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3.1. Steigen

„Je besser auf den Füßen gestanden wird, umso weniger Gewicht müssen die Hände übernehmen“ - eine altbewährte Kletterweisheit. Eine gute Fußtechnik ist daher die beste und effektivste Möglichkeit, Kraft zu sparen und somit besser zu klettern. Das Problem dabei: Unsere Aufmerksamkeit neigt dazu, im Sichtfeld zu verharren. Die Füße und Beine werden dabei häufig vernachlässigt. Das Thema Fußtechnik steht daher zumeist ganz bewusst am Beginn des Technikunterrichtes in einem Kletterkurs. Was aber ist eine gute Beinarbeit? Und vor allem wie lässt sich eine saubere Fußtechnik erlernen?

 

Die Grundtechnik des Steigens umfasst vier wesentliche Punkte:

  • Spitze steigen
  • Unbelastetes Steigen
  • Trittwechsel
  • Zug im Beinbereich
  • Fersenstellung

 

1. Spitze steigen

 

In den verschiedenen Situationen des Kletterns kann prinzipiell der ganze Schuh zur Anwendung kommen. Häufig wird es aber sinnvoll sein, im Großzehenbereich anzusteigen.

Vorteile:

  • Die spitz zusammenlaufende Form des Kletterschuhs bündelt den Druck und es können auch kleinere Tritte verwendet werden.
  • Der Fuß kann am Tritt gedreht werden.
  • Das Sprunggelenk kann für den Höhengewinn eingesetzt werden.

 

Achtung: Anfänger*innen bevorzugen oft den Innenrist des Fußes, um zu treten. Dies hat meist folgende (miteinander zusammenhängende) Gründe:

  • Zu große Kletterschuhe
  • Weniger Kraftaufwand für die Unterschenkelmuskulatur
  • Weniger Schmerzen auf den Zehen
  • Mangelnde Kenntnisse

Technik/Ziel:

  • Fußtechnik: Mit der Spitze steigen - präzises Steigen

 

Methodik/Organisation:

  • Vorzeigen/Erklären
  • Probieren/Differenzen spüren
  • Anwenden: Bouldern in ausgewählten Wandbereichen und vorgefertigten Fuß-Bouldern mit Bewegungskorrektur

 

Gelände/Material:

  • Geneigtes bis senkrechtes, maximal leicht überhängendes Gelände
  • Wände mit vielen unterschiedliche Trittmöglichkeiten: Kleine Tritte, große Tritte, Kanten, Reibungstritte, Strukturen etc.
  • Vorgegebene Wandbereiche, Boulder mit speziellen Tritten und eingeschränkten Griffen

 

Übungen:

  • Mit verschiedenen Bereichen des Schuhes antreten und Unterschiede spüren: Nur mit dem Fußgewölbe antreten, nur im Zehenbereich, mit der Ferse, dem Zehenbereich etc.
  • Steigen mit verschiedenen Schuhen (Größe, Art: Turnschuhe,..) probieren lassen.
  • „Twistübung“: Queren und immer wenn auf zwei neuen Tritten gestanden wird, die Fersen ein bis zwei Mal nach rechts und links drehen. Dann immer kleinere Tritte steigen.
  • „Mäuse fressen Käse“: Auf die Spitze des Kletterschuhs wird ein Mäusemund gezeichnet. Jeder Tritt ist ein Stück Käse. Die Mäuse sollen nun gefüttert werden.
  • Variante: Die Wand darf nicht berührt werden. Es dürfen nur gelbe, blaue und graue (Schimmelkäse) Tritte gestiegen werden.

2. Unbelastetes Steigen

 

Unbelastetes Steigen ist das Herzstück der Fußtechnik. Es ist die Voraussetzung für präzises Antreten mit der Fußspitze, weil so den Kletternden die nötige Zeit verschafft wird, um den ausgewählten Tritt an der optimalen Stelle antreten zu können. Folgende Techniken ermöglichen ein unbelastetes Antreten, ohne dabei viel Kraft in den Armen zu verschwenden:

 

  • Beckenverschub: Das seitliche Verschieben des Beckens, sowie den damit einhergehenden Belastungswechsel von einem Bein auf das andere, ist eine wichtige grundlegende Technik. Der Körperschwerpunkt (KSP) wird so direkt über ein Bein gebracht, das andere Bein wird dadurch frei von Gewichtsbelastung und kann unbelastet präzise auf einem anderen Tritt antreten. Im flachen bis senkrechten Gelände ist diese Technik besonders relevant.
  • Zwischensteigen: Um das Standbein zu entlasten, wird mit dem zweiten (schon entlasteten) Fuß im Bereich unter dem Schwerpunkt zwischengestiegen – auf Reibung oder einen Tritt. Befindet sich das Standbein in diesem Bereich, kann auch ein Fußwechsel auf dem Tritt erfolgen.
  • Stützen: Um ein Bein zu entlasten, kann mit der seitengleichen Hand (rechter Fuß – rechte Hand) gestützt werden. Die Hand übernimmt dabei quasi die Funktion des zu entlastenden Beines. Vor allem im Verschneidungs- oder Kaminklettern, aber auch im flachen Gelände, ist Stützen eine sehr wichtige Entlastungstechnik.

Technik/Ziel:

  • Fußtechnik: Unbelastetes Antreten

 

Methodik/Organisation:

  • Vorzeigen/Erklären
  • Probieren
  • Vorübungen am Boden und an der Wand mit den Füßen am Boden
  • Anwenden: Bouldern in ausgewählten Wandbereichen und vorgefertigten Fuß-Bouldern mit Bewegungskorrektur

 

Gelände/Material:

  • Stark geneigtes bis maximal senkrechtes Gelände
  • Wände mit vielen (kleinen) Tritten
  • Ecken, Verschneidungen, Platten
  • Vorgegebene Wandbereiche, Boulder mit speziellen Tritten und eingeschränkten Griffen

 

Übungen:

Vorübung am Boden

  • Breitbeinig am Boden stehen. Ein Fuß soll langsam vom Boden angehoben werden. Effekt: Der KSP wird automatisch über den Standfuß verlagert.
  • Balancieren auf Holzklötzen, die zuvor am Boden verteilt werden. Dabei versuchen, kontrolliert von Klotz zu Klotz zu steigen.
    Effekt: Verschiebung des KSP über das Standbein; dabei in die Knie gehen.

 

Übungen an der Wand

  • Plattenqueren ohne Hände: Auf einer stark positiv geneigten Wand traversieren, ohne dabei mit den Händen Griffe zu benützen. Hände dürfen gegen die Wand gestützt werden, um Gleichgewicht besser zu halten.
    Effekt: Viel Beckenverschub zwingend notwendig, kleine Schritte funktionieren besser als  große.
  • Wandqueren mit einem Finger auf leicht positiv geneigter Wand.
    Effekt: Die Durchführung eines Beckenverschubs kann nicht durch Haltekraft kompensiert werden.
  • „Das Lot“: An der kletternden Person wird ein Lot (Ein Seilstück in Verlängerung der Wirbelsäule zwischen den Beinen) befestigt. Das Lot kann zur Stabilisierung mit einem Knoten oder Chalkbag beschwert werden. Ein Beobachtender kann nun erkennen, ob sich das Lot vor dem Ansteigen über den belasteten Tritt verschiebt.
  • Verschneidungsklettern (Stützen): Eine mit vielen Tritten bestückte Verschneidung soll ohne Greifen geklettert werden. Um höher steigen zu können, muss mit den Handflächen gestützt werden.
    o      Einfache Variante: Auf den Griffen stützen.
    o      Schwierige Variante: Nur gegen die Wand stützen.

 

Weitere Übungen zum präzisen Steigen:

  • Antippen: Den anzusteigenden Tritt vor dem Antreten langsam und leise mit der Schuhspitze berühren.
  • Tritt umkreisen: Den anzusteigenden Tritt vor dem Antreten mit der Schuhspitze umkreisen.
  • „Kieselsteine“: Kleine Gegenstände auf die Tritte legen lassen (z. B. Holzdübel, Griffschrauben, Legosteine). Danach wird gequert, ohne dass diese zu Boden fallen sollen. Variante: Unter Zeitdruck (mit Stoppuhr oder als Staffelspiel in zwei Gruppen etc.).
  • „Linien ergänzen“: Jeweils einen Tapestreifen (bzw. verschieden-färbige Streifen für links und rechts) auf die Schuhspitze kleben. In der gleichen Farbe einen Streifen oberhalb eines Trittes kleben. Nun muss so geklettert werden, dass die zwei Streifen jeweils eine exakte Linie ergeben.
  • „Katzenklettern“: Vor allem im Kinderbereich kann man mit verschiedensten Bildern arbeiten, z. B. Klettern wie eine Katze, die sich anschleicht, oder als Gegensatzerfahrung wie das „Griff-Zerbrösel-Monster“.
  • „Transporter“: Etwas auf die Schuhoberseite legen, das beim Klettern nicht herunterfallen soll.
  • Leise klettern: Prinzipiell sollte das Antreten einmalig, präzise und leise sein. Dies beim Klettern probieren lassen. Im Paarbetrieb könnte der oder die nicht-kletternde Partner*in darauf achten, dass das Antreten wirklich leise ist oder die Tritte bzw. Stellen auf diesen aussuchen, wo das Antreten erfolgen soll.
  • Variante spielerisch: Die Mäuse versuchen von A (Küche) nach B (ins Mäuseloch) zu kommen und queren die Wand, die Katze steht mit verbundenen Augen und einem weichen Ball auf der Matte vor der Wand (etwa auf halber Strecke) und versucht die Mäuse abzuschießen. Sie ist dabei auf das gute Hören ihrer Ohren und die unvorsichtigen Geräusche der Mäuse angewiesen. Effekt: es wird plötzlich richtig leise geklettert;)
  • Beim Klettern auf den Tritten selbständig gewisse Punkte aussuchen und versuchen, diese präzise (leise, einmalig) anzutreten.
  • Variation der Geschwindigkeit: Mit steigender Klettergeschwindigkeit probieren, präzise anzutreten.
  • „Der Fuß-Parcours“: Es werden verschiedenste der genannten Übungen in einem Parcours kombiniert (dies könnte auch selber von den Teilnehmern*innen kreiert werden). Z. B. zuerst 2 Meter Kieselsteine, dann Linie ergänzen, dann nur auf Reibung antreten (Bereich mit Tape markieren), dann eine Bandschlinge mit dem Fuß von einem Tritt holen und auf einen anderen hängen, dann 2 Meter Kieselsteine, aber schnell, dann drei Mal kreuzen, ein Glöckchen, das an der Wand aufgehängt ist, berühren, ohne dass es klingelt etc.

3. Trittwechsel

 

Trittwechsel – oder genauer gesagt Fußwechsel am Tritt – kommen bei einer guten Fußtechnik sehr häufig zum Einsatz. Insbesondere, wenn die Routen schwieriger werden und weniger Tritte zur Verfügung stehen, wird diese Technik immer bedeutender, um Kraft in den Armen zu sparen.

 

Drei häufige Varianten des Trittwechsels:

  • Umspringen/Lipizaner: Umspringen ist die schnellste Möglichkeit einen Fuß zu wechseln. Sie erfordert allerdings relativ gute Griffe und ist riskant, weil unpräzise. An manchen Stellen kann es daher sehr sinnvoll sein mit einem Fuß knapp über den anderen zu steigen und den unteren dann dynamisch rauszuziehen. Kontrolle und Präzision des Umspringens werden dadurch deutlich erhöht.
Umspringen
  • Dazusteigen: Hierbei empfiehlt es sich schon beim Antreten bewusst Platz zu lassen, um mit dem zweiten Fuß auf denselben Tritt dazu steigen zu können. Bei sehr kleinen Tritten kann durch Abklappen oder Kippen eines Fußes nach außen bzw. auf die Außenkante des Schuhes auf dem Tritt Platz für den anderen Fuß gemacht werden.
Dazusteigen
  • Zwischensteigen: Wenn sich z. B. das linke Bein auf einem Tritt befindet, wird mit dem rechten Fuß auf Reibung (an der Wand) angetreten. Darauf kann der linke Fuß gehoben werden und tritt seinerseits auf Reibung an. Nun kann der rechte Fuß auf den Tritt gesetzt werden.
auf Reibung zwischensteigen

Übungen:

  • Die erwähnten Varianten erfahren und üben lassen. Variationsmöglichkeiten sind z. B. die Trittgröße und die Neigung des Geländes. Welche Variante hat wann Vorteile, ist wem sympathischer etc.?
  • „Elimination“: Es darf nur innerhalb eines begrenzten Bereiches gestiegen werden (z. B. Unterhalb der Markierungslinie). Ein Start- und ein Zieltritt werden definiert. Jede*r, der oder die die Strecke bewältigt hat, soll einen verwendeten Tritt mit einem kleinen Tapestreifen markieren. Markierte Tritte dürfen nicht mehr verwendet werden. Die Trittmöglichkeiten werden so laufend reduziert. Es muss immer besser geplant werden, öfter umgestiegen werden und kleinere Tritte verwendet werden. Gespielt wird in Kleingruppen (zwei bis vier Personen). Ziel ist es, so lange wie möglich durchzuhalten.

4. Zug im Fuß-/Beinbereich

 

Je steiler das Gelände, desto wichtiger wird die Möglichkeit, mit den Füßen auch Zug am Tritt auszuüben. Einerseits um weitergreifen zu können, andererseits um aus einer stabilen Position heraus schütteln oder klinken zu können. Die Zugarbeit im Bein macht sich meist durch eine deutliche Spannung der Muskulatur der Oberschenkelrückseite bemerkbar (die Zugarbeit führt im Weiteren bis zum Heel- bzw. Toehook).

 

Übungen:

  • Am Boden stehend das Gewicht nach vorne verlagern. Kurz vor dem nach vorne Kippen, machen die Zehen eine „Einkrallbewegung“. Diese ist in Folge auch gefordert, um Zug auf den Tritt zu bringen.
  • „Handgemachte Tritte“: Eine Person stellt sich ganz nahe an die Wand und bildet mit ihren Händen eine Schaufel, die als Tritt verwendet wird. Die zweite Person und hat nun die Aufgabe, diesen Tritt in verschiedene Richtungen wegzudrücken und zu sich an den Körper zu ziehen.
  • Es werden einige Positionen vorgezeigt, in denen es nach dem Loslassen einer Hand nur möglich ist, stabil an der Wand zu bleiben, wenn mit einem Bein Zug ausgeübt wird. Die Teilnehmer*innen werden in Paaren losgeschickt, um solche Griff-Tritt-Konstellationen zu finden und diese dann vorzuzeigen.

5. Fersenstellung

 

Der Winkel im Sprunggelenk sollte bei normalem Klettern ca. 90 Grad betragen (beste Kraftentwicklung in der Wadenmuskulatur). Es gibt aber auch Ausnahmen: Manche Tritte erfordern ein spitzeres Ansteigen von oben, also eine deutlich höhere Fersenstellung, während zum Beispiel Reibungstritte eine hängende Fersenstellung verlangen. Zu große Schuhe können auch zu einem stärkeren Heben der Ferse führen.

 

Übungen

  • Differenzierungsübung: Klettern mit stark hängender Ferse, mittlerer Position und überstreckter Fersenhaltung. Dabei kann die persönliche Idealstellung ermittelt werden.
  • Überkreuzend steigen: Um sich Trittwechsel zu sparen und schnell und kraftsparend in die gewünschte Fußposition zu kommen, ist es oft sinnvoll, überkreuzend zu steigen. Wichtig für die Stabilität ist es dabei, die überkreuzten Beine aufzulösen, bevor weitergegriffen wird.
  • Vorderkreuzen – Hinterkreuzen: Es soll möglichst oft gewinnbringend überkreuzt werden. Zusatz-Challenge: Lässt sich eine Regel finden wann vorder- und wann hinterkreuzt wird?
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