Text: Mag. Franz Sieghartsleitner, Fotos: Tanja Schröck
Rotbuchenwälder kommen nur in Europa vor. Im Lauf mehrerer Jahrhunderte wurden sie genutzt und sukzessive zurückgedrängt. Ursprüngliche Buchenwaldbestände kommen daher nur mehr in wenigen Fragmenten vor. So erklärt sich ihre große Bedeutung für die Menschheit. Die alten Buchenwälder des Nationalparks Kalkalpen in Oberösterreich und des Wildnisgebietes Dürrenstein in Niederösterreich wurden deshalb zu Weltnaturerbestätten erklärt. Was alle Welterbestätten gemeinsam haben, ist ihre Einzigartigkeit, Authentizität und Unverwechselbarkeit. Die herausragende Idee des UNESCO-Welterbes ist, alle Weltkultur- und Weltnaturerbestätten in einen großen Zusammenhang der Geschichte der Menschheit zu stellen. Sie sollen gemeinsam und nachhaltig geschützt und bewahrt werden.
Den Buchenwäldern im Nationalpark Kalkalpen sieht man ihr Alter an. Üblicherweise haben Buchen eine glatte, silbergraue Rinde. Nur im hohen Alter bekommen Buchen eine rissige, grobe und am Stammfuß sehr bemooste Rinde. Von diesen Baumgreisen sieht man in den Weltnaturerbewäldern viele. Neben mächtigen Baumriesen bestaunt man in diesen Buchenwäldern allerorts auch die Kraft von Naturereignissen. Im steilen Gelände, wo alljährlich viel Schnee fällt, gibt es beispielsweise Krummholz-Buchenwälder. Durch den Schub der schweren Schneedecke entsteht an vielen Buchen ein Säbelwuchs.
Eine Besonderheit im Nationalpark Kalkalpen ist auch das gemeinsame Auftreten von Buchen und Lärchen innerhalb eines Bestandes, der an der steilen Nordseite des Sengsengebirges mancherorts die Waldgrenze bildet. Während die Buche als Zeigerart eines feucht-gemäßigten Klimas gilt, hat die Lärche ihren Verbreitungsschwerpunkt im subalpinen Bereich der kontinentalen Innenalpen. Durch die ständig vorhandene Störung, die von Lawinen und Schneegleiten ausgeht, verharren diese Buchenbestände in ihrer Entwicklung und kommen nicht über das vorhandene, von der Lärche geprägte Sukzessionsstadium hinaus. Dieses gemeinsame Auftreten von ökologisch und biogeografisch so gegensätzlichen Elementen kann man hier entdecken.
Auf der Rotbuche leben in unseren Breiten über 260 Baumpilzarten. Viele dieser Pilze sind die Lebensgrundlage spezialisierter Käferarten. So lebt der Gehörnte Zunderschwamm-Schwarzkäfer ausschließlich im Zunderschwamm der Rotbuche. Die Larven dieses Käfers fressen das Innere des bereits abgestorbenen Fruchtkörpers, bis dieser vollständig ausgehöhlt ist. Auch die Verpuppung findet im Inneren des Pilzkörpers statt. Die adulten Käfer findet man vor allem nachts an der Unterseite von noch lebenden Pilzkörpern, wo sie sich von den Pilzsporen ernähren. Ein Star im Weltnaturerbe-Buchenwald ist der europaweit geschützte Alpenbockkäfer. Er ist auf Buchen angewiesen, weil die Larve fast ausschließlich im Holz anbrüchiger Buchen lebt.
Eng an den Lebensraum Buchenwald gebunden sind auch der Schwarzspecht und der sehr seltene Weißrückenspecht, ein Urwaldspecht. Sie hämmern ihre Bruthöhlen vorzugsweise in alte Buchen mit großen Stammdurchmessern. Nach dem Verlassen ihrer Baumhöhlen werden die Jungtiere noch einige Tage von ihren Eltern mit Nahrung versorgt, danach können sie selbstständig jagen. Nachgenutzt werden ihre Höhlen unter anderem von Waldkäuzen, Wildbienen und der seltenen Bechsteinfledermaus, einer ausgesprochenen Waldfledermausart.
Extrem an den Buchenwald angepasst sind auch die Siebenschläfer. Kein Tier schläft ausdauernder. Erst im Mai kommen sie aus den Winterverstecken in die Baumkronen auf der Suche nach leckeren Buchenblüten. Gibt es viele Blüten, gibt es im Herbst auch viele Bucheckern. In einem solchen Buchenmastjahr haben die Klettermaxe ihr großes Los gezogen. In Jahren mit Buchenblütenmangel verzichten die Siebenschläfer auf ihre Fortpflanzung. Das geht so weit, dass die Männchen keine entwickelten Geschlechtsorgane haben.
RangerInnen zeigen dir im Rahmen geführter Touren die Besonderheiten dieser faszinierenden alten Buchenwälder! Mehr darüber auf kalkalpen.at