Xseis
Ausbildungswochenende im Xeis
zum Thema „Alpinklettern“ vom 28. bis 30. September 2012
unter der Führung von Jürgen Reinmüller
Text von Clemens Jerabek
Ich mache die Augen auf und drehe den Wecker ab, es ist stockdunkel, obwohl die Uhr schon 6:30 anzeigt – der Herbst ist nicht mehr aufzuhalten…
Zu diesem Zeitpunkt quälen sich Roli und Peter gerade im Halbschlaf über die Autobahn aus dem Westen in Richtung Treffpunkt. Am Eingang zum Gesäuse (in weiterer Folge, auf Grund der besseren Lesbarkeit „Xeis“ genannt), in Admont beim Gemeindeamt wollen wir einander treffen. Die drei Oberösterreicher Stefan B., Stefan L. und Alex sind aus der entgegengesetzten Richtung gerade ebenfalls im Anflug, da sitze ich gemütlich im Cafe Traube und trinke meinen ersten Kaffee. Es hat doch auch Vorteile schon am Vorabend anreisen und im Bus übernachten zu müssen. Um 8 Uhr sind natürlich alle (außer Berni, der an der Schulter verletzt für dieses Wochenende ausfällt) pünktlich da (J) und wir beginnen mit Jürgen die Lagebesprechung. Auf dem Programm steht:
Klettern im alpinen Gelände, Zwischensicherungen und Stände mit mobilen Sicherungsmitteln einrichten, möglichst zeitsparendes Abseilen einer Gruppe im alpinen Gelände und diverse Rettungstechniken für die Kameradenbergung.
Also los, keine Zeit verlieren, das Wetter ist schön, wir sind alle voller Tatendrang und wollen den Freitag voll ausnützen! Da es aber im Schatten schon empfindlich kalt ist, entscheiden wir uns für südseitige Ziele, die etwas Sonne und Wärme versprechen.
Wir starten am Festkogel und klettern nach dem Vorbau zum Auswärmen, in drei Seilschaften die Routen „Superlux (6+)“ und „Letzte Ölung (7+)“. Stefan B. und Peter klettern einige Seillängen der „Letzten Ölung“ zur Übung clean, die anderen klinken Zwischendurch auch mal einen Bolt und haben beim Stand- Management einiges an Organisationsarbeit zu leisten, da die Routen immer wieder auf dieselben Standplätze zusammenlaufen und dadurch großes Gedränge und Seilsalat am Standplatz herrscht. Das Abseilen nach der gelungenen Durchsteigung ist zu sechst ebenfalls eine zeitaufwendige Angelegenheit, weshalb der Tag mit diesen Routen gut ausgefüllt ist.
Von Jürgen bekommen wir einiges an Input, was die übersichtliche Standplatzgestaltung und das Abseilen in der Gruppe anbelangt.
Nach diesem gelungenen Auftakt fahren wir in unser Quartier, den Gasthof Ödsteinblick, wo wir uns zum Auffüllen der Energiereserven ein erfrischendes Elektrolytgetränk mit Schaum genehmigen und die möglichen Touren für den nächsten Tag durchgehen.
Die Wahl fällt auf die Süd- bzw. Westwand des Kalbling, aus oben genannten, klimatechnischen Gründen. Roli tut sich mit Stefan B. zusammen, sie nehmen sich den „Scheiblehnerriß (7+) und den „Westwandpfeiler (7+)“ vor; Alex und Peter wollen nach dem „Westwandpfeiler“ die Route „Blue Light (7+)“ probieren; Stefan L. und ich beschließen ebenfalls in den Westwandpfeiler einzusteigen und danach die Tour „Blue Night (9-)“ zu versuchen.
Die Tourenwahl wird mit einem letzten, zweiten (J) Bier besiegelt! Wir bekommen ein hervorragendes Hirschragout zu essen, diskutieren die eine oder andere wichtige alpine Frage und legen uns zu später Stunde mit großer Vorfreude auf den nächsten Klettertag ins Lager.
Am Samstag ist Zeit zur Durchführung unserer Pläne. Wir fahren gemeinsam mit Jürgen, der in Admont wieder zu uns stößt, zur Oberst- Klinke-Hütte, steigen aus dem Auto und stehen im Nieselregen! Na bravo! Wir lassen uns aber nicht abschrecken und beginnen den Aufstieg zur Westwand des Admonter Kalblings. Mit Freude bemerken wir, dass der Wind dreht und den Regen von uns weg bläst - vielleicht haben wir ja doch Glück!
Jürgen hängt sich bei Stefan L. und mir an, wir bilden eine Dreierseilschaft und steigen als erste in den „Westwandpfeiler“ ein. Die Kletterei ist nicht immer ganz fest und es befindet sich neben einigen Bolts auch dubioses Hakenmaterial darin, aber die Linie ist schön und stellenweise sehr ausgesetzt. Wir kommen schnell voran - die Standplatzbau- Übungen haben sich also ausgezahlt (!!) - und haben das Ende der Tour nach zwei Stunden erreicht. Eine weitere halbe Stunde später stehen wir wieder am Wandfuß und beobachten unsere Kameraden, die sich gerade an verschiedenen Stellen in der Wand befinden. Roli und Stefan B. beginnen, nach der Durchsteigung des „Scheiblehner- Risses“ bereits die zweite Seillänge des Westwandpfeilers. Alex und Peter kämpfen gerade mit einer brüchigen, imposanten (nicht ganz beabsichtigten) Variante der Originalroute im mittleren Bereich des Pfeilers.
Nach einer kurzen Pause machen wir uns derweil zur „Blue Night“ auf, die mit einer äußerst schwierigen, zwingenden, zweiten Seillänge im unteren neunten Grad aufwartet. Bin ich froh, dass diesmal Stefan die Führung übernimmt! Nach der ersten, relativ einfachen Seillänge stehen wir vor der Crux. Stefan greift noch einmal ins „Staubsackerl“ und los geht’s: Die ersten Meter hängen leicht über, es folgt eine tückische Querung an abschüssigen, sandigen Griffen, die zu einer etwas leichteren Lochwand führt. Diese leitet senkrecht zu einem großen Rast – Henkel. Stefan ist bis dahin souverän unterwegs, die Züge sehen sehr flüssig aus. Er hat keine Probleme bis dahin – „Los, weiter Steff- Geht scho!“ feuern wir ihn begeistert an. Nach dem Henkel kommt die Schlüsselpassage: einen grausigen Untergriff mit links blockieren, dann eine verschwindend kleine Leiste mit rechts schnappen, nachsteigen, links weitergreifen - die nächste Leiste - auch nicht gut, aber hält. Aufstehen, durchatmen, gut stellen, denn nun fehlen die Griffe, aber die Wand legt sich zurück. Kein Bolt, der ist noch ein Stückerl, scheiße, der Abflug wird weit – „Los Steff!“ hört man uns von unten. Die Tritte sind recht gut, nur wie weiter? Hoch ansteigen mit links, an winzigen Vertiefungen festkrallen, aufstehen – der Tritt hält - und nach links auf eine senkrechte Leiste- die is gut, gottseidank, endlich klinken – Super Stefan, weiter so! – einmal noch hoch ansteigen, nach rechts schieben (der Zwischengriff fehlt hier seit dem Nachstieg vom Jürgen… J), den Henkel mit rechts und rauf zum Stand! Yesss, er hats geschafft! On Sight! Respekt! Jürgen ist beeindruckt, sagt, er kenne wenige die diese Seillänge auf Anhieb durchstiegen haben! Der Rest der Tour ist reinste Genusskletterei im oberen 6ten Grad, sensationelle Felsstruktur, bombenfest, einfach schön!
Der Wind hat derweilen wieder gedreht, das Wetter wird wieder schlechter und der Regen kommt auf uns zu. Wir seilen gerade ab, da bemerken wir die ersten Regentropfen; Wir sehen zu, dass wir alle möglichst schnell zur Hütte kommen. Unten angelangt fängt es zu schütten an - gutes Timing!
Am Sonntag steht, da der Wetterbericht nichts Gutes verheißt, eine Seil- und Bergetechnikschulung im Haindlhof- Klettergarten an. Wir trainieren „Ein-Mann- Bergetechniken“, Standplatzbau mit mobilen Sicherungsmitteln, Abseiltechniken und weitere Seilmanöver. Zwischendurch wird natürlich etwas geklettert. Zur Auswahl stehen einige Touren im Schwierigkeitsbereich 7+/8- bis 9, welche in der „Unterrichtspause“ sofort von uns erstiegen, oder zumindest versucht werden.
Den Abschluss bildet, wie schon der Beginn, ein Kaffee mit einem Stück Torte im Café Traube! Wir lassen die drei Tage revuepassieren und finden nichts auszusetzen. Wir sind viel geklettert, haben wieder einiges dazugelernt, haben gut gegessen und auch ein, zwei Bierchen getrunken! So muss Alpinklettern im Xeis sein!
In freudiger Erwartung der nächsten Alpinkader- Unternehmungen verstreuen wir uns gut gelaunt wieder in alle Himmelsrichtungen!