Vor allem Menschen, die im Wellnessdschungel von Yoga über Pilates, von Tai-Chi bis zur modernen Tanzimprovisation nach gesteigertem Wohlbefinden, spielerischer Leichtigkeit und Bewegungsvielfalt suchen, fühlen sich von der Feldenkrais-Methode angesprochen. Hollywood-Stars wie Scarlett Johansson und Morgan Freeman, aber auch Sportler wie der Läufer Wim Luijpers schwören auf „Bewusstheit durch Bewegung“, wie Dr. Moshé Feldenkrais (1904—1984, Physiker, Pädagoge und Judomeister) seine Bewegungsmethode für Gruppen nannte. Diese verspricht Besserung bei zahlreichen Beschwerden des Bewegungsapparats, bei Stresssymptomen und bei neurologischen Erkrankungen. Außerdem wird durch Feldenkrais die Beweglichkeit erhöht, eine aufrechte Haltung erreicht und das Koordinationsgefühl deutlich verbessert. Darüber hinaus kann Feldenkrais zur Leistungssteigerung im Sport beitragen sowie Kreativität und Ausdrucksmöglichkeiten fördern.
Das Gewohnte mit mehr Leichtigkeit erleben
Feldenkrais-Übungen sind einfach, und die Variationsbreite ist groß, von spürbar klein bis dynamisch umfassend. Es werden jedoch nicht nur Bewegungen geübt, sondern es wird auch die Wahrnehmung geschärft, mit welcher Kraft, in welchem Tempo und in welche Richtung die Bewegung genau läuft. Unser Nervensystem übernimmt das Gelernte und adaptiert danach die täglichen Bewegungen wie Bücken oder Aufstehen. Auf spielerische Weise entdeckt man ein natürlicheres, einfacheres Bewegungsmuster. Das wirkt sich auch direkt auf eine verbesserte Beweglichkeit und Balance beim Klettern aus und erhöht die Trittfestigkeit in schwierigem Gelände. Meist verschwinden auch etwaige Schmerzen des Bewegungsapparats. Nach Feldenkrais-Übungen fühlt man sich entspannt, leicht und frisch.
Mühelos wandern und klettern
Wie bereichert nun Feldenkrais speziell Bewegungen beim Wandern? Durch die Übungen wird die verspürte Anstrengung beim Bergaufgehen und Klettern gemindert; Entlastung wird erreicht, wenn bergab die Knie überanstrengt werden. Die Lösung liegt in einer optimierten Haltung und einfacheren Bewegungsabfolge. Das Gute daran ist, dass dieser Ablauf nicht erst während des Wanderns geübt wird, sondern unser Gedächtnis die richtige Abfolge aus dem Training übernommen und bereits automatisiert hat. Gerade deshalb eignet sich Feldenkrais auch als Vorübung zum Klettern und verhilft zur optimalen Gewichtsverteilung und Balance beim Hängen in der Wand. Was hier für das Klettern gut ist, gilt auch für jede andere Sportart: Die Präzision wird gesteigert, die Anstrengung verringert.
Lästige Gewohnheiten ablegen
„Eine Gewohnheit ist nur so lange gut, solange ich sie jederzeit ändern kann“, sagte der Begründer der Methode. Die Feldenkrais-Methode wird auch dann gerne eingesetzt, wenn man etwas verändern oder lästige Lebensgewohnheiten ablegen will. Erst wenn Bewegungsabläufe während der Übungen aufmerksam wahrgenommen werden, können eingeschliffene Bewegungsmuster erkannt und dadurch abgelegt werden; dann werden nützlichere in unseren Bewegungsalltag übernommen und automatisiert.
Feldenkrais-Übungen sind nicht kompliziert. Wichtig sind nur die genaue Selbstbeobachtung beim Training und das Nachspüren der Wirkung. So wird beispielsweise verfolgt, auf welche Weise es leichter fällt, das Bein beim Gehen zu heben, oder wie die Tiefenmuskulatur von Becken und Rücken zusammenwirkt. Moshé Feldenkrais meinte: „Wenn wir wissen, was wir tun, können wir genau das tun, was wir tun wollen. Bewegen ist Leben, und Leben ist ein Prozess; verbessern wir die Qualität dieses Prozesses, verbessern wir unser ganzes Leben.“
Leichte Feldenkrais-Übungen nach einer anstrengenden Wanderung wirken wie Balsam auf den Stützapparat, der Rücken wird entlastet, Daueranspannungen werden gelöst. Das sind gute Voraussetzungen, wenn man am nächsten Tag die Tour leicht und grazil fortsetzen will. Zudem werden durch das Jonglieren mit der Wahrnehmungsfähigkeit auch Umgebung und Natur intensiver erlebt. Der richtige Muskeleinsatz, vor allem in der Beckengegend, verringert das Strapazieren vieler kleinerer Muskeln, die bei falscher Belastung üblicherweise die Arbeit der großen übernehmen und Verspannungen in der Nacken- und Lendengegend nach sich ziehen.
„Organisches“ Lernen ohne zu schwitzen
Feldenkrais ist ein Training frei von Schwitzen und Anstrengung. Denn Muskeln und damit ein Bewegungsablauf können nicht über eine Kraftanstrengung neu programmiert werden, sondern nur während langsamer Übungen, dem bewussten Wahrnehmen dieser und wenn der Großteil der Muskeln (z. B. im Liegen) entspannt bleibt und nur ein Teil aktiv ist. Das begeistert auch jene für Feldenkrais, die nicht gerne regelmäßig und mit Anstrengung üben wollen.
In der Regel reicht eine Bewegungslektion für die Dauer einer Stunde aus, um ein neues Bewegungsmuster zu erlernen — zum Beispiel eine neue Art des Rollens von der Rücken- in die Seitenlage oder eine andere Art aus dem Sitzen aufzustehen. Ständiges Wiederholen und tägliches Üben sind nicht notwendig, weil die Bewegungslektion vom Nervensystem beibehalten wird.
Etwas ungewohnt mag für manchen das Spüren und Erleben der Bewegungen sein. Wie bei den asiatischen Bewegungsmethoden steht auch hier der Weg und nicht das Ziel im Mittelpunkt. Obwohl es sich bei Feldenkrais um eine Bewegungslernmethode handelt, hat diese mit Schule und Lernen nichts zu tun. Es handelt sich um ein „organisches“ Lernen — Spiel und Spaß sind die Devise.
Wenn unser Nervensystem ein neues Optimum oder Besserung gefunden hat, geht das mit einem immensen Glücksgefühl einher und ist mit einem ähnlichen Lächeln verbunden, das uns von Kindern her bekannt ist, wenn sie etwas Neues erfolgreich ausprobiert haben.
Text von Robert Hoppaus, Feldenkrais-Lehrer und Bewegungscoach