Hochtouren-Kurs

Vom 10. bis 12. Juli 2015 fand in Tirol das zweite Ausbildungsmodul des neuen Alpinkader-Lehrgangs der Naturfreunde statt. Die sechs Alpinkader-Mitglieder trainierten auf der Wildspitze mit dem Ausbildungsleiter Stefan Brunner, wie man möglichst sicher einen Gletscher begeht und was im Falle eines Spaltensturzes zu tun ist.

 

Text: Michael Groher, Mitglied des Naturfreunde-Alpinkaders, Fotos: Stefan Brunner

 

Neu eingekleidet von der Firma Mountain Equipment und voll motiviert sind Stefan, Patrick und ich Richtung Vent unterwegs. An der Materialseilbahn der Breslauer Hütte treffen wir Clemens und Thomas, die uns schon erwarten. Um den ersten Ausbildungstag voll nützen zu können, wandern wir mit unseren neuen Pieps-Rucksäcken sofort zur Hütte - über wunderschöne Blumenwiesen und bei strahlendem Sonnenschein! Nach gut einer Stunde erreichen wir die moderne Breslauer Hütte (2844 m) am Fuße der Wildspitze, die uns drei Tage lang als Stützpunkt dienen soll. Nach dem Verstauen unseres Gepäcks gehen wir zu fünft (Babsi und Lorin stoßen erst am Abend zu uns) zum sogenannten Rofenkarferner, einer idealen Umgebung, um grundsätzliche Sicherungstechniken und Verhaltensregeln am Gletscher zu üben. Nach dem ausführlichen Testen der T-Verankerung mittels Eispickel und der Schneebirne (= eine Möglichkeit, sich abzuseilen, wobei die Last am Seil lediglich vom Schnee getragen wird) lernen wir, wie man sich abhängig von der Gruppengröße richtig anseilt. Zum Schluss wird noch an unserer Steigeisentechnik gefeilt, wobei uns Stefan auf spielerische Art und Weise zeigt, dass dies durchaus sehr lustig und anstrengend sein kann.

 

Nach dem Abendessen stehen Kartenkunde und Orientierung auf dem Programm. Schließlich können wir auch Babsi und Lorin begrüßen und den Tag gemütlich ausklingen lassen.

 

Auf die Wildspitze

Da wir den nächsten Tag ganz auskosten wollen, starten wir schon um sechs Uhr Richtung Wildspitze. Durch das Mitterkarjoch führt ein kurzer Klettersteig vorbei am Hinteren Brochkogel. Auf einer immer steiler werdenden Firnflanke können wir die Lehrinhalte des Vortags gleich anwenden. Man könnte nun direkt dem Grat auf die Wildspitze folgen, wir entschließen uns aber für den Aufstieg über die Nordwand: eine kurze, ca. 50 Grad steile einst mächtige Eiswand, die leider dem Wandel der Zeit zum Opfer gefallen ist. Wir klettern in drei Seilschaften nebeneinander und stellen fest, dass es auch in einer Nordwand sehr warm sein kann! Leider können nicht alle die Gipfelrast genießen, weil der Skistock von Thomas’ Mutter in der dritten Seillänge abgestürzt ist. Während Thomas, Lorin und ich den verunglückten Skistock bergen, nutzt der Rest des Teams die Zeit, um die Spaltenbergung mittels loser Rolle zu üben. Da für den Nachmittag Gewitter angesagt sind, kehren wir zur Hütte zurück.

 

Nach einem ausgiebigen Abendessen beweisen einige Alpinkader-Mitglieder beim Activity-Spielen, dass sie nicht nur zu bergsteigerischen, sondern auch zu grafischen und pantomimischen Höchstleistungen fähig sind.

Der dritte und letzte Tag unseres Hochtouren-Kurses ist ganz der Spaltenbergung mittels loser Rolle sowie der Selbstrettung durch Aufprusiken und Münchhausentechnik gewidmet. Stefan entgeht nicht die kleinste Unachtsamkeit. Spätestens bei der Spaltensturzsimulation in der Zweierseilschaft wird uns allen bewusst, dass Seildisziplin am Gletscher mehr als nur gute Manier ist.

 

Schuhraub!

Eigentlich könnte hier die Geschichte über ein schönes Wochenende enden, wenn ich nicht in der Hütte feststellen musste, dass meine Zustiegsschuhe verschwunden waren. Laut Angaben des Hüttenwirts hatte ein Gast zuvor seine Schuhe nicht mehr gefunden und deshalb Ersatz gesucht und anscheinend auch gefunden. Da der Gast die Hütte erst vor ca. 15 Minuten verlassen hatte, borgte ich mir Stefans Schuhe aus und konnte endlich meine Berglauferfahrungen sinnvoll nutzen! Nach ca. 250 Hm holte ich einen Wanderer in meinen Schuhen ein. Nach einer lautstarken und durchaus überzeugenden Ansprache meinerseits stand dieser bald in Socken am Wegesrand. Hat die Kriminalität auch schon Einzug ins schöne Ötztal gefunden?!

 

Übrig bleibt zu sagen, dass wir ein wunderbares Wochenende bei bestem Wetter in einer sehr schönen Landschaft hatten. Wir haben viel gelernt und erlebt und hoffen, dieses Wissen zwar immer parat zu haben, aber nicht im Ernstfall zu brauchen. Der Abschied war nur ein kurzer, da wir uns in zwei Wochen zum Alpinklettern im „Koasa“ bereits wiedersehen würden. Juhu!

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