Für das einstige Wunderkind der Kletterszene Johanna Ernst ist die Zeit reif für eine Neuorientierung. Die Entscheidung im September 2013, das Wettkampfklettern an den Nagel zu hängen, ist ihr nicht leicht gefallen. Dennoch meint die 21-Jährige: „Das Kapitel ist abgeschlossen. Es hat mir einfach keine Freude mehr gemacht, mich immer wieder fürs Trainieren zu motivieren. Ich will eine Pause machen und jetzt sehr viel draußen klettern. Das macht mir mehr Spaß. Meine Leidenschaft gilt nun dem Felsklettern. Außerdem reise ich gerne, und das lässt sich mit dem Klettern sehr gut kombinieren. Ich werde nicht versuchen, die schwierigsten Routen zu klettern, sondern vielmehr die Routen, die einfach eine schöne Linie haben. Ich werde mich auch nicht unter Druck setzen lassen. Ich muss weder mir noch sonst jemandem mehr etwas beweisen. Ich genieße die Zeit, bin voller Dankbarkeit und Zufriedenheit darüber, was ich bis jetzt geschafft habe, und auch voller Vorfreude auf das, was noch alles auf mich zukommen wird. Wer weiß, vielleicht werde ich dieses Jahr zu studieren beginnen. Aber da mach ich mir auch keinen Stress.“
Die Nachricht über ihren Rückzug vom Wettkampfgeschehen kam für viele überraschend. Der Entschluss stand zwar schon länger fest, musste jedoch ein paar Monate reifen. „Ich habe einfach gespürt, dass ich Abstand brauche und den Drang habe, abseits des Leistungssports neue Dinge zu probieren.“
Johanna Ernst, Mitglied der Naturfreunde Mitterdorf im Mürztal, kann auf eine Wettkampfkarriere mit außergewöhnlichen Erfolgen zurückblicken. Sie ist immer noch die jüngste Gesamtweltcupsiegerin im Sportklettern, jüngste Rockmaster-Siegerin, jüngste Europameisterin und jüngste Weltmeisterin. 2013 war bereits ihre sechste Wettkampfsaison auf internationaler Ebene in der allgemeinen Klasse.
Über all die Jahre hinweg blieb allerdings neben Sport und Schule fast keine Zeit mehr für andere Aktivitäten. Johanna Ernst ist zwar im Rahmen ihrer Wettkampfkarriere viel herumgekommen, aber sie hatte immer einen straffen Zeitplan: Wettkämpfe, Trainingslager, Sponsorentermine und öffentliche Auftritte. Da blieb nicht viel Zeit zum Nachdenken. In ruhigen Momenten und in der wettkampffreien Zeit merkte Johanna Ernst immer stärker, dass ihr viele Dinge abgingen, zum Beispiel ein gutes Buch lesen, shoppen, auf Reisen gehen oder einfach mit Freunden chillen. Das war dann auch ausschlaggebend für ihren Entschluss, sich neue Ziele zu setzen.
Johanna Ernst möchte sich heuer vor allem dem Felsklettern widmen und hat sich einiges vorgenommen: Im April steht Klettern in Mazedonien an, den Juni möchte sie im Klettergebiet Céüse in Südfrankreich verbringen; für Juli und August ist Klettern in Südafrika oder Kanada geplant, und im November wird es ein paar Kletterwochen in Spanien geben.
Auf ein mögliches Comeback will Johanna Ernst sich nicht festlegen: „Wenn mich die Sehnsucht wieder packt, komme ich natürlich zurück. Aber ich mache sicher keine halben Sachen. Entweder ganz oder gar nicht!“
1. Platz EM 2008, Vorstieg
1. Platz WM 2009, Vorstieg
1. Platz Gesamtweltcup 2008 und 2009, Vorstieg 2. Platz EM 2010, Vorstieg 3. Platz WM 2012, Vorstieg 3. Platz Gesamtweltcup 2012, Vorstieg