkader hatte ich auf einmal sechs extrem motivierte Leute, mit denen ich gemeinsam wachsen durfte und genau das umsetzen konnte, wovon ich immer geträumt hatte.

 

Was ist das Wichtigste, das du den Teilnehmerinnen heute als Ausbilderin mit auf den Weg geben möchtest?

Dass ihnen diese Leidenschaft und Seilschaften bleiben und sie mit einer größtmöglichen Sicherheit unterwegs sein können. Dass sie in einer brenzligen Situation am Berg klar erkennen: Okay, das kann ich jetzt noch machen – oder okay, das geht jetzt nicht mehr, ich brauche einen anderen Plan oder muss umdrehen. Eine gute Selbsteinschätzung ist eine der wichtigsten Eigenschaften im Alpinismus.

 

Heuer sind im Alpinkader die Frauen unter sich, nächstes Jahr startet der Alpinkader mit sechs Männern: Warum erstmals getrennte Kader?

Diese Idee kam von mir. Der eine Grund, warum ich das unbedingt wollte, beruht rein auf Zahlen: Bis jetzt hatten 24 Alpinkader-Mitglieder die Möglichkeit, eine Expedition zu machen – darunter waren nur zwei Frauen; eine davon war ich im zweiten und Anna Truntschnig im dritten Lehrgang. Ich habe das Gefühl, dass es als Frau teilweise schwerer ist, alpine Träume zu verwirklichen. Gleichberechtigung bedeutet für mich, dass man die gleichen Voraussetzungen für alle schafft, um das Gleiche zu erreichen. Somit ist es viel stimmiger, wenn sechs Frauen und sechs Männer die Chance haben, an einer Expedition teilzunehmen. Man sieht die positive Entwicklung auch in Deutschland: Seit es dort einen Frauenkader gibt, hat sich die Zahl der Bergführerinnen in Deutschland verdoppelt.

 

Und der andere Grund?

Ich habe das Gefühl, dass in Frauengruppen eigene Dynamiken herrschen und das Selbstbewusstsein nochmal ganz anders in die Höhe schnellt. Frauen trauen sich viel mehr zu und sehen, was alles möglich ist, wenn dieses klassische „Ja, wenn du nicht magst, dann steig ich eben vor!“ ausgeschaltet wird. Da sagt die eine plötzlich: „Diese wilde Psycholänge steig ich jetzt vor, denn sonst muss die Freundin durch.“ Unter Frauen hat es eine ganz spezielle Energie, ich kann sie nicht so genau beschreiben, aber ich spüre sie auch bei uns im Alpinkader. Meine Traumvorstellung ist es, dass es zwar jetzt ein Frauen- und ein Männerteam gibt, dass wir aber auch gemeinsam unterwegs sind – in einem Setting, in dem man nicht miteinander konkurrieren muss, sondern voneinander lernen darf.

 

Der Naturfreunde-Alpinkader ist auch ein Sprungbrett in Richtung Profikarriere und Sponsoring. Wie war das für dich, als du deine erste Ausrüstung bekommen hast?

Ich war stolz darauf, dass ich dabei sein durfte und in diese Welt hineinschnuppern konnte. Das Sponsoring ist nicht das Hauptziel des Alpinkaders, aber ein Bereich, in den man einen Einblick bekommt. Wenn Bergsteigen mehr als „nur“ eine Leidenschaft oder ein Sport sein soll, gehört da mehr dazu, als man meinen würde. Es sind ja nicht nur Geschenke, die man von einer Marke bekommt. Wie schaut eine professionelle Zusammenarbeit aus? Welche Möglichkeiten gibt es, wenn man etwas veröffentlichen will? Wie läuft das Ganze auf Social Media? Dadurch ergeben sich auch Chancen: Unser Ausrüstungspartner Mountain Equipment übernimmt regelmäßig Athletinnen und Athleten aus unserem Kader. Für mich war das damals sehr spannend und definitiv ein Sprungbrett hinein ins Veröffentlichen und Sponsoring. Da darf aber jede für sich selbst entscheiden: Passt das zu mir oder nicht?

 

Die Bezeichnung „Alpinkader“ klingt nach Leistungsschmiede und „High End“. Wo siehst du den Kader positioniert?

Über eine Änderung dieser Bezeichnung haben wir öfter diskutiert. Denn es geht nicht darum, dass man sportlich das Maximale aus sich herausholt und voll pusht, denn dafür ist der Alpinismus der falsche Sport. Uns geht es darum, dass junge Leute gefördert werden und in bestmöglichen Umgebungsbedingungen gute Entwicklungschancen bekommen. Ich möchte, dass die Teilnehmerinnen ihre Grenzen gut kennenlernen und mit ihrem Können Stück für Stück verschieben.

 

Was beeindruckt dich noch im heutigen Spitzenalpinismus?

Mich persönlich beeindruckt es am meisten, wenn sich jemand dort weiterentwickelt, wo seine größte Leidenschaft liegt. Wenn jemand seine persönlichen Ziele verfolgt und nicht versucht, viele Likes zu kriegen und bei Google weit oben zu landen. Das kann zum Beispiel jemand sein, der ein Gebiet daheim vor der Haustüre, das sonst kaum ein Mensch kennt, weiter erschließt. Ich finde es generell gut, wenn man seine eigenen Träume verwirklicht. Das sind auch die Unternehmungen, bei denen man mit dem meisten Herz dabei ist, bei denen man die besten Entscheidungen trifft, weil man besser auf sich selbst hören kann.

 

Als Bergsteigerin – vor allem als junge – hat man viele Traumziele, etwa im Himalaya oder am anderen Ende der Welt. Doch gerade junge Menschen wissen auch, dass jede Flugmeile, die man nicht antritt, die beste für unsere Gletscher und das Klima ist. Wie geht es dir in diesem Spannungsfeld?

Ich persönlich darf dazu nicht viel sagen, weil ich erst in Patagonien war und bald nach Alaska fliege. Ich möchte mir gewisse Träume noch verwirklichen, aber wäge viel mehr ab als früher: Brenne ich wirklich für diesen Traum? Muss diese Reise sein? Oder finde ich auch näher ein Ziel, das mir taugt? Ich versuche, viel mehr Projekte daheim umzusetzen. Es braucht nicht unbedingt ein Flugzeug oder ein Auto, um Abenteuer zu erleben. Man muss auch nicht in den Himalaya fliegen, um eine Erstbegehung zu machen. Aber ehrlicherweise schwingt in meinen Zielen noch eine gewisse Portion Egoismus mit. Mir ist es wichtig, kein Moralapostel zu sein. Erstens bin ich nicht in der Position dafür, und zweitens bringt es nicht viel, Leuten ein schlechtes Gewissen zu machen. Wir sollten eher Möglichkeiten aufzeigen, wie man sich schrittweise mehr in Richtung Nachhaltigkeit entwickeln kann.

 

Wie geht ihr im Alpinkader an dieses Thema heran? Wo wird euch die Abschlussexpedition hinführen?

Auf Flüge werden wir verzichten. Wenn die Teilnehmenden etwas Exotisches umsetzen wollen, dürfen sie bei der Anreise kreativ werden. Wo es schließlich hingehen wird, ist die Entscheidung der Alpinkadermitglieder: Das sind ihre Träume, sie bestimmen die Richtung, in die sie sich entwickeln wollen. Wir vom Naturfreunde-Team werden sie dabei bestmöglich unterstützen.

Barbara Vigl absolvierte den Naturfreunde-Alpinkader-Lehrgang 2015-2017. Die staatlich geprüfte Sportkletterlehrerin sowie Berg- und Schiführerin fungiert als Teamleiterin und Ausbildnerin des Naturfreunde-Alpinkaders der Damen
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