Das Interview führte Doris Wenischnigger, Chefredakteurin des Magazins „Naturfreund“. Fotos: Manuel Haider, Andreas Landefeld, Dominik Jäger, Ben Tibbetts
Tanja, du hast von 2020 bis 2023 am Naturfreunde-Alpinkader teilgenommen. Was hat dir diese Ausbildung gebracht?
Sie hat mir vor allem eine neue Perspektive auf das Bergsteigen und Klettern eröffnet. Mit meinen üblichen Tourenpartnern hatte ich mich immer etwa in den gleichen Schwierigkeitsgraden und Disziplinen bewegt. Mir war gar nicht bewusst gewesen, was es noch alles alpinistisch zu erleben gibt und dass manches davon für mich auch möglich ist. Mein Kletterkönnen und meine technischen Fähigkeiten haben sich im Rahmen des Alpinkaders sehr verbessert. Ich kann daher allen Bergsteigerinnen und Bergsteigern, die ihren Horizont erweitern und sich verbessern wollen, nur empfehlen, beim Naturfreunde-Alpinkader mitzumachen.
Was verbindet dich mit den Naturfreunden?
Ich bin seit 2008 Mitglied und habe bereits an unzähligen Vereinsveranstaltungen teilgenommen, die mich geprägt und bereichert haben. Besonders dankbar bin ich dafür, dass die Naturfreunde mir die Möglichkeit gegeben haben, die Ausbildung zur Schitouren-, Hochtouren- und Alpinkletterinstruktorin zu absolvieren – ein großer Schritt in meiner persönlichen Entwicklung. Schon vor meiner Alpinkader-Zeit durfte ich für den Verein Schitouren und Hochtouren führen, was mir immer große Freude bereitet hat. In Zukunft möchte ich jedoch nicht mehr als Instruktorin, sondern als Bergführerin für den Verein tätig sein – ein Traum, der sich erfüllt, wenn ich meine Ausbildung abgeschlossen habe. Ich freue mich, dass ich als Anwärterin bereits erste Naturfreunde-Kurse leiten durfte – ein Vorgeschmack auf all das, was ich mir für die Zukunft erhoffe.
Was hat dich dazu inspiriert, Bergführerin werden zu wollen?
Wer wie ich die Berge liebt, denkt natürlich darüber nach, wie man noch mehr Zeit dort verbringen kann. Hinzu kommt, dass ich mit dem klassischen Lebensmodell von Karriere, Haus und Kindern wenig anfangen kann. Da erschien mir die Bergführerausbildung wie die perfekte Möglichkeit, mein Leben ganz nach meinen eigenen Vorstellungen zu gestalten.
Sind deine Erfahrungen, die du im Alpinkader gesammelt hast, auch für deine Ausbildung zur Bergführerin wertvoll?
Sehr wertvoll! Einige Kursinhalte des Alpinkaders waren fast wie eine gezielte Vorbereitung für die Bergführerausbildung, etwa bestimmte Seil- und Rettungstechniken. Auch die Steigerung meiner klettertechnischen Fähigkeiten war sehr wichtig; ohne sie hätte ich die Aufnahmeprüfung nicht geschafft.
Was fasziniert dich so sehr an den Bergen?
Ein großer Teil der Faszination liegt für mich in diesem Gefühl grenzenloser Freiheit. Am Berg entscheide ich selbst über mein Leben. Ich kann mir eine Tour aussuchen, die mich fordert und begeistert, oder einfach meinen eigenen Weg gehen und Neues entdecken. Ich liebe beim Klettern und Bergsteigen die Mischung aus körperlicher Anstrengung und geistiger Konzentration. Es ist, als würde ich dabei den Sinn des Lebens spüren – oder zumindest etwas, was dem ganz nahekommt. Im Alltag fühle ich mich oft durch gesellschaftliche Konventionen und Erwartungen eingeengt, fast wie in einem Käfig. Doch in der Natur fühle ich mich lebendig, frei und ganz bei mir selbst.
Hast du eine Lieblingsregion oder einen Lieblingsberg, den du immer wieder gerne besteigst?
Es gibt so viele Orte auf dieser Welt, die mich faszinieren, und für jede Jahreszeit und jedes Wetter gibt es Plätze, an denen man unvergessliche Abenteuer erleben kann. Besonders wichtig ist mir die Abwechslung. Paklenica in Kroatien, die klassischen 4000er der Westalpen und die beeindruckenden Eisfälle in Osttirol zählen definitiv zu meinen Favoriten. Doch mein Herz gehört dem Grazer Bergland. Diese Region fühlt sich für mich am meisten wie Zuhause an.
Welche Rolle spielen bei einer Bergtour Gemeinschaft und Teamgeist?
Sie sind viel bedeutender, als ich früher gedacht habe. Sich gegenseitig Sicherheit zu geben und zu unterstützen schenkt einem so viel. Gemeinsam kann man an Herausforderungen wachsen. Freundschaft und das gemeinsame Erleben von Spaß sind für mich unglaublich wichtig. Ich genieße es aber auch sehr, allein unterwegs zu sein. Da fühle ich mich noch freier, und es bringt mir eine tiefe Entspannung.
Welche Werte willst du den Menschen, die du durch die Berge führst, im Umgang mit den Bergen vermitteln?
Am Berg sollte es keinen Platz für Leistungsdruck geben, der die Freude zerstört und im schlimmsten Fall sogar gefährlich werden kann. Alle Erwartungen, die man glaubt erfüllen zu müssen, sind unwichtig. Was zählt, ist den eigenen Weg zu gehen und dabei Spaß zu haben. Natürlich müssen wir die Natur respektieren und so wenige Spuren wie möglich hinterlassen. Wir sollten uns jedoch auch das Recht bewahren, uns frei in der Natur bewegen zu dürfen – und dieses Recht sollten wir mit Respekt und Verantwortung einfordern.