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3.5. Phasenstruktur der Kletterbewegung

Sieht man sich einen „normalen“ Kletterzug in seiner zeitlichen Abfolge genauer an, so lässt sich dieser in einzelne Funktionsphasen zerteilen. Diese Teilung kann den Übungsleiter*innen helfen, genauer zu verstehen und zu beobachten, was bei einer (Standard-)Kletterbewegung passiert. Alle bisher durchgenommenen Klettertechniken finden sich in der Struktur einer solchen „Standard-Kletterbewegung“ wieder und werden daher auch als Grundtechniken bezeichnet.

Das Konzept der Phasenstruktur dient also einerseits zur Analyse von Klettertechnik. Anderseits kann es für die Kletternden von großem Nutzen sein, um mehr Bewusstsein über die eigenen Bewegungen zu bekommen und eine Art Handlungsanweisung parat zu haben. Wobei sich dieses Modell primär am Routenklettern oder ähnlichen Bewegungen orientiert; für das moderne Kunstwandbouldern ist es wohl wesentlich weniger relevant. Je nach Kletterniveau und Zielgruppe ist es sinnvoll dieses Thema genauer oder nur grob schematisch („steigen-greifen-steigen“) zu behandeln.

 

Vorbereitungsphase:

  • Zielgriff auswählen (und weitergreifende Hand )

Hauptphase:

  • Weiterziehen zum nächsten Griff („statisch“ oder dynamisch)
  • Füße bzw. Körper positionieren

Endphase:

  • Steigen, um eine stabile Position einzunehmen

 

Technik/Bewegungsbeschreibung

 

Phasenstruktur der (Standard-)Kletterbewegung:

1.) Vorbereitungsphase

  • Ausgangsposition vorbereiten und Zielgriff auswählen (und weitergreifende Hand)

2.) Hauptphase

  • Weiterziehen zum nächsten Griff („statisch“ oder dynamisch)
  • Füße bzw. Körper positionieren

3.) Endphase

  • Steigen, um eine stabile Position einzunehmen

Im Folgenden werden die einzelnen Phasen mit möglichen Hauptschwierigkeiten genauer betrachtet:

 

 

1.) Vorbereitungsphase

 

Ziel der Vorbereitungsphase ist die Schaffung einer möglichst idealen Ausgangsposition für die Hauptphase (das Weitergreifen). Die Vorbereitungsphase besteht aus einem mentalen Teil (=der Bewegungsplanung) und einem körperlichen Teil (=steigen und KSP verschieben).

 

Hauptschwierigkeiten:

 

Wenig konkrete Bewegungsvorstellung. Bewegungserfahrung ist die Grundlage von Bewegungsplanung. Anfänger:innen fehlt hier die Klettererfahrung. Daraus resultiert:

  • Weitergreifen ohne einen Zielgriff bestimmt zu haben. Je größer die Griffauswahl, desto eher wird unter Zeitdruck ein „ungünstiger“ Griff gewählt.
  • Nicht-Erkennen der Positionierungsmöglichkeiten bzw. der idealen Tritte
  • Gleichzeitiges Höherziehen während dem Ansteigen. Vor allem in steileren Wänden kostet dieser Fehler den Kletternden viel Kraft, da die gebeugte Armhaltung sehr lange gehalten wird.
  • Belastetes bzw. unpräzises Ansteigen
  • Ansteigen an nur einer Haltehand   
  • Ungünstige Tritthöhe (zu hoch oder zu niedrig)

o Die Kletternden erreichen den Zielgriff nur in einer sehr überstreckten Körperhaltung und haben in Folge     Probleme diese Position aufzulösen (Tritte zu niedrig).

o Die Kletternden brauchen aufgrund der zu hohen Trittwahl einen hohen Kraftaufwand, um den KSP über die Tritte zu verlagern.

 

Übungen zur Bewegungsvorstellung:

  • Tritte für einen vorgegebenen Zug suchen, dann probieren und nach besseren Varianten suchen
  • Züge planen
  • In Paaren zusammengehen und gemeinsam die ersten drei Züge einer Route planen. Dann werden die Züge (im Toprope) geklettert und der Soll-/Ist-Vergleich angestellt.   Variante: Dasselbe, aber anhand eines von der Übungsleiter:in geklebten Boulders
  • Bewegungen ansagen
  • Am Seil: In Dreier-Gruppen zusammengehen (klettern/sichern/ansagen) oder zu zweit in einem Boulder. Varianten: Weite, aber leichte Züge oder Züge an der Leistungsgrenze der kletternden Person
  • Tritte markieren
  • Nur die Griffe eines Boulders sind markiert. Bevor dieser geklettert wird, werden die minimal benötigten Tritte markiert. Dann wird der Boulder geklettert und probiert, ob diese Tritte die besten Varianten waren.
  • Von A nach B in X Zügen  
  • Es werden Start- und Zielgriffe und eine gewisse Zuganzahl vorgegeben. Die Kletternden sollen versuchen, genau in der vorgegebenen Anzahl an Zügen den Zielgriff zu erreichen.
  • Vorbereiten lassen mit einem oder zwei großen Schritten im Unterschied zu mehreren kleinen (was das wünschenswerte ist)

 

Für die körperliche Vorbereitungsphase sind sämtliche Übungen aus 4.1 anwendbar.

2.) Hauptphase

 

Hier erfolgt das Weitergreifen zum Zielgriff. Die Bewegung sollte dabei aus den Füßen beginnen und sich wellenförmig (Körperwelle!) über die Beine, Hüfte, Oberkörper, Schulter und Arm bis zur Greifhand fortsetzen. Der KSP wandert dabei über die Tritte und möglichst nahe zur Wand, gleichzeitig wird mit der Haltehand gezogen. Diese Bewegung kann entweder „statisch“ (fett) oder dynamisch (fett) durchgeführt werden. Wobei natürlich auch im Zuge der „statischen“ Hauptphase eine Bewegung stattfindet.

 

Hauptschwierigkeiten:

Statisch

  • Zu frühes Loslassen der greifenden Hand. Es wird nach dem Zielgriff gegriffen, bevor der KSP eine ausreichende Höhe erreicht hat. Dies führt zu einer fehlenden Unterstützung der Greifhand während der Hauptphase (Verschieben/Heben des KSP).
  • Überblocken: Der Greifarm ist beim Erreichen des Zielgriffs abgewinkelt. Es wäre somit ein kleinerer Bewegungsumfang in der Hauptphase und somit ein geringerer Kraftaufwand ausreichend gewesen.

 

Dynamisch (siehe Kapitel 4.6)

 

Übungen zur Hauptphase:

Statisch

  • Unterstützende Hand
  • Routen oder Boulder klettern, dabei bewusst die Aufmerksamkeit auf die unterstützende Hand richten: Diese soll erst loslassen, wenn keine weitere Zugarbeit mit  Höhengewinn mehr durch die Haltehand nötig ist.
  • „Einfrieren“: Bis das Becken die optimale Höhe erreicht hat, bleibt die Greifhand (unterstützende Hand) am Griff. Ist die richtige Höhe erreicht, friert der Körper ein, macht also keine Bewegung (mindestens eine Sekunde Pause), dann greift die Hand isoliert zum Griff.

 

Dynamisch (siehe 4.6)

3.) Endphase (Stabilisierungsphase)

 

Unmittelbar nach dem Erreichen des Zielgriffes beginnt die Endphase. Dabei sollte – in Abhängigkeit der Belastungsrichtung des Zielgriffes – über ein rasches Neupositionieren der Füße bzw. eine Verschiebung des KSP möglichst schnell eine stabile Position eingenommen werden.

 

Hauptschwierigkeiten:

  • Die Endphase wird nicht durchgeführt. Es wird ohne Umsteigen gleich versucht weiterzugreifen, was häufig zu einem aus der Wand kippen durch eine „offene Türe“ führt.
  • Die Belastungsrichtung wird nicht richtig erspürt und Füße und KSP werden schlecht positioniert.
  • Die erstbeste, einigermaßen stabile Position wird gewählt, um zu klinken, zu rasten und zu schütteln, dadurch wird unnötig Kraft vergeudet bzw. ist das Klinken so unnötig gefährlich.

 

Übungen zur Endphase:

  • Nach dem Fassen des Zielgriffes werden verschiedenste Beinpositionen durchprobiert auf der Suche nach der stabilsten und kraftsparendsten Position.
  • Route klettern lassen (bzw. einen längeren eher leichten Boulder). An jedem Griff soll am gestreckten Arm die jeweils andere Hand drei Sekunden geschüttelt werden. Falls dies an einem Griff nicht möglich ist, überlegen warum.

 

Verschmelzen von End- und Vorbereitungsphase:

 

Handelt es sich um eine Bewegungskombination mit gleichzeitiger Vorbereitung für den nächsten Zug, wie dies beim Bouldern, oder auch beim Rotpunkt-Klettern häufig der Fall ist, so wird die Positionierung des KSP und der Füße oft anders aussehen müssen. In diesem Fall kommt es zu keiner ausgeprägten Stabilisierungsphase bzw. verschmelzen die Endphase und die Vorbereitungsphase des nächsten Zuges miteinander. Es geht nun darum, möglichst direkt in eine gute Position für den nächsten Zug zu kommen.

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