Text und Fotos: Babsi Vigl, Mitglied des Naturfreunde-Alpinkaders
Um den mit 3789 m höchsten Berg Österreichs ranken sich viele Sagen. So sollen sich etwa anstelle der Pasterze, des 8 km langen und damit größten Gletschers Österreichs am Fuße des Großglockners, einst grüne Wiesen befunden haben, die als Strafe für verschwenderische Bauern mit Eis bedeckt wurden. Die Geschichte der Erstbesteigung ist nicht weniger spannend. 1799 versuchte erstmals eine Expedition mit 30 Teilnehmern, den Großglockner zu besteigen. Zu diesem Zweck wurde auf 2644 m die erste Schutzhütte der Ostalpen errichtet - die Salmhütte. Die Expedition scheiterte und endete am Kleinglockner. Den richtigen Gipfel erreichten im darauf folgenden Jahr über den heutigen Normalweg fünf Teilnehmer einer 62-köpfigen Expedition. Seit damals hat sich viel getan. Mit mehr als 30 dokumentierten Routen und zahlreichen Stützpunkten von Osttiroler oder Kärntner Seite aus ist der Großglockner heute eine wahre Spielwiese für Alpinistinnen und Alpinisten. Der beliebte Normalweg weist bereits Kletterstellen im Schwierigkeitsgrad II (UIAA) auf, und mit dem Stüdlgrat von Südwesten (III+, UIAA), der Pallavicinirinne (55°, 600 m) und der Mayerlrampe (70°, 500 m) von Norden kommen auch NordwandanwärterInnen und SteilwandschifahrerInnen voll auf ihre Kosten.
Bereits im Frühjahr wechseln die ersten BergsteigerInnen auf der Adlersruhe von Schiern auf Steigeisen, um von dort die letzten Meter zum Gipfel zu klettern. Später in der Saison gelangt man auch mit Bergschuhen zum höchsten Punkt Österreichs.
Einsamkeit wird man am Großglockner in der Hochsaison nicht finden. Dafür wird man mit einer atemberaubenden Aussicht, ausgesetzten Kletterstellen und – falls man den Weg über die Stüdlhütte wählt – kulinarischen Highlights belohnt, wie sie in dieser Höhe selten zu finden sind.
Klein aber fein – so kann man das Hochtourenangebot in der Silvretta-Region beschreiben. Klein heißt aber keineswegs einfach. Die Gipfel überschreiten alle die 3000er-Marke und bieten eine abwechslungsreiche Mischung aus Fels, Eis und Schnee, die von Allroundbergsteigerinnen und -bergsteigern unterschiedlichste Fähigkeiten fordern.
Ein besonderes Erlebnis bietet die Überschreitung Großlitzner (3109 m)-Großes Seehorn (3121 m), die zu den schönsten Silvretta-Gratklettereien im III. und IV. Schwierigkeitsgrad zählt. Idealer Ausgangspunkt für diese Tour ist die Saarbrücker Hütte (2538 m), die in 2,5 bis 3 Stunden vom Vermuntstausee (1743 m) auf der Bielerhöhe zu erreichen ist. Ein früher Start lohnt sich, wenn man bei einer ersten kleinen Pause am Litznersattel den Sonnenaufgang erleben möchte, bevor das Gelände deutlich steiler wird und über den Gletscherrest zum Beginn der ersten Kletterstellen im II. Schwierigkeitsgrad führt. Genüssliche Kletterei in festem, blockigem Gestein, unterbrochen von einer kurzen Abseilstelle, führt über die Schlüsselstelle im IV. Grad auf den ausgesetzten Gipfel des Großlitzners. Von hier geht es in luftiger Abseilerei hinunter ins Hochjoch, in die Scharte zwischen den zwei Dreitausendern. Leichte, aber ausgesetzte Kletterei im II. Grad über den Nordostgrat führt zum zweiten Gipfel: zum Großen Seehorn. Die Anstrengung lohnt sich nicht nur wegen der erstklassigen Kletterei und den freihängenden Abseilern, sondern auch wegen der Aussicht. Bei guter Fernsicht kann man Piz Buin, Silvrettahorn und auch die Schneegipfel der Berner Alpen bewundern. Doch die Tour ist noch nicht zu Ende! Acht Abseilstellen später werden am Seegletscher, wo einen der Abstieg über die Seelücke und zurück zum Vermuntstausee erwartet, nochmals Steigeisen und Pickel ausgepackt. Zuvor allerdings kann man einen kurzen Abstecher zur Saarbrücker Hütte machen, um mit Cappuccino und hausgemachtem Apfelstrudel die Energiereserven aufzufüllen!
An manchen Orten fühlt man sich augenblicklich wie in eine andere Welt versetzt. So ergeht es einem, wenn man zum ersten Mal in die wilde Berglandschaft rund um die Geraer Hütte (2324 m) in den Zillertaler Alpen kommt.
Die Tour zum Fußstein (3380 m) beginnt beim Gasthaus Touristenrast (1345 m) am Ende des Valsertals. Mit jedem Schritt gelangt man in eine immer stiller und steiler werdende Umgebung, die von den mächtigen Gipfeln des Olpereres und des Fußsteins sowie den Felsen der Schrammacher-Nordwand und der Sagwand am Talschluss dominiert wird. Inmitten dieser wild-schönen Landschaft steht die kleine, charmante Geraer Hütte, die in der kalten Jahreszeit mit einem liebevoll gepflegten Winterraum und in der Sommersaison mit der herzlichen Familie Lanthaler sowie mit regionaler Küche überzeugt.
Die Route zur Nordkante des Fußsteins zählt zu den anspruchsvolleren Hoch- und Klettertouren der Zillertaler Alpen. Man geht an der Geraer Hütte vorbei Richtung Olperer und holt am Olperergletscher Seil, Steigeisen und Pickel aus dem Rucksack. Unter einem eindrucksvollen Gletscherbruch kann man behutsam nach links zum versicherten Grat des Olperers queren – für die Nordkante des Fußsteins hält man sich rechts und steigt zum Fuße der Kante auf. Im Anschluss folgen viele genussvolle Seillängen bis zum V. Schwierigkeitsgrad im Granit bis zum Gipfel des Fußsteins. Nach einem knapp dreistündigen Abstieg über die Alpeiner Scharte, der an der zum Greifen nahen Nordwand des Schrammachers vorbeiführt, kehrt man zur Geraer Hütte zurück, wo man vom Hüttenwirt und Bergführer Arthur höchstpersönlich zubereitete köstliche Graukaspressknödel verspeisen kann.
Die Geraer Hütte, die 1895 errichtet und von 2007 bis 2018 Schritt für Schritt saniert wurde, ist auch Ausgangspunkt für weitere Klassiker wie den Olperer-Nordgrat (II UIAA) und die Besteigung des Fußsteins über den Hüttengrat (IV UIAA) von Westen oder den Normalweg von Süden.