Outdoor- und kletterbegeisterte Familien haben es nicht immer leicht, ein Urlaubsziel zu finden, an dem das vertikale Abenteuer mit dem von den Kids gewünschten Wasserspaß kombiniert werden kann. Ein Ziel, an dem das sehr gut möglich ist, sind die schroffen Felsformationen am Nordufer des Gardasees.
Eng, steil und mit viel südländischem Flair behaftet liegen die beiden Orte Riva del Garda und Torbole am nördlichsten Ufer des größten Sees Italiens. In den schönen Park- und Strandanlagen kann man unter den hoch in den Himmel aufragenden Pinien dem bunten Treiben der Windsurfer folgen, während die Kinder genüsslich am Sand- oder Kiesstrand bzw. im Wasser spielen. Schlendert man danach durch die in der Monarchie errichtete Altstadt von Riva del Garda und passiert den leicht schiefen Torre Apponale (Uhrturm), fühlt man sich fast in die k. und k. Zeit mit Sissi und Franzl zurückversetzt – so kitschig spiegeln sich die gelben Prunkbauten des Hafenviertels im See.
Unweit des nördlichen Endes des Lago di Garda, der dank der vielen neuen Radwege von den umliegenden Orten auch sehr gut mit dem Fahrrad zu erreichen ist, befindet sich die eigentliche Bergsteigermetropole Norditaliens, das kleine Städtchen Arco. Fast direkt im Ort ragt die hohe, recht imposante und mit zahlreichen Klettertouren durchzogene Felswand des Monte Colodri in den Himmel.
Es wäre nicht Arco, würde neben den vertikalen Klettertouren nicht auch eine – bis auf eine kurze Stelle am Ende – leichte Via ferrata auf das total verkarstete Gipfelplateau führen. Vom Parkplatz beim Freibad erreicht man in einer Viertelstunde den Einstieg in einem Pinienwald und klettert dann über die schöne Steiganlage zwischen dem Burgfelsen und dem Monte Colodri aufwärts. Das schon erwähnte Steilstück am Schluss ist mit Seilsicherung und Seilzug auch von kleinen Kindern gut zu bewältigen. Vor dieser kurzen Schlüsselstelle bieten sich auf dem immer wieder sehr flachen und mit vielen Gehpassagen gespickten Eisenweg zahlreiche Rastmöglichkeiten an.
Auf dem Karstplateau angekommen, folgt man der Markierung zum Gipfelkreuz und genießt den wunderbaren Ausblick auf den Lago di Garda und ins Sarcatal. Mit etwas Glück trifft man, neben den zahlreichen über die Karstfelsen flitzenden Eidechsen, auf die in manchen Jahren dort oben hausende Gipfelkatze. Das eher wild anmutende Kätzchen stellt für Kinder eine willkommene Abwechslung dar und wird bei der obligatorischen Gipfelrast immer üppig verköstigt.
Der Abstieg, vorbei an einer Wiese, die direkt an einem mit Kinderrouten überzogenen Kletterfelsen zu einer Rast einlädt, führt direkt ins Stadtzentrum von Arco und endet für die Kinder fast schon gewohnheitsmäßig in der Gelateria am Hauptplatz. Nach dem Eisvergnügen geht es – Kinder sind ja bekanntlich nie so richtig müde – zum Spielplatz hinter der Kirche; dieser liegt in einem Park mit einer nicht unbedeutenden Baumsammlung, in dem sogar ein Mammutbaum steht.
Wenn klettererfahrene Eltern ihre Kinder (ab ca. 7 Jahren) auf eine richtige Klettertour mitnehmen wollen, bieten sich die Platten rechts der Burg Drena – bei der Ortschaft Dro – für die ersten Longclimb- bzw. Gehversuche an. Im rechten Teil wurde mit der Route „La prima lezione per i piede“ eine fantastische Klettertour geschaffen, deren schwerste Stellen im dritten Grad – meist aber darunter – angesiedelt sind.
Mit einem den dritten Grad beherrschenden soliden Vorsteiger (die Hakenabstände sind wegen der geringen Schwierigkeit doch recht groß) kann man diese Route quasi als Familienklettertour in Angriff nehmen. Die Kinder wissen anfangs nicht so richtig, ob sie auf allen vieren klettern oder doch gehen sollen. Nach den ersten Seillängen haben sie den Dreh meistens heraus und rennen fast schon als Nachsteiger hinterher.
Ist das Ende dieser gewaltigen Plattentour, deren Linie im Mittelteil über große, raue, aber nie sehr steile Wasserrillen führt, erreicht, wartet ein „Dschungelabstieg“ auf die Kids, bei dem sie sich von Baum zu Baum hangeln müssen. Schließlich werden wieder die Weinberge am Wandfuß erreicht.
Diese Klettertour gehört zu den leichteren Routen, die in den letzten Jahren von den Tirolern um Heinz Grill und Florian Gluckner eingerichtet wurden. Im Zentrum ihrer Touren steht das Gesamterlebnis – also der Zustieg, gefolgt von der eigentlichen Kletterstrecke, die meist bei einem Punkt mit herrlicher Aussicht endet. Geschlossen wird der Erlebniskreis durch den Fußabstieg, bei dem man noch mehr von der mediterran anmutenden Landschaft mitbekommt.
Die Ecke bei der Burg Drena hat auch ein Highlight für versierte Jugendliche anzubieten, den Rio-Sallagoni-Klettersteig. Gerade an heißen Tagen ist diese sehr schön angelegte Schlucht-Ferrata ein gewaltiges Naturerlebnis. Immer direkt über dem Bach in der engen Schlucht hangelt man sich nach oben und bekommt erst in einem Kessel, der mit dschungelähnlichen Pflanzen überhäuft ist, wieder festen Boden unter den Füßen. Über zwei Seilbrücken erreicht man das Ende des Klettersteiges und geht auf dem Wanderweg direkt zum Castello Drena hinauf – wer vor dem Abstieg noch eine Burgbesichtigung einschieben möchte, wird mit fantastischen Ausblicken vom hohen Burgturm belohnt.
Obwohl der Klettersteig zu den beliebtesten am nördlichen Gardasee zählt, ist Vorsicht geboten: Für Personen unter 1,50 m ist die Steiganlage nur schwer zu bewältigen, weil der Abstand zwischen Stahlseil und Trittbügeln zu groß geraten ist.
Ein leichtes Klettersteigziel, bei dem man aber für den Zustieg etwas mehr Kondition braucht, sind die ganz neu sanierten Via ferratas hoch über Riva del Garda. Für Kinder und Jugendliche sind die Aufstiege oberhalb des Ortes Biacesa (erreichbar durch den langen, steil im Berg aufwärts führenden Autotunnel von Riva del Garda) interessant. Für höhleninteressierte Kids ist der Sentiero dei Camminamenti ein kleiner Abenteuerspielplatz. In den zahlreichen Stollen geht man im Inneren des Berges quasi unter dem Gipfel hindurch – der leichte Steig ist gut versichert und für Klettersteig-Kids mit entsprechender Ausrüstung und Lampe durchaus machbar.
Neben den Klettersteigen und Kletterrouten bieten die Gardasee-Berge auch das eine oder andere Wanderhighlight. Hervorzuheben sind die Wiesen mit herrlicher Aussicht hoch oben im hinteren Sacratal, die von den Tre Cime del Bodone im Naturreservat hoch über dem Etschtal eingerahmt werden. Auch dort oben kommen Liebhaber steiler Klettersteige auf ihre Rechnung – die schwere, aber kurze Via ferrata Giulio Segata kann von den Klettersteigfreaks in der Familie in die Wandertour eingebaut werden; man trifft sich dann wieder auf dem Gipfel.
Der Sentiero dell’Anglone ist eine beliebte Wanderrunde mit kurzen Ferrata-Passagen (für trittunsichere Kinder ist ein Sicherungsseil nötig). Meist geht man auf dem guten, von der Gemeinde liebevoll mit zahlreichen Schautafeln hergerichteten Lehrpfad „Percorso alle Carve“, der einen schönen Einblick in die verschiedenen Arten der alten Waldbewirtschaftung gibt. Gewandert und geklettert wird entlang der Felskante der Coste dell’Anglone; Ausgangs- und Endpunkt ist die Ortschaft Dro im Sacratal.
Als idealer Stützpunkt hat sich der ca. 5 km vom Gardasee entfernte Ort Arco erwiesen. Dort gibt es zwei Klettercampingplätze, mit Zugang zum Freibad und einem eigenen Boulderraum. In 5 Minuten erreicht man zu Fuß das Ortszentrum. Zahlreiche Herbergsbetriebe im Ort haben sich auf Bergsteiger spezialisiert. Die Anreise erfolgt mit dem Auto; das Mountainbike hat sich als guter zusätzlicher Begleiter erwiesen. Man erspart sich die lästige Parkplatzsuche im Ort bzw. bei den nahen Klettersteigen oder Kletterzielen und kann auch eine der zahlreichen, wirklich tollen, neu adaptierten MTB-Routen in Angriff nehmen. Die berühmte und relativ einfach zu fahrende Tunnelstrecke von Riva entlang des Berghanges hinauf nach Biacesa sollte man auf jeden Fall einmal gemacht haben – man hat dabei immer einen schönen Ausblick auf den Gardasee.
Ein Tagesausflug sollte auch ins „Gardaland“ am Südufer des Sees führen. Das „Gardaland“ ist der größte Vergnügungspark Italiens und hat unzählige, wirklich tolle Kinderattraktionen.
Hauptsaison ist von Ostern bis Juni und im Herbst, in dieser Zeit ist das Klima für vertikale Outdooraktivitäten geradezu ideal, der See aber eher kalt. Im Juni findet alljährlich der internationale „Rock Junior Arco“ statt, bei dem 5- bis13-Jährige aus vielen Ländern gemeinsam klettern.
Wer im Sommer nach Arco kommt, genießt am Nachmittag oft die kühlende Brise der so genannten „Ora“, des bei Windsurfern so beliebten Seewinds.
Im Herbst lässt der berühmte Rockmaster-Kletterwettbewerb noch einmal das kletterbegeisterte Volk nach Arco strömen. Die kleine Fußgängerzone, die wohl die größte Dichte von Bergsportgeschäften in Europa aufweist, ist dann ein Meer von bunt fleecebejackten Kletterfreaks, und an den Abenden wird das Ortszentrum zu einer großen Partyzone.
In der ruhigeren Zeit kann man sich in Arco vortrefflich erholen. Man genießt gemütlich einen Capuccino im Caffè Trentino, während die Kinder auf dem großen, verkehrsfreien Hauptplatz vor der Kirche spielen. Wer einmal beim Gardasee klettern oder bergsteigen war, wird wohl für immer von den unerschöpflichen Möglichkeiten der alpinen Betätigung kombiniert mit dem mediterranen Urlaubsgefühl gefangen sein und gleich die nächsten Kletterferien planen.
Text und Fotos von Axel Jentzsch-Rabl