Valle dell’Orco
Trad- und Technoklettern im Valle dell’Orco, Italien vom 20. bis 26.08.2012
Bericht von Peter Ehrengruber
Vom 20. bis zum 26. August 2012 war als nächster Kaderlehrgang eine Woche im Valle dell’Orco geplant, die ganz dem Riss- und Technoklettern gehören sollte. Unsere Bergführerbegleitung übernahm diesmal Timo Moser. Außerdem sollte Heinz Zak uns an drei dieser Tage mit der Kamera begleiten. Da schöne, parallele Granitrisse für den mitteleuropäischen Alpinkletterer leider eher die Ausnahme als die Regel sind, waren wir alle dementsprechend motiviert. Allerdings kommts bekanntlich erstens oft anders, und zweitens als man denkt...
„Servus Berni, unserer Wohnung gehts anscheinend goa net guat, kann i heut bei dir pennen?“ Aufgrund sehr kurzfristiger, hitziger und so absolut nicht vorhersehbarer Ereignisse musste ich meine Anreise um zwei Tage verschieben. Geplant war, am Sonntag noch ins Orco zu fahren, um die (von Innsbruck aus) 6-stündige Autofahrt entspannt hinter uns bringen zu können. Clemens und Roli fuhren schon 2 Tage vorher ins gleich ums Eck gelegene Chamonix, um sich im Walkerpfeiler an den Grandes Jorasses warmzuklettern. Montagmorgen, zum festgelegten Startzeitpunkt des Lehrgangs, befanden sich von den sechs Kaderathleten allerdings genau zwei am vereinbarten Campingplatz. Clemens und Roli hatten am Weg von Chamonix eine (recht kostspielige) Autopanne, und Berni (mein Mitfahrer) und ich saßen gezwungenermaßen in Innsbruck fest. Dienstag früh konnte aber zumindest er gemeinsam mit Heinz endlich die Reise antreten, und auch Roli und Clemens trudelten im Laufe des Montags noch ein. Damit war Dienstagvormittag der Kader (mit (m)einer Ausnahme) komplett, und das Programm konnte starten. Nach einer langen, nächtlichen Autofahrt waren wir Mittwoch früh dann endlich wieder vollzählig. Auf dem Lehrplan standen Standplatzbau und Rissklettertechniken, die dann auch gleich am Fels in die Tat umgesetzt wurden. Heinz war immer mit der Kamera dabei, und so mancher von uns durfte erstmals am eigenen Leib erfahren, wie viel Arbeit hinter guten Kletterfotos steckt! „Kletter nuamol zwa Züge zruck!...Leg den Cam nuamol neich!...Und wida aussa damit!....Schau gscheit!...Und wida legen!...Passt, kletter die nächstn drei Meter!...Jetzt kletter wida zruck zum Stand und nuamol von vorn!“ – so in etwa kann man sich die Konversation während der Fotoshootings vorstellen, bei denen man gut und gerne 1-2 Stunden in derselben Seillänge verbringen durfte. Die Ergebnisse können sich allerdings – wie nicht anders zu erwarten – sehen lassen! Abends gabs überm Lagerfeuer gegrillte Forellen, und wenn die Runde nicht von (oft recht heftigen) Gewittern verweht wurde, wurde bis spätnachts diskutiert, erzählt, gelacht und über das Ziel der Abschlussexpedition beraten.
So vergingen Dienstag und Mittwoch recht schnell. Am Donnerstag stand für die eine Hälfte Technoklettern auf dem Plan, während die Anderen in zwei Seilschaften eine längere Tour kletterten (am Freitag wurden die Rollen getauscht). Bei der Rückkehr zum Parkplatz dann der nächste Rückschlag: Clemens‘ Bus (in dem auch Roli einquartiert war) war aufgebrochen, und es fehlte (mit Ausnahme des Kletterzeugs) so ziemlich alles....Taschen und Rucksäcke mit Kleidung (großteils nagelneue Mountain Equipment-Teile), Geldtasche, Autopapiere...dementsprechend gedrückt war die Stimmung am Abend. Clemens‘ Kommentar: „Und, Peter, wie gehst du mit dieser...Besitzlosigkeit um?“. Am nächsten Tag war er krank, und so beschlossen er und Roli, etwas früher als geplant und in einem mittlerweile doch recht leeren Bus, noch am Abend die Heimreise anzutreten.
Samstags gings für den Rest der Gruppe in einen nahegelegenen Trad-Klettergarten, wo noch etwas Technoklettern (Copperhead-, Hook- und Haken-Placements) und Seiltechnik (Kameradenbergung) am Programm stand. Da für die Nacht und den darauffolgenden Sonntag extrem schlechtes Wetter angesagt war, einigten wir uns darauf, Samstagabend noch Richtung Österreich zu fahren. Nach einer weiteren, langen Autofahrt (auf der wir übrigens mit unseren beiden Vehikeln nach 5-stündiger, unabhängiger Fahrt genau an der Brenner-Mautstelle wieder nebeneinander zu stehen kamen) kamen ich und Berni spätabends schließlich wieder in Innsbruck an.
Damit liegt der bisher längste Alpinkader-Kurs hinter uns. Trotz einiger Zwischenfälle war diesmal für alle etwas Neues dabei, und das Klima innerhalb der Gruppe könnte nicht besser sein. In zwei Wochen gehts für uns eine Woche nach Chamonix, der alpinistischen Spielwiese Europas – möge uns der Wettergott gnädig und der Schneefall vor Ort bis dahin nicht allzu ergiebig sein.
Peter
P.S: Mittlerweile sind tatsächlich zumindest die gestohlenen Taschen von der italienischen Polizei wieder gefunden worden! Wir sind alle gespannt, was sich noch darin befindet...