akademie.naturfreunde.at

3.2. Greifen

Greifen bzw. „sich festhalten“ ist naturgemäß ziemlich wichtig beim Klettern. Das Thema sollte daher auch in einem Kletterkurs nicht zu kurz kommen.

 

1. Griff- und Greifarten

Im Folgenden werden unterschiedliche Griffarten und die jeweiligen Möglichkeiten des Greifens behandelt. Je größer die eigene Erfahrung mit verschiedenen Griffformen ist, umso besser können unterschiedliche Griffe belastet werden. Dies ermöglicht sowohl ein kraftsparendes („weiches“) Greifen bei Ausdaueranforderungen als auch das Finden eines optimalen Kraftschlusses bei maximalen Belastungen. Felskletter*innen haben hier oft mehr Greifsensibilität aufgrund der vielfältigeren Erfahrungsmöglichkeiten. Im Kletterkurs sollten wir daher versuchen, durch ein großes Angebot an verschiedenen Griffen, diese Greifsensibilität zu schulen. Für die Verletzungsprophylaxe im Finger- und Handbereich ist ein physiologisches Grundverständnis des Greifens wichtig.

 

  • Henkel
  • Leisten
  • Aufleger
  • (Finger-)Löcher
  • Zangengriff
  • Stempeln
  • Stützen
  • Griffwechsel (eigentlich Handwechsel) 

Henkel

Henkel sind gute, große Griffe, welche mindestens bis zum Fingermittelgelenk, meist aber mit der ganzen Hand greifbar sind. Häufig wird bei Henkeln mit der Bildung einer Hautfalte an den Finger-Grundgelenken geklettert. Henkel sind immer hinterschnitten und für den Anfänger*innen-Bereich besonders wichtig.

 

 

Leisten

 

Das sind Griffe, die aufgrund ihrer Geometrie maximal bis zum zweiten Fingerglied gegriffen werden können. Die Größe reicht dabei von wenigen Millimetern bis zu maximal 3 Zentimetern. Es gibt hinterschnittene, positive und abschüssige Leisten.

Je nach Fingerkraft und Form können Leisten hängend, halbaufgestellt oder aufgestellt gehalten werden.

  • Hängend: Das ist die fingerschonendste Art zu Greifen. Bei spezifischem Fingerkrafttraining (Campusboard, Fingerbrett etc.) wird empfohlen, immer „hängend“ zu greifen. Besonders im Anfänger*innen- und Nachwuchsbereich ist im Sinne einer guten Verletzungsprophylaxe nur hängendes Greifen zu empfehlen, da der passive Bewegungsapparat der Finger noch nicht ausreichend ausgeprägt ist.
greifen hängend
  • Halbaufgestellt: So kann mehr Druck auf den jeweiligen Griff aufgebaut werden. Es erhöht sich aber auch die Belastung auf die passiven Strukturen (Ringbänder) und somit die Verletzungsgefahr.
greifen halb aufgestellt
  • (Voll-)Aufgestellt: Die Winkel in den Fingergelenken werden nochmal verkleinert, so dass der Auflagedruck auf den Griff noch mehr von oben kommt. Die zusätzliche Verwendung des Daumens (am Rand der Leiste oder über den Zeigefinger) erhöht den Druck auf die festgehaltene Leiste zusätzlich. Durch die starke sowie physiologisch ungünstige Belastung der Fingerstrukturen ist im Anfänger*innen- und Nachwuchsbereich aggressives Aufstellen von Griffen zu vermeiden.
greifen voll aufgestellt

In der aufgestellten bzw. aggressiv aufgestellten Fingerposition kommt es zu einer vermehrten Belastung der Ringbänder. Diese sind zirkuläre Bandstrukturen, welche die Sehnen beweglich an die Fingerknochen fixieren. Die Ringbänder sind von A1 bis A5 durchnummeriert, wobei vor allem A2 und A4 von Verletzungen betroffen sind.

Im Anfänger*innen-Bereich sollte Klettern mit aufgestellten bzw. aggressiv aufgestellten Fingern vermieden werden. Die Belastungen für die Finger sollten insgesamt langsam gesteigert werden. Im Gegensatz zur Muskulatur benötigen passive Strukturen Jahre, um sich langsam an die hohen Belastungen anzupassen. Bei Kindern kommen zusätzliche Gefahren für die Wachstumsfugen hinzu, weshalb hier besonders von aufgestellten Fingern und kleinen Griffen abgeraten werden muss.

Abb. Ringbänder

Aufleger

 

Aufleger sind runde und häufig abschüssige Griffe, die im Unterschied zu Henkeln und Leisten nicht positiv bzw. hinterschnitten sind. Zumeist ist es notwendig, die Finger bzw. sogar die ganze Hand auf die Grifffläche zu legen. Die optimale Belastungsrichtung (=KSP zur Wand) sowie gute Reibung sind bei Auflegern von größter Bedeutung. Für Kinder ist das Halten von Auflegern wegen der kleineren Hände oft besonders schwierig.

Aufleger

(Finger-)Löcher

 

Nach der Anzahl der Finger, die hineinpassen, werden diese häufig als Ein‐, Zwei‐ oder Dreifingerlöcher bezeichnet. Durch übereinander „Sortieren“ bzw. „Stapeln“ der Finger können größere Haltekräfte erzielt werden.

Wichtig: Ein‐ und Zweifingerlöcher stellen für Anfänger*innen eine Überforderung des aktiven und passiven Bewegungsapparates dar, dies kann leicht zu Verletzungen führen und sollte vermieden werden!

2-Fingerloch

Zangengriff

 

Diese Griffe werden auf der einen Seite mit dem Daumen und auf der anderen mit den restlichen Fingern fixiert. Sie werden so wie eine Zange zusammengezwickt. Zangengriffe sind meist senkrecht, beispielsweise Sintersäulen am Fels, und durch die Beteiligung der gesamten Unterarm-Muskulatur ziemlich kraftverbrauchend.

 

Zangengriff

Bei dieser Auflistung handelt es sich um Bezeichnungen für die am häufigsten vorkommenden Griffformen. Häufig bietet jedoch ein und derselbe Griff mehrere Greifmöglichkeiten bzw. kann auch von Mischformen (Aufleger-Leisten, Loch-Zange usw.) gesprochen werden. Je nach Anforderung der Kletterbewegung liegt es an den Kletternden, die passende Greifart zur jeweiligen Kletterstelle zu finden.

 

Weitere spezielle Greiffarten sind:

Stempeln

 

Griffe, die wie Knöpfe oder Pilze aus der Wand ragen, können mit der äußeren Handkante umschlossen werden. Der kleine Finger liegt dabei an der Wand. Diese Technik hat den Vorteil, dass sie für die Unterarm-Muskulatur relativ kraftsparend ist. Sofern es möglich ist, Griffe zu stempeln, ist es sehr empfehlenswert.

Stempeln

Stützen

 

Durch die Verwendung von Volumen, Boxen und sehr großen Auflegern ist das Stützen beim modernen Hallenklettern von großer Bedeutung. Aber auch beim Felsklettern in flacherem Gelände oder Kaminen und Verschneidungen kommt diese Greiftechnik zum Einsatz. Beim Stützen zeigen die Finger nach unten und der Handballen bildet die Hauptauflagefläche des Gewichtes.

2. Griffwechsel (eigentlich Handwechsel)

 

An manchen Kletterstellen kann es erforderlich sein, dass auf einem Griff von der einen zur anderen Hand gewechselt werden muss. Dafür gibt es drei Möglichkeiten:

  • Dazugreifen: Ist der Griff groß genug, kann durch möglichst geschicktes Platzieren der einen Hand mit der anderen Hand dazu gegriffen werden (vorausschauendes Klettern wird hier häufig erforderlich sein).
  • Klavierspielen: Hierbei wird Finger für Finger von der einen zur anderen Hand gewechselt.
  • Umschnappen: Falls die anderen beiden Methoden nicht möglich sind, muss umgeschnappt werden. Also möglichst vor dem „Totpunkt“ mit der einen Hand bereits losgelassen werden, um dann mit der anderen im „Totpunkt“ am Griff zu sein.

3. Wie greifen?

Das Greifen sollte insgesamt schnell, präzise und weich erfolgen:

  • Schnell, weil dadurch die Zeit minimiert wird, in der nur ein Arm belastet wird.
  • Präzise meint, dass der Griff möglichst an jenem Punkt fixiert wird, der die beste Haltemöglichkeit bietet (optimaler Formschluss).
  • Weich bedeutet, dass der Griff nur mit der jeweils minimal notwendigen Kraft gehalten werden soll.

 

Methodik/Organisation:

  • Erklären, Vorzeigen, probieren lassen
  • Partner*innen- bzw. Gruppenübungen und Spiele

 

Gelände/Material:

  • Flaches, senkrechtes bis leicht überhängendes Gelände
  • Viele unterschiedliche Griffformen, Strukturen, Volumes

 

Übungen:

- Blind traversieren mit Füßen am Boden: Mit geschlossenen Augen die Wand entlang traversieren. Die Aufmerksamkeit richtet sich so vermehrt auf taktile Reize der Hände. Griffflächen werden fokussierter wahrgenommen.

 

- Blinde Kuh: Unter einem Tuch werden verschiedene Griffe versteckt. Man zeigt einen Griff an der Wand, der sich im Duplikat auch unter dem Tuch befindet. Nun müssen die Kinder durch Tasten jenen gleichen Griff finden.

 

- Blind klettern: Das Klettern mit geschlossenen Augen ermöglicht eine intensive taktile Wahrnehmung beim Greifen. Für diese Übungsform bieten sich, aus Sicherheitsgründen, bodennahe Traversen an. Auch das paarweise Üben (ein/e Beobachter*in) kann Kollisionen zweier blind Kletternder in der Wand verhindern.

 

- Aufleger halten: An Auflegern klettern und dabei die optimale Belastungsrichtung suchen lassen.

 

- Leisten halten: Leisten suchen, belasten und alle drei Greifarten probieren. Anschließend gemeinsam Erfahrungen reflektieren. Vorsicht beim aggressiven Aufstellen!

 

- Kofferpacken: mindesten zu zweit werden immer zwei neue Griffe an einen Boulder hinzugefügt. Varianten: Griffarten dazu benennen; mit nur einer Griffart; mit möglichst vielen Griffarten

 

- Umgreifen: An verschiedenen Griffarten und Griffgrößen soll „klaviergespielt“ oder umgeschnappt werden. Anschließend werden gemeinsam Erfahrungen reflektiert.

 

- Elimination mit Griffen (siehe Elimination, 5.1)

 

- Weich, Präzise, Schnell: Klettern und dabei auf jeweils einen der drei genannten wichtigen Aspekte des Greifens die Aufmerksamkeit fokussieren.

 

- Griffkreisel: Aus einer stabilen Fußposition heraus einen Kreis aus Griffen definieren und diese immer schneller werdend im Kreis greifen.

 

- Boulder bauen: Einen Boulder kreieren (oder auch kreieren lassen), bei dem:

  • Alle erwähnte Griffarten vorkommen
  • Nur eine bestimmte Griffart vorkommt (v. a. Aufleger sind besonders interessant);
  • Besonders spannende (diffizil zu haltende) Griffe vorkommen

 

- Griffhalteintensität: In drei Gängen variieren, wie fest die Griffe gehalten werden sollen. Danach die Erfahrungen reflektieren.

Angebotssuche