Nach reiflicher Überlegung möchte sich das einstige Wunderkind der Kletterszene die Zeit für eine Neuorientierung nehmen und spricht im Interview mit ÖWK-Sportmanager Michael Schöpf über die Beweggründe für ihren temporären Rücktritt.
Schöpf: Johanna, die Nachricht über deinen Rückzug vom Wettkampfgeschehen kommt für Viele sicher überraschend. Seit wann steht dein Entschluss fest?
Ernst: Mein Entschluss steht schon länger fest und ist eigentlich über die letzten Monate gereift. Die Doppelbelastung Schule/Spitzensport hat zunehmend Substanz gekostet und es ist mir in der Vorbereitung auf die heurige Saison immer schwerer gefallen mich für das harte und umfangreiche Training, welches an der Weltspitze notwendig ist, Tag für Tag neu zu motivieren. Es ist einfach ein wenig die Luft draußen. Das hat sich dann auch im Wettkampf bei der Europameisterschaft in Chamonix und bei den World Games gezeigt. Ich habe einfach gespürt, dass ich Abstand brauche und den Drang verspüre neue Dinge zu probieren abseits des Leistungssports.
Schöpf: War die Doppelbelastung Matura/Saisonvorbereitung ausschlaggebend für deine Entscheidung?
Ernst: Nein, eigentlich nicht. Diese Belastung kenne ich seit Jahren und ist mir nicht neu. Entscheidend war viel mehr, dass über Jahre hinweg neben Training, Wettkampf und Schule fast keine Zeit mehr blieb für andere Dinge. Dinge, die jeder Teenager kennt und die zum Leben einfach dazugehören. Ein gutes Buch lesen, shoppen, auf Reisen gehen oder einfach mit Freunden chillen.
Ich bin mit meinen TeamkollegInnen zwar viel herumgekommen, habe die halbe Welt gesehen, aber im Hinterkopf war immer ein straffer Zeitplan. Sei es Wettkampf, Trainingslager, Sponsorentermine oder öffentliche Auftritte. Da bleibt nicht viel Zeit zum Nachdenken. Aber in den ruhigen Momenten bzw. in der wettkampffreien Zeit habe ich zuletzt immer stärker gemerkt, dass mir diese Dinge abgehen. Das war eigentlich ausschlaggebend für meinen Entschluss eine Auszeit zu nehmen.
Schöpf: Du sprichst von einer Auszeit und nicht von einem Karriereende. Wie lange soll die Auszeit dauern?
Ernst: Auf alle Fälle für das restliche Jahr 2013 sowie für das Jahr 2014. Für eine Rückkehr in den Weltcupzirkus 2015 ist nämlich eine Wiederaufnahme des Hochleistungstrainings spätestens im Jänner 2015 notwendig. Das wäre dann von jetzt an in 16 Monaten. Aber ich werde mich zeitlich nicht wirklich festlegen, denn sonst hab ich schon wieder einen fixen Zeitplan, und genau das möchte ich nun eine Zeit lang vermeiden.
Schöpf: Frech gefragt: Wie realistisch ist deine Rückkehr überhaupt?
Ernst: Keine freche, aber eine gute Frage. Das kann ich dir ehrlich gesagt derzeit nicht beantworten. Das hängt natürlich davon ab, wie sehr mir der Wettkampf fehlen wird. Das ist etwas was sich entwickeln muss. Wenn mich die Sehnsucht wieder packt, dann komme ich auf alle Fälle wieder zurück. Aber ich mache sicher keine halben Sachen. Wenn ich zurück komme, dann ganz oder gar nicht.
Schöpf: Du kannst in deiner bisherigen Wettkampfkarriere bereits auf außergewöhnliche Erfolge zurückschauen, die ein Großteil der weltbesten Athleten in langen Sportkarrieren nicht erreicht. Gäbe es überhaupt noch sportliche Ziele für dich im Wettkampf?
Ernst: Als Sportlerin hat man immer Ziele. Mit der Zeit denkt man aber nicht mehr so stark ergebnisorientiert. Wenn einem das gelingt und man Spaß hat bei dem was man macht, dann kommen die Erfolge von ganz allein. 2013 war bereits meine sechste Wettkampfsaison auf internationaler Ebene in der allgemeinen Klasse. Und das mit 20 Jahren. Ich bin somit eigentlich schon ein „alter Hase“ im Weltcupzirkus. Aber natürlich, wenn ich zurückkomme, dann sicher nicht um einen Blumentopf zu gewinnen. Das ist nicht mein Anspruch.
Schöpf: Du warst einst das Wunderkind der Kletterszene und bist immer noch jüngste Weltcupsiegerin, jüngste Rockmaster-Siegerin, jüngste Gesamtweltcupsiegerin, jüngste Europameisterin, jüngste Weltmeisterin. Glaubst du, werden deine Rekorde irgendwann gebrochen?
Ernst: Rekorde sind dazu da um gebrochen zu werden. Das ist das Normalste der Welt. Natürlich bin ich stolz darauf, das alles erreicht zu haben, zumal es mit viel harter Arbeit und auch vielen Entbehrungen verbunden war. Aber irgendwann wird Jemand kommen und diese Rekorde brechen. Das ist in allen Sportarten so und wird auch im Klettern nicht anders sein. Dann werde ich mich mit dem- oder derjenigen freuen und denken: „Cool, der/diejenige hat´s drauf!“
Schöpf: Du hast heuer im Juli erfolgreich die Matura abgelegt. Was sind deine nächsten Projekte?
Ernst: Da gibt es derzeit noch nichts Konkretes. Darüber werde ich mir in den nächsten Monaten sicher meine Gedanken machen. Die Zeit dazu habe ich ja jetzt. Man wird mich sicherlich viel beim Felsklettern sehen. Darauf freue ich mich nämlich sehr. Mit Freunden meine geliebte Sportart ausüben und das vielleicht mit der ein oder anderen Reise zu verbinden. Im Frühjahr 2014 hab ich dann vor mit einem Studium zu beginnen.
Schöpf: Da kann man dir eigentlich nur noch viel Spaß und viel Glück wünschen und darauf hoffen, dass dich nach einer wohlverdienten Pause wieder das Wettkampffieber packt.
Ernst: Danke und schauen wir mal was die Zukunft so bringt!
ÖWK-Präsident Dr. Eugen Burtscher: „Johanna hat mich persönlich über ihren Entschluss informiert. Ich habe großen Respekt vor ihrer Entscheidung. Sie ist eine große Sportlerin mit vielen Verdiensten für den Österreichischen Wettklettersport. Ihr stehen unsere Türen jederzeit offen und ich hoffe natürlich, dass es bei einer Auszeit bleibt und sie wieder zurück ins ÖWK-Nationalteam kommt.“
1. Platz Weltmeisterschaft 2009 – Vorstieg
1. Platz Europameisterschaft 2008 – Vorstieg
1. Platz Gesamtweltcup 2008, 2009 – Vorstieg
2. Platz Europameisterschaft 2010 – Vorstieg
3. Platz Weltmeisterschaft 2012 – Vorstieg
3. Platz Gesamtweltcup 2012 – Vorstieg
Die Naturfreunde Österreich wünschen Johanna eine chillige Auszeit, in der sie alle ihre Vorhaben umsetzen kann, und freuen sich auf ihr Comeback 2015.