www.naturfreunde.at

Abenteuer Alpinkraxeln

Bei den Schwierigkeitsgraden II bis IV UIAA beginnt die Kletterei „schärferer Richtung“. Solche Touren sind gut geeignet, um sich an das alpine Felsklettern heranzutasten und in der felsigen Bergwelt Erfahrung zu sammeln.

Text und Fotos: Axel Jentzsch-Rabl, Alpinverlag

 

Wer glaubt, dass es sich bei Einsteiger-Touren nur um alte Anstiege von Kletterpionieren vergangener Jahrhunderte handelt, irrt. Im gesamten Alpenraum werden immer wieder neue leichte Anstiege geschaffen – meist werden diese mit Bohrhaken ausgestattet, um das Klettern noch sicherer zu machen.

 

 

Ellmauer Tor & Acherkogel

Ein Beispiel aus 2020 ist die „Ellmauer-Tor-Tour“; dabei handelt es sich um einen neuen Anstieg im Bereich der Steinernen Rinne unterhalb der berühmten Einsattelung mitten im Wilden Kaiser. Das Ambiente beim genussvollen und bohrhakengesicherten Klettern könnte zwischen den steilen Felswänden von Fleischbank und Totenkirchl nicht eindrucksvoller sein!

Neben neuen Anstiegen wurden auch beliebte Klassiker behutsam mit Bohrhaken ausgestattet. Das Wahrzeichen des Kühtais und der nördlichste Dreitausender Tirols, der Acherkogel, ist so ein Fall. Der Nordostgrat, auf dem man auch den Maningkogel überschreitet, gehört zu den besten Gratklettereien Tirols. Auch hier wurden an einigen Passagen Bohrhaken platziert. Der teilweise sehr luftige, aber nur an wenigen Passagen schwere Grat führt auf einen Aussichtsgipfel, von dem man schöne kleine Bergseen sowie die Eisriesen des Alpenhauptkammes im Blickfeld hat. Vom Gipfel führt ein heikler Schrofen-Abstieg, der dieses als Tagestour gut durchführbare Kletterabenteuer abrundet, hinunter zum Mattingsee.

 

Zum Gipfel der Zugspitze

Eiger-Nordwand light – wer so etwas am eigenen Leib erleben will, ist an der „Eisenzeit“, die sich durch die Nordwand der Zugspitze schlängelt, genau richtig. Sie ist ein Mix aus Klettersteig- und Klettertour. Im unteren Teil folgt man einem alten, sehr desolaten und abenteuerlichen Tunnelsteig, der für den Bau der Bayerischen Zugspitzbahn (die ähnlich wie die Jungfraubahn am Eiger auch im Berg verläuft) angelegt wurde. Nach dem Durchschreiten des Tunnels IV beginnt der von Bergführern mit Bohrhaken abgesicherte Kletterweg. Je nach Verhältnissen hat man dort – wie in der Eiger-Nordwand - auch mit Eis und Schnee zu kämpfen. Nach einer finalen Abseilfahrt erreicht man über den Klettersteig das goldene Gipfelkreuz der Zugspitze und schwebt von dort mit der Panoramaseilbahn hinunter ins Tal.

 

Über den Nordgrat auf den Großvenediger

Wer die „Eisenzeit“ erfolgreich absolviert hat, kann an größere Herausforderungen denken. Im Hochsommer bietet sich zum Beispiel der Nordgrat auf den Großvenediger an. Dort kann man genussvolles Gratklettern mit einer schönen Hochtour kombinieren und muss sich neben der Schwierigkeit am Fels auch noch mit den Spalten beim Abstieg auseinandersetzen. Mit festen Bergschuhen an den Füßen wird die „böse“ Platte kurz vor dem Gipfel für viele zum spannenden Abschluss dieser tollen Kletterei. Vom fünfhöchsten Berg Österreichs steigt man auf dem Normalweg zur Kürsinger Hütte ab und rauscht schlussendlich mit dem E-Bike oder Taxibus durch das lange Obersulzbachtal nach Neukirchen.

 

Herausfordernde Fünf-Gipfel-Runde

Ein weiteres Highlight leichter alpiner Kletterei ist die im Nahbereich der berühmten und viel begangenen Watzmann-Ostwand gelegene „Blaueisumrahmung“, eine kühne Fünf-Gipfel-Runde (Schärtenspitze, Blaueisspitze, Hochkalter, Kleinkalter und Rotpalfen), auf der die letzten Überbleibsel des Blaueises, des nördlichsten Gletschers der Alpen, umrundet werden. Als Tagestour ein rassiges Unternehmen, bei dem man an die 17 Stunden unterwegs ist. Die Schlüsselstelle ist ein ausgesetzter Kamin am zweiten Turm der Blaueisspitze im oberen vierten Schwierigkeitsgrad. Um die Zustiegszeit zu verkürzen, kann man die urige Blaueishütte als Stützpunkt einplanen. An der langen Kletterzeit von 10 Stunden, die auch wegen der nicht ganz einfachen Wegsuche anfällt, ändert das aber nichts.

 

Trotz der verschiedenen Aufgabenstellungen sind die angeführten Touren gut zu meistern, und man kann am Ende stolz darauf sein, so prominente Gipfel erreicht zu haben. Einen Effekt haben diese leichten vertikalen Anstiege allesamt gemeinsam: Nach unzähligen abgespulten Seillängen, heiklen Schrofenquerungen, dem am Ende verdient genossenen Gipfelglück, dem meist längeren Zu- und Abstieg und einem gemütlichen Ausklang in einer gemütlichen Schutzhütte fokussiert man meist schon ein neues Kletterziel, von dem man zu träumen und schwärmen beginnt.

Tipps für sichere leichte Klettertouren

Inwiefern unterscheidet sich leichte alpine Kletterei von Klettertouren, die wir aus den Klettergärten oder der Kletterhalle kennen? Genau genommen ist es die „Markierung“ des Anstieges bzw. der Klettertour. In Klettergärten weisen in der Regel Bohrhaken und in Kletterhallen noch zusätzlich bunte Griffe den Weg nach oben. Im alpinen Gelände gibt es meist keine Orientierungshilfen; daher sind sehr umfangreiche und genaue Tourenvorbereitung sowie gewisse Grundkenntnisse in vertikaler Wegfindung gefragt. Am besten besucht man einen Kurs der Naturfreunde für Mehrseillängen-Klettertouren (siehe Seite xx), in dem man alles über Routenfindung lernt. Auch die Teilnahme an geführten Touren ist zu empfehlen: Als Neuling lernt man bei jedem „betreuten“ Kontakt mit dem oft rauen alpinen Gelände etwas dazu.

 

Der zweite Erfolgsgarant für sichere leichte Klettertouren ist die Tourenplanung. Vor allem die korrekte Toureninformation und eine solide Toposkizze sollten vor solchen Unternehmungen genau studiert werden. Auch eine Internetrecherche vor langen Anstiegen, bei der man gezielt nach Kommentaren zu den aktuellen Verhältnissen oder eventuellen Veränderungen der Routenführung (zum Beispiel durch Steinschlag) sucht, erspart oft unangenehme Überraschungen. Das Wetter – bei Tagestouren ein extrem wichtiger Faktor - muss natürlich auch berücksichtigt werden, und im Frühsommer kommt die Altschnee-Thematik dazu; denn oft ist in dieser Jahreszeit die erste Seillänge von steilem, hartem Schnee verdeckt.

10 Stunden klettern: Auf der Tour "Blaueisumrahmung" umrundet man die letzten Reste des nördlichsten Gletschers der Alpen
Die Route auf den Achterkogel zählt zu den besten Gratkletterein.
Toureninfos

Ellmauer-Tor-Tour

In 12 Seillängen zum berühmtesten Wahrzeichen des Wilden Kaisers

Talort: St. Johann in Tirol

Dauer: 5,75 Stunden

Schwierigkeit: 3+

Beste Zeit: Juni-Oktober

 

Acherkogel-Nordostgrat

Eine der besten und längsten Gratklettereien im Kühtai

Talort: Oetz

Dauer: 10,5 Stunden

Schwierigkeit: 4

Beste Zeit: Juli-September

 

Eisenzeit-Bergführerweg

Eiger-Nordwand light an der mächtigen Zugspitze

Talort: Garmisch-Partenkirchen

Dauer: 8,25 Stunden

Schwierigkeit: 4-

Beste Zeit: Juli–September

 

Großvenediger-Nordgrat

Gewaltige Bergfahrt auf den mächtigen Eisriesen

Talort: Neukirchen am Großvenediger

Dauer: 10,5 Stunden

Schwierigkeit: 4-

Beste Zeit: Juni–September

 

Blaueisumrahmung

Die lange Umrundung des nördlichsten Alpengletschers

Talort: Ramsau bei Berchtesgaden

Dauer: ca. 17 Stunden

Schwierigkeit: 4+

Beste Zeit: Juni–Oktober

 

ANZEIGE
Angebotssuche